1. Einführung

a) Überblick

 

Tz. 84

Schließt ein Unternehmen ein Geschäft mit einer ihm nahestehenden Person oder einem ihm nahestehenden Unternehmen ab, können der Geschäftsabschluss selbst oder die in diesem Zusammenhang vereinbarten Konditionen von denen abweichen, die mit einem fremden Dritten vereinbart würden. Ursächlich hierfür ist regelmäßig, dass das Unternehmen und die ihm nahestehende Partei (related party) oftmals dieselben oder zumindest ähnliche Zielsetzungen verfolgen und damit anders interagieren als unabhängige Dritte. So können z. B. Güter zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten von einem Mutterunternehmen an ein Tochterunternehmen verkauft werden, während ein fremder Dritter diese nicht zu denselben Konditionen erhalten würde (IAS 24.6). Es ist auch möglich, dass sich die Zielsetzungen der Parteien erst mit dem Nahestehen einander annähern. So kann der Erwerb eines Tochterunternehmens z. B. dazu führen, dass dieses seine vormals intensiven Geschäftsbeziehungen zu einem Konkurrenzunternehmen des Mutterunternehmens mit dem Erwerb aufgibt. Die Angleichung der Interessen kann aber auch aktiv forciert werden, wenn z. B. ein Tochterunternehmen von seinem Mutterunternehmen angewiesen wird, keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit mehr durchzuführen (IAS 24.7).

 

Tz. 85

Den genannten Fällen ist gemein, dass die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens sowohl durch die bloße Existenz der nahestehenden Unternehmen und Personen als auch durch Geschäftsvorfälle (transactions) sowie offene Posten oder Verpflichtungen (outstanding balances) mit diesen beeinflusst werden kann (IAS 24.1). Die in IAS 24 enthaltenen Angabepflichten sollen beim Adressaten ein Bewusstsein gerade für derartige Effekte schaffen, und ihn über Art (nature) und Umfang (extent) der Beziehungen zu nahestehenden Parteien informieren. IAS 24 regelt somit lediglich Angabepflichten im Anhang, Bilanzierungs- und Bewertungsregeln enthält er indes nicht.

 

Tz. 86

Im Kontext der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist IAS 24 von Bedeutung, da in der Begründung zu § 285 Nr. 21 HGB (vgl. Tz. 66) im RegE BilMoG – ähnlich wie in Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der EU-Bilanzrichtlinie i. d. F. der Abänderungsrichtlinie – hinsichtlich der Begriffsbestimmung zu nahestehenden Unternehmen und Personen auf die i. S. d. IAS-VO 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards und damit auf IAS 24 verwiesen wird.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 87

Im April 2001 wurde IAS 24 vom IASB verabschiedet. Dieser wurde ursprünglich bereits 1984 von der Vorgängerorganisation des IASB, dem IASC, herausgegeben. Nachdem bestimmte Angaben zur Managementvergütung sowie zu nahestehenden Parteien in Einzelabschlüssen geändert wurden, wurde im Dezember 2003 ein überarbeiteter IAS 24 (rev. 2003) veröffentlicht.

Im Dezember 2009 wurde schließlich der derzeit gültige IAS 24 herausgegeben. Im Vergleich zu IAS 24 (rev. 2003) wurden dabei vor allem geändert:

  • die Definition nahestehender Unternehmen und Personen
  • die Befreiung bestimmter der öffentlichen Hand nahestehender Unternehmen
  • die Berichtspflicht für schwebende Geschäfte

Eine Anpassung bestimmter Teilziffern des IAS 24 erfolgte außerdem mit der Verabschiedung des Konsolidierungspakets (IFRS 10–12, vgl. Kapitel 14 Tz. 35 ff., vgl. Kapitel 15 Tz. 25 ff., vgl. Tz. 148 ff.) sowie mit den Änderungen zu Investmentgesellschaften an IAS 27, IFRS 10 und IFRS 12 (vgl. Kapitel 14 Tz. 35 ff., vgl. Tz. 148 ff.).

Eine Klarstellung erfuhr IAS 24 schließlich mit dem Annual Improvements to IFRSs 2010–2012 Cycle. Danach können auch juristische Personen die Definition eines Managements in Schlüsselpositionen erfüllen und damit bestimmte Angabepflichten auslösen.[27]

[27] Antonakopoulos/Fink, PiR 2014, 103.

c) Geltungsbereich (sachlich, zeitlich)

aa) Anwendungsbereich

 

Tz. 88

IAS 24 ist von allen nach IFRS bilanzierenden Unternehmen anzuwenden. Eine Beschränkung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen existiert nicht. Selbiges gilt im Hinblick auf größen-, branchen- oder rechtsformabhängige Erleichterungen, auch diese sind in IAS 24 nicht vorgesehen.

 

Tz. 89

Nach IAS 24.2 gibt der Standard Anweisungen dazu,

  • wie Beziehungen, Geschäftsvorfälle, offene Posten und Verpflichtungen mit nahestehenden Parteien ermittelt werden,
  • welche dieser Sachverhalte eine Angabepflicht auslösen und
  • welche Angaben entsprechend zu machen sind.

Der Anwendungsbereich des IAS 24 erstreckt sich dabei auf die Berichterstattung in (IAS 24.3):

  • Einzelabschlüsse (separate financial statements) und Konzernabschlüsse (consolidated financial statments) von Mutterunternehmen, Partnerunternehmen eines Gemeinschaftsunternehmens oder Anteilseignern eines assoziierten Unternehmens
  • Teil-Konzernabschlüsse berichtspflichtiger Mutterunternehmen unterhalb des obersten Mutterunternehmens
  • Einzelabschlüsse nicht konzernlich eingebundener, separater Unternehmen (individual financial statements)
 

Tz. 90

Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind nach IAS 24.4 bei der Konsolidierung eliminierte Geschäftsvorfälle und offene Posten zwischen vollkonsolidierten Unternehmen (intragroup transactions and outstandi...

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