a) Überblick

aa) Normzweck

 

Tz. 2

§ 289 HGB sowie in bestimmten Fällen § 289a HGB legen die inhaltlichen Anforderungen an den Lagebericht fest. Dieser ist nach § 264 Abs.  1 HGB – und nach Maßgabe von Art. 2 Abs.  1 Satz 1 der EG-Bilanz-RL 78/660/EWG – kein Bestandteil des JA. Vielmehr handelt es sich beim Lagebericht um ein eigenständiges Informationsinstrument, das den JA durch zukunftsorientierte Informationen (in zeitlicher Hinsicht) sowie durch qualitative Angaben (in sachlicher Hinsicht) ergänzt.[1]

[1] Fink/Kajüter/Winkeljohann, Lageberichterstattung, Stuttgart, 2013, 3.

bb) Funktionen des Lageberichts

 

Tz. 3

Der Lagebericht besitzt primär eine Informationsfunktion. Durch diese funktionsbezogene Fokussierung unterscheidet er sich vom zweckpluralistischen Instrument des JA. Im Rahmen seiner Informationsfunktion soll der Lagebericht zum einen den primär vergangenheitsorientierten und quantitativ gestalteten JA ergänzen und erläutern. Dies wird insbesondere dadurch ermöglicht, dass die Angaben im Lagebericht – im Gegensatz zum JA – nicht durch die GoB beschränkt werden. Auch eine Beschränkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, auf die bei der Darstellung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes i. S. d. Generalnorm für den JA gem. § 264 Abs.  2 HGB fokussiert wird, existiert für den Lagebericht nicht. Auf diese Weise soll dem Berichtsadressaten ermöglicht werden, sich ein zutreffendes Bild vom Geschäftsverlauf, von der Lage und von der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens sowie von den mit dieser Entwicklung einhergehenden Chancen und Risiken zu machen. Zum anderen stellt der Lagebericht verstärkt verdichtete Informationen i. S. zusammenfassender Gesamturteile zur Verfügung. Er kann daher auch als ein Instrument aggregierter Abschlussinformationen verstanden werden.[2]

 

Tz. 4

Die vergangenheitsbezogenen Informationen im Lagebericht dienen – analog zum JA – der Rechenschaftslegung der Unternehmensleitung in Bezug auf die Ressourcenverwendung im Unternehmen während des Berichtszeitraums. Daneben unterstützen die zukunftsorientierten Informationen des Lageberichts den Adressaten bei der Entscheidungsfindung. Zudem stellt der Lagebericht ein wichtiges Element der Corporate Governance dar, da vor allem die rechnungslegungsbezogenen Berichtspflichten die Überwachung der Unternehmensleitung unterstützen.[3]

 

Tz. 5

In der Fachliteratur werden dem Lagebericht neben der Informationsfunktion häufig weitere Funktionen zugebilligt, so z. B. eine Marketingfunktion[4] i. S. eines Investor Relations Instruments oder eine Warnfunktion, die vor allem aus der Risikoberichterstattung resultiert.[5] All diese vermeintlichen Zusatzfunktionen können jedoch der Informationsfunktion des Lageberichts als integrale Bestandteile derselben untergeordnet werden.[6]

 

Tz. 6

Der Lagebericht ist als solcher zu kennzeichnen. Auf diese Weise soll er vor allem vom Anhang und anderen Berichtselementen des JA oder des Geschäftsberichts abgegrenzt werden. Dies ist als zweckmäßig zu erachten, da für die verschiedenen Berichtselemente auch unterschiedliche Anforderungen an die Abschlussprüfung gelten (§ 317 HGB, vgl. Kapitel 17).

[2] Baetge/Fischer/Paskert, Der Lagebericht: Aufstellung, Prüfung und Offenlegung, Stuttgart 1989, 9; Coenenberg, Unternehmensexterne, Jahresabschlußinformationen, Theoretische und empirische Untersuchungen zum Informationswert des Jahresabschlußes, Köln, 1969, 9.
[3] Böcking/Stein, DK 2007, 43 (51); Kleindiek, in: MüKo-BilR, § 289 HGB Rn. 12.
[4] Rodewald, BB 2001, 2155 (2156).
[5] Lange, in: MüKo-HGB, § 289 HGB Rn. 8.
[6] Kleindiek, in: MüKo-BilR, § 289 HGB Rn. 15.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 7

Die Lageberichterstattung hat in Deutschland eine lange Tradition. Erste Hinweise auf eine Lageberichterstattung sind bereits im Aktienrecht des Jahres 1884 zu finden. Seine heutige Form erhielt der Lagebericht 1985 mit dem BiRiLiG, das die EG-Bilanz-, -Konzern- und -Prüfer-RL in deutsches Recht umsetzte. Der Lagebericht wurde damit u. a. als eigenständiges Informationsinstrument etabliert, der Anwendungsbereich von AGs auf KapGes erweitert. Mit der Umsetzung der EG-Zweigniederlassungs-RL 89/666/EWG wurde 1993 der Zweigniederlassungsbericht eingeführt, 1998 folgte mit dem KonTraG die Risikoberichterstattung – allerdings ohne entsprechende Vorgabe durch die EU. Der Anwendungsbereich des § 289 HGB wurde mit dem KapCoRiLiG im Jahr 2000 erneut erweitert. 2001 wurden die Regelungen zur Risikoberichterstattung durch DRS 5 konkretisiert.

 

Tz. 8

Mit dem BilReG aus dem Jahr 2004, das die EG-Modernisierungs-RL 2003/51/EG in deutsches Recht transformierte, wurden die inhaltlichen Vorgaben der §§ 289 und 315 HGB z. T. deutlich erweitert und konkretisiert. So wurden erstmals u. a. die Darstellung von Risiken und Ungewissheiten, eine umfassende Analyse von Geschäftsverlauf, -ergebnis und Lage des Unternehmens sowie eine Analyse der wichtigsten finanziellen und ggf. nichtfinanziellen Leistungsindikatoren als Pflichtbestandteile des Lageberichts definiert. Mit DRS 15 veröffentlichte das DRSC 2005 zudem ei...

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