a) Grundsätze der Lageberichterstattung

 

Tz. 28

§ 289 HGB gibt bestimmte Mindestangaben für den Lagebericht vor. Die gesetzlichen Regelungen schweigen jedoch zu Umfang, Tiefe, Form und Zeitbezug des Lageberichts.[16] Um dieses Defizit auszugleichen, orientiert sich die Praxis der Lageberichterstattung an den Grundsätzen ordnungsmäßiger Lageberichterstattung, die sich nicht zuletzt aus den Funktionen des Lageberichts (vgl. Tz. 3 ff.) sowie den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaftslegung ableiten. Im Sinne einer Prinzipienbasierung sollen so die abstrakt gehaltenen inhaltlichen Vorgaben zur Lageberichterstattung durch formale Berichtsgrundsätze ergänzt und konkretisiert werden.[17] Als wesentliche Grundsätze haben sich dabei die Grundsätze der Vollständigkeit, der Verlässlichkeit und Ausgewogenheit sowie der Klarheit und Übersichtlichkeit herauskristallisiert – wenn auch in der Literatur z. T. anders bezeichnet.[18] Zudem definiert das DRSC weitere Grundsätze in Form des Grundsatzes der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung sowie der Informationsabstufung.

[16] Selch, Der Lagebericht: Risikoberichterstattung und Aufstellung nach IDW RS HFA 1, Wiesbaden, 2003, 44.
[17] Stellvertretend Fink, Lageberichterstattung und Erfolgspotenzialanalyse, Marburg, 2007, 196.
[18] ADS, § 289 HGB Rn. 38 ff.; Baetge/Fischer/Paskert, Der Lagebericht: Aufstellung, Prüfung und Offenlegung, Stuttgart, 1989, 16 ff.; Grottel, in: BeckBilKo, § 289 HGB Rn. 8; Kirsch/Köhrmann, in: Beck HdR, B510 Rn. 28 ff.; Krawitz, in: Bonner HdR, § 289 HGB Rn. 25 ff.; Paetzmann, in: Bertram u. a., HGB, § 289 HGB Rn. 15 ff.

aa) Vollständigkeit

 

Tz. 29

Ein vollständiger Lagebericht beinhaltet alle Informationen aus allen verfügbaren Quellen, die der Adressat für eine umfassende Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Lage sowie des Geschäftsverlaufs und der künftigen Entwicklung des Unternehmens benötigt. Zudem ist i. S. eines Saldierungsverbots über positive und negative Aspekte gesondert zu berichten.

Das DRSC subsumiert unter dem Vollständigkeitspostulat außerdem, dass der Lagebericht ohne Rückgriff auf den JA, also aus sich selbst heraus, verständlich sein muss und somit alle zur Erfüllung der Informationsfunktion notwendigen Daten enthält (DRS 20.13).

 

Tz. 30

Dies erfordert jedoch keine lückenlose Berichterstattung über alle Geschäftsvorfälle. Vielmehr wird die Vollständigkeit durch den Wesentlichkeitsgrundsatz beschränkt, um einer Überfrachtung des Adressaten mit z. T. unwichtigen Informationen vorzubeugen. Wesentlich sind danach Informationen, die die Entscheidungen des Adressaten beeinflussen können. Die Wesentlichkeit einer Information wird von der Unternehmensleitung vor dem Hintergrund der unternehmensspezifischen Gegebenheit und der Rahmenbedingungen der Geschäftstätigkeit beurteilt. Eine standardisierte Vorgabe quantitativer Schwellenwerte ist daher kaum möglich.[19]

 

Tz. 31

Eine Schutzklausel entsprechend der des § 286 HGB für bestimmte Anhangangaben, die die Vollständigkeit der Angabepflichten weiter einschränkt, existiert für den Lagebericht grundsätzlich nicht. Allerdings können bestimmte Angaben nach § 289 Abs.  4 Nr. 8 HGB unterbleiben, sofern der Gesellschaft dadurch ein erheblicher Nachteil entsteht. Zudem greift § 286 HGB in bestimmten Situationen auf den Lagebericht durch. So können nach § 286 Abs.  5 HGB Individualangaben zu den Vorstandsbezügen gem. § 285 Nr. 9 lit. a) Satz 5–8 HGB nach einem HV-Beschluss unterbleiben. Da nach § 289 Abs.  2 Satz 1 Nr. 4 HGB Angaben zum Vergütungssystem im Anhang mit Verweis auf den Lagebericht unterlassen werden können, bezieht sich die Schutzklausel des § 286 Abs.  5 HGB in diesem Falle auch auf die Angaben im Lagebericht; dies jedoch nur, sofern von der Verweismöglichkeit Gebrauch gemacht wird. Zu beachten ist, dass sich die Schutzklausel ausschließlich auf die Individualangaben zu Vorstandsbezügen bezieht. Die Angaben zu den Gesamtbezügen der Organmitglieder bleiben davon unberührt.

Fraglich ist, ob in bestimmten, eng begrenzten Ausnahmefällen Angaben im Lagebericht unterbleiben können, so es z. B. – in Analogie zu § 286 Abs.  1 HGB – für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Nach h. M. ist eine analoge Anwendung der Schutzklausel in diesen Fällen zulässig,[20] darf jedoch nicht zu einer fehlerhaften Darstellung von Geschäftsverlauf, wirtschaftlicher Lage oder voraussichtlicher Entwicklung des Unternehmens führen.[21]

[19] Hirschberger/Leuz, DB 2012, 2529 (2530).
[20] ADS, § 289 HGB Rn. 54; Kajüter, in: HdR, § 289 HGB Rn. 58; a. A. Grottel, in: BeckBilKo, § 289 HGB Rn. 14; Kleindiek, in: MüKo-BilR, § 289 HGB Rn. 35.
[21] Kajüter, in: HdR, § 289 HGB Rn. 58.

bb) Verlässlichkeit und Ausgewogenheit

 

Tz. 32

Nach dem Grundsatz der Verlässlichkeit und Ausgewogenheit – in der einschlägigen Fachliteratur werden z. T. auch die Begriffe Richtigkeit[22] oder Wahrheit[23] verwendet – müssen die Informationen des Lageberichts zutreffend (richtig/wahr) und nachvollziehbar sein. In Ermangelung eines absoluten Maßstabs für die "Richtigkeit" einer Angabe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge