Tz. 255

 

§ 271 Beteiligungen. Verbundene Unternehmen

(1) Beteiligungen sind Anteile an anderen Unternehmen, die bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen. Dabei ist es unerheblich, ob die Anteile in Wertpapieren verbrieft sind oder nicht. Eine Beteiligung wird vermutet, wenn die Anteile an einem Unternehmen insgesamt den fünften Teil des Nennkapitals dieses Unternehmens oder, falls ein Nennkapital nicht vorhanden ist, den fünften Teil der Summe aller Kapitalanteile an diesem Unternehmen überschreiten. Auf die Berechnung ist § 16 Abs. 2 und 4 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden. Die Mitgliedschaft in einer eingetragenen Genossenschaft gilt nicht als Beteiligung im Sinne dieses Buches.

(2) Verbundene Unternehmen im Sinne dieses Buches sind solche Unternehmen, die als Mutter- oder Tochterunternehmen (§ 290) in den Konzernabschluß eines Mutterunternehmens nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einzubeziehen sind, das als oberstes Mutterunternehmen den am weitestgehenden Konzernabschluß nach dem Zweiten Unterabschnitt aufzustellen hat, auch wenn die Aufstellung unterbleibt, oder das einen befreienden Konzernabschluß nach den §§ 291 oder 292 aufstellt oder aufstellen könnte; Tochterunternehmen, die nach § 296 nicht einbezogen werden, sind ebenfalls verbundene Unternehmen.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 256

§ 271 HGB definiert die Begriffe "Beteiligung" und "verbundene Unternehmen" für Zwecke des Bilanzrechts, weil vielfach Vorschriften des dritten HGB-Buches diese Begriffe gebrauchen.[494] Derartige Rechtsbeziehungen zwischen zwei Unternehmen können erhebliche Risiken hervorrufen.[495] Deren Kenntnis ist zur richtigen Einordnung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bedeutend. Der Bilanzleser soll diese wirtschaftlichen Verflechtungen erkennen können.[496] § 271 Abs. 1 HGB setzt Art. 17 Satz 2 der 4. EG-Richtlinie um. In diesem Zuge wurde die einst normierte Zweifelsregelung jetzt in § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB von 25 % auf 20 % heruntergesetzt.[497] § 271 Abs. 2 HGB definiert "verbundene Unternehmen" für das Bilanzrecht und setzt sich dadurch vom Begriff der verbundenen Unternehmen des Konzernrechts (§ 15 AktG) ab[498]. Wegen der geringeren Einflussmöglichkeit ist eine Beteiligung nur in gerader Linie denkbar, während verbundene Unternehmen auch horizontale Querverbindungen erfassen.[499] Es gibt also drei Möglichkeiten: Ausschließlich Beteiligung, ausschließlich verbundene Unternehmen oder die Konstellation entspricht sowohl der Beteiligung als auch dem verbundenen Unternehmen. Dann sind die Regeln zu den verbundenen Unternehmen vorrangig.[500]

[494] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 271 HGB Rn. 1.
[495] Reiner, in: MüKo-HGB, § 271 HGB Rn. 3.
[496] Kropff, in: MüKo-BilR, § 271 HGB Rn. 1; Reiner, in: MüKo-HGB, § 271 HGB Rn. 1.
[497] Kropff, in: MüKo-BilR, § 271 HGB Rn. 4.
[498] Kritisch dazu: Kropff, in: MüKo-BilR, § 271 HGB Rn. 5; Beispiel für die Relevanz dieses Umstands: BGH v. 3.6.2004, X R 104/03, BGHZ 159, 234.
[499] Reiner, in: MüKo-HGB, § 271 HGB Rn. 1.
[500] Reiner, in: MüKo-HGB, § 271 HGB Rn. 1.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 257

Die Vorschrift übernimmt den Beteiligungsbegriff aus § 131 Abs. 1 A. II. Nr. 6 Satz 2 AktG 1937 bzw. § 152 Abs. 2 AktG 1965. In Anpassung an Art. 17 Satz 2 der 4. EG-Richtlinie wurde allerdings die Beteiligungsvermutung von 25 % auf 20 % herabgesetzt.[501] Durch die Neufassung von § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB im Zuge des BilRUG zur Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der RL 2013/34 EG wird nunmehr die Vermutung einer Beteiligung gesetzlich fixiert, wenn 20 % des (Nenn-)Kapitals gehalten werden.

[501] Kropff, in: MüKo-BilR, § 271 HGB Rn. 4.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 258

Die Vorschrift hat einen weiten Anwendungsbereich und erfasst neben den in §§ 264264a HGB genannten Kapitalgesellschaften und kapitalistischen Personengesellschaften gem. § 336 Abs. 2 Satz 1 HGB auch Genossenschaften, gem. § 340a Abs. 1 HGB Kreditinstitute und gem. § 341a HGB Versicherungsunternehmen. Sie ist auch gem. §§ 3, 5 Abs. 1 PublG anwendbar.[502]

[502] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 271 HGB Rn. 3; Reiner, in: MüKo-HGB, § 271 HGB Rn. 2.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 259

Insbesondere die in § 271 Abs. 2 HGB geregelten verbundenen Unternehmen im Bilanzrecht sind seit langer Zeit Brennpunkt intensiver rechtspolitischer Diskussion und Kritik.[503] Der nach wie vor existierende Unterschied zum aktienrechtlichen Begriff des verbundenen Unternehmens lässt Lücken, deren Rechtfertigung – zumindest rechtspolitisch – schwierig ist.[504]

[503] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 271 HGB Rn. 1.
[504] Zu all dem ausführlich Kropff, Wie lange noch: Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht?, in: Habersack (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, Berlin 2003, 847 ff.

2. Erläuterung

a) Allgemeines

 

Tz. 260

Insbesondere § 271 Abs. 2 HGB gilt als missglückt.[505] Die Vorschrift definiert verbundene Unternehmen anders als §§ 15 ff. AktG. Seither hat es immer wieder Diskussion um die Anwendung des aktienrechtlichen Begriffs der verbundenen Unternehmen im Bi...

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