Tz. 107

Die Angaben gem. § 289 Abs.  4 HGB sollen einem potenziellen Bieter die Einschätzung der Zielgesellschaft, ihrer Struktur sowie etwaiger Übernahmehindernisse – vor allem solcher zur Vermeidung feindlicher Übernahmen – ermöglichen.[95] Der Berichtspflicht unterworfen sind AG und KGaA, die einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs.  7 WpÜG durch Ausgabe stimmberechtigter Aktien in Anspruch nehmen. Selbiges gilt für die SE (Art. 3 Abs.  1 und Art. 5 SE-VO). Ausdrücklich in die Berichtspflicht einbezogen sind auch Wertpapiere, die nicht auf einem geregelten Markt eines EU-Mitgliedstaates gehandelt werden, d. h. nicht oder lediglich in einem Drittstaat zum Handel zugelassene Wertpapiere. Die Berichtspflicht bezieht sich nicht auf Anteile an einer GmbH oder Beteiligungen an einer KG sowie auf Unternehmen, die nur Schuldverschreibungen oder Genussscheine ausgeben. Auch Derivate, Pfandbriefe und Anleihen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Regelung, da sie nicht unter den Begriff des Wertpapiers, wie er in der EU-Übernahme-RL 2004/25/EG definiert wird, fallen. Ein reales Übernahmeangebot ist nicht notwendig, um die Berichtspflicht auszulösen.[96] Im Falle börsennotierter AG ergeben sich zudem Zusammenhänge mit dem erläuternden Bericht des Vorstands zu den Angaben nach § 289 Abs.  4 HGB, den dieser der Hauptversammlung nach § 176 Abs.  1 AktG zugänglich zu machen hat. Eine Zusammenfassung mit den Angaben im Lagebericht ist möglich.

 

Tz. 108

Zudem ergeben sich teilweise Redundanzen zwischen den übernahmerechtlichen Angaben und bestimmten Angaben im Anhang. Für die Nr. 1, 3 und 9 kann jedoch auf eine Berichterstattung im Lagebericht verzichtet werden, wenn die entsprechenden Angaben bereits im Anhang – unter Verweis im Lagebericht – gemacht wurden. Nach DRS 20.K189 haben die übernahmerelevanten Angaben die Verhältnisse am Bilanzstichtag widerzuspiegeln. Eine Fehlanzeige, falls ein bestimmter Sachverhalt nicht vorliegt, ist nicht erforderlich. Sie ist jedoch i. S. d. Klarheit und Übersichtlichkeit zu empfehlen.[97]

[95] BT-Drucks. 16/1003, 24.
[96] BT-Drucks. 16/1003, 24.
[97] Kajüter, in: HdR, § 289 HGB Rn. 154.

ee1) Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals (Nr. 1)

 

Tz. 109

Nach § 289 Abs.  4 Satz 1 Nr. 1 HGB ist die Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals anzugeben. Dabei handelt es sich um das gezeichnete Kapital nach § 272 Abs.  1 Satz 1 HGB, also das Grund- oder Stammkapital. Zwar gibt der Gesetzeswortlaut keine Hinweise darauf, welche Detailinformationen hierzu anzugeben sind. DRS 20. K190 f. konkretisieren die Angabepflichten jedoch i. S. d. Gesetzeszwecks, nämlich einem möglichen Bieter relevante Informationen zur Verfügung zu stellen. In jedem Fall angabepflichtig sind demnach der Gesamtbetrag des Grund- oder Stammkapitals sowie die Anzahl der ausgegebenen Aktien. Zudem sind Angaben zur Art der Aktien zu machen, d. h., es ist zwischen Stück- und Nennbetragsaktien zu unterscheiden oder zwischen Inhaber-, Namens- und vinkulierten Namensaktien. Bei Nennbetragsaktien sind zudem der Nennbetrag und die Zahl der Aktien je Nennbetrag anzugeben, bei Stückaktien der rechnerische Anteil.

 

Tz. 110

Liegen mehrere Aktiengattungen vor (z. B. Stammaktien, stimmberechtigte und stimmrechtslose Vorzugsaktien etc.), sind für jede Gattung anzugeben (DRS 20.K190):

  • die Zahl der ausgegebenen Aktien pro Gattung;
  • die mit jeder Aktiengattung verbundenen Rechte und Pflichten;
  • der Anteil jeder Aktiengattung am gezeichneten Kapital.
 

Tz. 111

Bestehen Bezugsrechte aus Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen, sind diese zwar am Abschlussstichtag nicht als Teil des gezeichneten Kapitals zu verstehen. Ihre Ausübung kann jedoch zu einer nicht unwesentlichen Veränderung des gezeichneten Kapitals führen. Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks erscheinen daher Angaben zur Veränderung des gezeichneten Kapitals im Falle der Ausübung der Wandlungs- oder Bezugsrechte sachgerecht.[98]

[98] Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315).

ee2) Stimmrechts- oder Übertragungsbeschränkungen (Nr. 2)

 

Tz. 112

Bestehen Beschränkungen hinsichtlich der Übertragbarkeit oder der Stimmrechte von Aktien, wie beispielsweise bei Vorzugsaktien, sind diese nach § 289 Abs.  4 Satz 1 Nr. 2 HGB anzugeben. Derartige Beschränkungen können eine gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Grundlage haben. Aber auch abgestimmtes Verhalten oder Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern (Stimmbindungsverträge, Haltevereinbarungen) können zu Beschränkungen führen, die berichtet werden müssen, soweit sie die Übertragbarkeit oder die Stimmrechte von Aktien begrenzen.[99]

 

Tz. 113

Zu den Stimmrechtsbeschränkungen zählen zeitliche Beschränkungen bei der Ausübung der Stimmrechte, Stimmrechtsbegrenzungen auf bestimmte Prozentsätze oder Stimmenzahlen, Genehmigungserfordernisse der Wertpapierinhaber etc. Gesetzliche Stimmrechtsbeschränkungen finden sich z. B. in §§ 20 Abs.  7 Satz 1, 21 Abs.  4 AktG (Mitteilungspflichten), § 71b AktG (eigene Aktien), § 134 Abs.  2 Satz 1, 4, 5 AktG (Stimmrechte und Einlage), § 136 Abs.  1 AktG (Ausschluss des Stimmrechts), § 139 Abs.  1 AktG (Vorzugsaktien ohne Stim...

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