bb1) Verhältnis von Prognose-, Chancen- und Risikobericht

 

Tz. 65

Nach § 289 Abs.  1 Satz 4 HGB ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern. Zudem sind zugrunde liegende Annahmen anzugeben. Mit dieser im Vergleich zur dynamischen Lagedefinition weiterreichenden prospektiven Berichterstattung werden zwei Berichtselemente in den Lagebericht integriert: der Prognosebericht und der Chancen- und Risikobericht. Dadurch sollen dem Adressaten vermehrt entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung gestellt und Soll-Ist-Vergleiche ermöglicht werden.[53] Teilweise wird aus der Forderung nach einer Beurteilung und Erläuterung der voraussichtlichen Entwicklung mit ihren Chancen und Risiken auch die Forderung nach einer Integration des Chancen-/Risikoberichts in den Prognosebericht abgeleitet.[54] Der Chancen-/Risikobericht ist jedoch nicht ein bloß untergeordneter Bestandteil der Prognoseberichterstattung, er steht vielmehr gleichberechtigt neben ihr als eigenes Berichtsinstrument.[55] Sogar die Trennung des Chancen-/Risikoberichts in einen separaten Chancen- und einen Risikobericht ist dabei möglich. Ob die Berichterstattung getrennt oder gemeinsam erfolgt, hängt davon ab, welche Darstellungsform aus Sicht der Unternehmensleitung die voraussichtliche Entwicklung mit ihren Chancen und Risiken im Einzelfall klarer vermittelt.[56] Im Falle der getrennten Berichterstattung ist im Prognosebericht inhaltlich auf die Chancen und Risiken Bezug zu nehmen (DRS 20.117). Damit kann eine Berichterstattung folgendermaßen aufgebaut sein:

  • als ein integrierter Prognose-, Chancen- und Risikobericht,
  • als ein Prognosebericht und ein integrierter Chancen-/Risikobericht oder
  • als ein Prognosebericht, ein Chancenbericht und ein Risikobericht – jeweils als separate Berichtsteile.
[53] BT-Drucks. 15/3419, 30.
[54] Kleindiek, in: MüKo-BilR, § 289 HGB Rn. 60; Krawitz/Hartmann, WPg 2006, 1262; Wolf, DStR 2005, 438 (439).
[55] Grottel, in: BeckBilKo, § 289 HGB Rn. 43; Kajüter, BB 2004, 427 (430).
[56] Fink/Kajüter/Winkeljohann, Lageberichterstattung, Stuttgart, 2013, 183.

bb2) Prognosebericht

 

Tz. 66

Geht es um Inhalt und Umfang des Prognoseberichts, spalten sich regelmäßig die Sichtweisen von Adressaten und Erstellern. Während dem Adressaten mit dem Prognosebericht i. d. R. eine wertvolle Einschätzung der Unternehmensleitung zur voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens vermittelt wird, dominieren aus Sicht der Ersteller oft Bedenken hinsichtlich des Unsicherheitsgrades der Angaben und der Folgen einer Prognoseverfehlung. Entsprechend variieren die Vorstellungen von der inhaltlichen Ausgestaltung des Prognoseberichts erheblich. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass der vollständige Verzicht auf einen Prognosebericht in keinem Fall in Frage kommt.[57]

 

Tz. 67

Die gesetzlichen Vorgaben des § 289 Abs.  1 HGB geben keine Hinweise darauf, wie der Prognosebericht inhaltlich auszugestalten ist. Da der Prognosebericht jedoch inhaltlich eng mit dem Wirtschaftsbericht verbunden ist, ist nach h. M. für beide Berichtselemente ein grundsätzlich gleicher Berichtsgegenstand zugrunde zu legen.[58] Entsprechend sind alle wesentlichen Entwicklungen und Ereignisse zu beschreiben, die nach Einschätzung der Unternehmensleitung künftig Einfluss auf Geschäftsverlauf und Lage des Unternehmens haben werden. In Anknüpfung an den Gesetzeswortlaut fordert DRS 20.126 zudem Prognosen zu den bedeutsamsten finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, wobei sich der Standard auf die entsprechenden Angaben im Wirtschaftsbericht bezieht (vgl. Tz. 45 ff.).

 

Tz. 68

§ 289 Abs.  1 Satz 4 verlangt, die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens zu beurteilen und zu erläutern. Rein deskriptive Ausführungen sind daher regelmäßig nicht ausreichend. Stattdessen sind i. S. einer Erläuterung weitergehende Erklärungen, Kommentierungen und Interpretationen eines Sachverhalts erforderlich. Die Beurteilung erfordert zusätzlich wertende Aussagen (DRS 20.11).

 

Tz. 69

Um die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens zu beurteilen und zu erläutern, reichen verbale Ausführungen i. d. R. aus.[59] Die konsequente Umsetzung des Management Approach kann aber auch die Angabe quantitativer Daten unverzichtbar machen,[60] z. B. im Zusammenhang mit intern zur Steuerung verwendeten finanziellen Leitungsindikatoren. Dabei muss klar erkennbar sein, dass es sich bei den Angaben um Prognosen handelt. Eine Berichtspflicht für Zeitreihen oder Planungsrechnungen besteht hingegen nicht.

 

Tz. 70

Uneinigkeit besteht indes darüber, welcher Zeitraum den Prognosen zugrunde zu legen ist. In der Literatur wird gemeinhin ein Prognosezeitraum von zwei Jahren ab dem Abschlussstichtag als sachgerecht erachtet,[61] unter Berücksichtigung der Branche oder der Tätigkeit des Unternehmens ggf. auch länger. Begründet wird diese Forderung insbesondere damit, dass in der Praxis meist vier bis zwölf Monate zwischen Abschlussstichtag und Veröffentlichung des Lageberichts liegen. Bei einem nur einjährigen Prognosehor...

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