a) Überblick

 

Tz. 137

Die Norm bestimmt (im Zusammenspiel mit § 296 HGB, vgl. Tz. 161 ff.) den Umfang des Konsolidierungskreises. Nach Abs. 1 gilt das Weltabschlussprinzip, d. h. es sind grundsätzlich alle Tochterunternehmen unabhängig von ihrem Sitz und ihrer Rechtsform nach Maßgabe von § 290 HGB in die Konzernrechnungslegung einzubeziehen. Abs. 2 ordnet bei wesentlichen Änderungen des Konsolidierungskreises während eines Geschäftsjahres an, dass in den betreffenden Konzernabschluss Angaben aufzunehmen sind, die es ermöglichen, die aufeinanderfolgenden Konzernabschlüsse sinnvoll zu vergleichen. Abs. 3 statuiert für die Tochterunternehmen bestimmte (einklagbare) Vorlage- und Auskunftspflichten, die es dem Mutterunternehmen ermöglichen, den Konzernabschluss vollständig und fristgerecht zu erstellen.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 138

Die Norm wurde durch das BiRiLiG 1985 mit Wirkung vom 1. 1. 1990 in das HGB eingefügt. Sie geht im Hinblick auf die Grundkonzeption (Weltabschlussprinzip) auf die 7. EG-RL vom 13.6.1983 (Konzern-Bilanz-RL)[237] zurück. Die zuvor im AktG enthaltene Regelung hatte den Konsolidierungskreis auf inländische Gesellschaften beschränkt. Die einklagbaren Vorlage- und Auskunftsrechte gegenüber den Tochterunternehmen beruhen nicht auf EU-Recht, sondern waren als nationale Besonderheit bereits in § 335 AktG 1965 enthalten. Das BilMoG 2009 hat die Regelungen in Abs. 1 und Abs. 3 beibehalten; die Vorschriften zur Berichterstattung über wesentliche Konsolidierungskreisänderungen wurden verschärft. Seither ist die Berichterstattung nur noch im Konzernabschluss möglich; eine Anpassung der Vorjahreszahlen (wie noch von § 294 Abs. 2 HGB a. F. zugelassen) ist nicht länger vorgesehen. Durch das BilRUG wurde in Abs. 1 klargestellt, dass es für die Einbeziehung von Tochterunternehmen in einen Konzernabschluss nicht auf deren Rechtsform ankommt. In der Sache bestand diesbzgl. bereits zuvor Einigkeit (vgl. Tz. 8).

[237] 83/349/EWG, ABl. EG 1983, L 193, 1.

c) Geltungsbereich

aa) Sachlicher Geltungsbereich

 

Tz. 139

Die Regelungen zum Umfang des Konsolidierungskreises (Abs. 1) und zur Verfahrensweise bei wesentlichen Änderungen im Konsolidierungskreis (Abs. 2) betreffen sämtliche Mutterunternehmen, dienach § 290 HGB zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet (vgl. Tz. 7) und nicht nach § 290 Abs. 5 HGB (vgl. Tz. 34) oder §§ 291 bis 293 HGB (vgl. Tz. 75 ff., 95 ff., 113 ff.) von dieser Verpflichtung befreit sind.

Die Vorlage- und Auskunftspflichten (Abs. 3) betreffen sämtliche in- und ausländische Tochterunternehmen i. S. v. § 290 HGB (zur Durchsetzbarkeit vgl. Tz. 152 ff.), selbst wenn sie im konkreten Fall aufgrund der entsprechenden Ausübung des Wahlrechts nach § 296 HGB nicht in den Konzernabschluss einbezogen worden sind. Dies ist sachgerecht, da das Mutterunternehmen die Informationen benötigt, um zu entscheiden, ob es das Konsolidierungswahlrecht ausüben darf/soll.[238] Allerdings ist die Norm nur anwendbar, wenn ein inländisches Mutterunternehmen den Vorlage-/Auskunftsanspruch geltend macht, nicht aber in Fällen, in denen ein ausländisches Mutterunternehmen entsprechende Informationen von seinem inländischen Tochterunternehmen erhalten will.[239]

[238] Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 294 HGB Rn. 20.
[239] Str., wie hier Kindler, in: GroßKo-HGB, § 294 HGB Rn. 15; a. A. (wohl) Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 294 HGB Rn. 20.

bb) Zeitlicher Geltungsbereich

 

Tz. 140

Die durch das BilMoG 2009 geänderten Berichtspflichten bei wesentlichen Änderungen des Konsolidierungskreises gelten erstmals für Erwerbsvorgänge in Geschäftsjahren, die nach dem 31.12.2009 begonnen haben (Art. 66 Abs. 3 Satz 4 EGHGB).

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 141

Über den Umfang des Konsolidierungskreises (Weltabschlussprinzip) besteht auch wegen der Parallelität zu den Grundsätzen internationaler Rechnungslegung Konsens. Seit dem BilMoG 2009 ist die Angabe angepasster Vorjahreszahlen bei wesentlichen Änderungen des Konsolidierungskreises nicht mehr möglich. Durch diese Gesetzesänderung erfolgte eine begrüßenswerte weitere Annäherung an IFRS.[240] Die Vorlagepflichten des Abs. 3 bereiten ggü. ausländischen Tochtergesellschaften Schwierigkeiten, weil sie in der Praxis teilweise nicht durchsetzbar sind. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob ein dauerhaftes Durchsetzungshindernis bereits bei der Verpflichtung zur Konsolidierung im Rahmen des § 290 Abs. 1 HGB zu berücksichtigen ist und/oder ein Konsolidierungswahlrecht nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB eröffnet.[241] Hier wäre eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert. Diese Frage hat nach dem BilMoG 2009 zusätzliche Brisanz erlangt, da sich der Kreis der einzubeziehenden (ausländischen) Tochterunternehmen tendenziell erweitert hat.[242]

[240] Vgl. Kindler, in: GroßKo-HGB, § 294 HGB Rn. 21.
[241] Vgl. zum Streitstand ADS, § 294 HGB Rn. 43; Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 294 HGB Rn. 23.
[242] Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 294 HGB Rn. 3.

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