I. § 270 HGB

 

Tz. 241

 

§ 270 Bildung bestimmter Posten

(1) Einstellungen in die Kapitalrücklage und deren Auflösung sind bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen.

(2) Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, so sind Entnahmen aus Gewinnrücklagen sowie Einstellungen in Gewinnrücklagen, die nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorzunehmen sind oder auf Grund solcher Vorschriften beschlossen worden sind, bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 242

§ 270 HGB regelt, welche Maßnahmen zur Verwendung des Eigenkapitals (vgl. § 272 Abs. 2 und Abs. 3 HGB) bereits bei Aufstellung der Bilanz (und nicht erst nach Feststellung oder bei Gewinnverwendungsbeschluss) vorzunehmen sind. Einstellungen in die Kapitalrücklage bzw. deren Auflösung sind in jedem Fall bereits bei Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen (vgl. § 270 Abs. 1 HGB), während Einstellungen in die Gewinnrücklage bzw. Entnahmen dann zu berücksichtigen sind, wenn die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt wird (vgl. § 270 Abs. 2 HGB).

 

Tz. 243

Die Vorgängervorschrift war § 151 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AktG 1965. Diese Vorschrift nahm bei unklarem Wortlaut wohl auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses Bezug.[477] § 270 HGB erwähnt anders als § 151 Abs. 4 AktG 1965 nicht mehr die Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen, weil es sich dabei nach zwingender Logik um vorgelagerte Fragen handelt.[478] Mit Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das BilMoG wurde in diesem Zusammenhang auch § 270 Abs. 1 Satz 2 a. F. HGB gestrichen, der sich auf Sonderposten mit Rücklageanteil bezogen hat.[479]

[477] Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 270 HGB Rn. 1.
[478] Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 270 HGB Rn. 1.
[479] Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 270 HGB Rn. 2.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 244

Die Vorschrift hat einen Vorläufer in § 151 Abs. 4 AktG 1965, die der damaligen Terminologie entsprechend noch auf offene Rücklagen abstellte. Die durch Art. 31 Abs. 1c cc) der 4. EG-Richtlinie bewirkte Änderung führte sachlich dazu, dass die entsprechenden Rücklageposten bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu bilden sind, während nach früherem Recht wohl die Feststellung des Jahresabschlusses entscheidend war.[480]

[480] Zur Entstehungsgeschichte siehe auch Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 270 HGB Rn. 1; Reiner, in: MüKo-HGB, § 270 HGB Rn. 2.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 245

Die Vorschrift gilt gem. §§ 264 ff. HGB für Kapitalgesellschaften, gem. § 264a HGB für gleichgestellte Personengesellschaften, gem. § 336 Abs. 2 HGB für eingetragene Genossenschaften, gem. § 340a Abs. 1, Abs. 2 HGB für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute, gem. § 341a Abs. 1, Abs. 2 HGB für Versicherungsunternehmen und gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG HGB für Unternehmen, die dem Publizitätsgesetz unterliegen.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 246

§ 270 HGB ist eine technische Vorschrift; § 270 Abs. 2 HGB ergänzt § 268 HGB. Sie steht nicht im Fokus der Diskussion.

2. Erläuterung

a) Kapitalrücklage

 

Tz. 247

§ 270 Abs. 1 HGB legt fest, dass Einstellungen in die Kapitalrücklage und deren Auflösung bereits bei Aufstellung der Bilanz geschehen müssen. Die Kapitalrücklage selbst ist in § 272 Abs. 2 HGB geregelt. Erfasst sind somit jegliche (unterjährige) Leistungen der Gesellschafter in das Kapital. Die h. M. akzeptiert auch die Einordnung einer unterjährigen Leistung des Gesellschafters an seine Gesellschaft als erfolgswirksamen Zuschuss, z. B. zum Ausgleich eines Fehlbetrags (zu § 272 HGB vgl. Kapitel 7 Tz. 62 f.). Akzeptiert man das, ist § 270 Abs. 1 HGB nicht anzuwenden. Einstellungen in die Kapitalrücklage bei einer Kapitalherabsetzung (§§ 229 Abs. 1, 232, 237 Abs. 5 AktG) sind zwar erfolgswirksam auszuweisen (§ 240 Satz 1 AktG), jedoch gleichfalls bei der Bilanzaufstellung zu berücksichtigen.[481]

 

Tz. 248

Bei der Auflösung einer Kapitalrücklage sind die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zu beachten, insbesondere § 150 Abs. 3 und Abs. 4 AktG.[482] Die Auflösung der Kapitalrücklage ist nur erfasst, wenn sie erfolgswirksam geschieht.[483] Das liegt vor, wenn die Auflösung der Kapitalrücklage dem Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, eines Verlustvortrags oder der Erhöhung (bzw. der Schaffung) des Bilanzgewinns dient.[484] Wird sie zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gem. §§ 207 ff. AktG, §§ 57c ff. GmbHG verwendet, ist § 270 Abs. 1 HGB nicht anwendbar, weil es sich um einen erfolgsneutralen Umbuchungsvorgang handelt.[485]

 

Tz. 249

Die Aufstellung der Bilanz geschieht durch das Geschäftsführungsorgan. Dabei handelt es sich um einen bloßen Entwurf, der einerseits die zwingenden bilanzrechtlichen Vorgaben zu befolgen hat und für Wahlrechte und Beurteilungsspielräume eine bilanzpolitische Vorstellung des Geschäftsführungsorgans darstellt.[486]

 

Tz. 250

Entgegen der Sichtweise der Gesetzesverfasser[487] handelt es sich bei § 270 Abs. 1 HGB nicht um eine kompetenzbegründende Norm. Die herrschende Meinung lehnt mit Recht eine endgültige Zuständigke...

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