a) Überblick

 

Tz. 284

§ 275 HGB regelt die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Die GuV bildet mit Bilanz und Anhang den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 i. V. m. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Während Bilanz und Anhang die Vermögens- und Finanzlage zeigen, zeigt die GuV die Ertragslage.[558] Die Bilanz als Zeitpunktrechnung weist ein eher statisches Element auf, während die GuV als Zeitraumrechnung ein eher dynamisches Element aufweist.[559] Unabhängig vom gewählten Verfahren steht am Ende ein Jahresfehlbetrag oder ein Jahresüberschuss. Für die externe Bilanzanalyse zeigt sich anhand der GuV, wie die Unternehmung im betreffenden Geschäftsjahr gewirtschaftet hat.[560] Gleichwohl sind die allgemeinen Grundsätze zu beachten, d. h. die §§ 246 ff., 252 ff. HGB sind auch hier anwendbar.[561]

 

Tz. 285

Im Gesellschaftsrecht wird an verschiedenen Stellen Bezug auf den Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag genommen. § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG billigt den Gesellschaftern einen Anspruch auf den Jahresgewinn zu. § 58 Abs. 1, Abs. 2 AktG nimmt den Jahresüberschuss als Maßstab zur Kompetenzteilung hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens. Vorstand und Aufsichtsrat müssen den Aktionären wenigstens die Hälfte des Jahresgewinns zur Ausschüttung anbieten; sie haben aber auch die Möglichkeit, wenigstens die Hälfte des Jahresgewinns in Gewinnrücklagen einzustellen, deren Auflösung die Hauptversammlung (anders als die Gesellschafterversammlung in der GmbH) nicht erzwingen kann. Der Jahresfehlbetrag ist in § 150 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 AktG erwähnt. Nur zu dessen Ausgleich darf die Kapitalrücklage § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB aufgelöst werden. §§ 301, 302 AktG lassen im Vertragskonzern nur die Ausschüttung des Jahresüberschusses zu bzw. zwingen zum Ausgleich des Jahresfehlbetrags. Der Gewinn bzw. Zins bei typisch stillen Beteiligungen oder partiarischen Darlehen beruht auf einem bereinigten Jahreserfolg – d. h. Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag der Gesellschaft werden um Herausnahme bestimmter Posten der GuV korrigiert.

[558] ADS, § 275 HGB Rn. 17; Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 275 HGB Rn. 4.
[559] Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, Kapitel XII Abschnitt 1.
[560] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 275 HGB Rn. 4; Kessler/Freisleben, in: MüKo-BilR, § 275 HGB Rn. 2.
[561] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 275 HGB Rn. 5.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 286

Die Gewinn- und Verlustrechnung hat auch vor dem BilRiLiG existiert. Jedoch gestattete § 157 AktG 1965 nur das Gesamtkostenverfahren, während in Umsetzung der 4. EG-Richtlinie nunmehr auch das international gebräuchlichere Umsatzkostenverfahren akzeptiert wird.[562] Die außerordentlichen Erträge bzw. Aufwendungen wurden eingeschränkt von aperiodischen auf solche, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen.[563] In Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 RL 2013/34/EU ist nunmehr jeder Ausweis außerordentlicher Erträge oder Aufwendungen in der GuV nicht mehr gestattet, sondern gehört allein in den Anhang.[564] Die alleinige Anerkennung der Staffelform durch den Gesetzgeber beruht nicht etwa auf Vorgaben der Richtlinie. Diese lässt vielmehr ein Wahlrecht zwischen Konto- und Staffelform. Jedoch galt gem. § 157 Abs. 1 AktG a. F. seit dem Jahr 1959 ausschließlich die Staffelform und der Gesetzgeber hat diese Rechtsauffassung als die alleinig gebräuchliche fortgeschrieben.[565]

[562] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 275 HGB Rn. 8; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (544).
[563] Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (544).
[564] RegE BilRUG, BT-Drucks. 18/4050, 75.
[565] ADS, § 275 HGB Rn. 3; Kessler/Freisleben, in: MüKo-BilR, § 275 HGB Rn. 7.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 287

§ 275 HGB ist auf alle Kapitalgesellschaften und kapitalistische Personengesellschaften gem. §§ 264, 264a HGB anwendbar. Ebenso verlangt § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG dessen Anwendung.[566] Für kleine und mittlere Kapitalgesellschaften gewährt § 276 Satz 1 HGB nach dem Wegfall von Satz 2 durch das BilRUG eine Erleichterung zu einem zusammengefassten Ausweis.

[566] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 275 HGB Rn. 3.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 288

Seit dem BiRiLiG hält sich die Wahlmöglichkeit zwischen Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren. Ersteres war immer üblich, letzteres findet international stärker Anwendung. Beide Verfahren sind gleichwertig.[567] Mit Streichung der außerordentlichen Erträge und Aufwendungen durch das BilRUG dürfte keine weitere Diskussion zu erwarten sein.

[567] Ausführlich Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 275 HGB Rn. 8; Kessler/Freisleben, in: MüKo-BilR, § 275 HGB Rn. 20 ff.

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