I. Grundlagen

 

Tz. 261

Ganz allgemein ist das Instrumentarium zur Durchsetzung bilanzrechtlicher Pflichten und Vorschriften relativ schwach ausgeprägt. Das gilt sowohl für die nationale also für die europäische und besonders für die internationale Ebene.[345] Hinzu kommt, dass sich das Sanktionsregime aus disparaten Sanktionsformen unterschiedlichster Natur und Stärke zusammenfügt, die auf unterschiedliche Rechtsgebiete verteilt sind, darunter das Handels-, das Aktien-, das Straf-, das Steuer- und das allgemeine Haftungsrecht, ferner, dass die jeweiligen Teilregelungen kaum aufeinander abgestimmt sind.[346] Und schließlich ist festzustellen, dass die verfahrensmäßige und prozessuale Durchsetzung bzw. Sanktionierung bilanzrechtlicher Anforderungen unzulänglich geregelt ist. Die Bestimmung möglicher Rechtsfolgen im Fall der Verletzung bilanzrechtlicher Vorschriften und Pflichten kann sich daher im Einzelfall überaus komplex darstellen und bedarf sorgfältiger Prüfung.

[345] Näher Merkt, in: Kalss/Torggler (Hrsg.), Enforcement im Rechnungslegungsrecht, Wien 2015, 21.
[346] Allgemein zur Frage der Abstimmung unternehmens- und strafrechtlicher Sanktionierung Merkt, ZGR 2016, 201–223.

II. Sanktionierung der Rechnungslegungspflicht

1. Handelsrechtliche Sanktionen

a) Abschlussprüfung

 

Tz. 262

Als eine erste und genuin handelsrechtliche Sanktion der Bilanzierungspflicht kommt die Abschlussprüfung nach §§ 316 ff. HGB in Betracht. Bekanntlich sind der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer zu prüfen (§ 316 Abs. 1 HGB). In diese Prüfung ist die Buchführung einzubeziehen (§ 317 Abs. 1 HGB). Prüfungsgegenstand ist die Frage, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung beachtet worden sind. Diese Prüfung ist so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften, die sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Prüfung erkannt werden (§ 317 Abs. 1 Satz 3 HGB). Stimmt der Abschluss mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht überein, kann der Wirtschaftsprüfer den Bestätigungsvermerk einschränken oder vollständig versagen. Allerdings hat ein eingeschränkter oder versagter Bestätigungsvermerk kaum unmittelbare rechtliche Konsequenzen. Lediglich bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und bei einer Nachtragsprüfung durch die Hauptversammlung wird gem. § 209 Abs. 1 AktG bzw. § 173 Abs. 3 AktG ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk verlangt. Hinzu kommt, dass die Abschlussprüfung europaweit bislang nicht hinreichend angeglichen ist, sodass die EU-weite Durchsetzung von Rechnungslegungsstandards gegenwärtig nicht gewährleistet ist. Zwar ist seitens der EU Kommission die Möglichkeit, einheitliche Prüfungsstandards und insbesondere die ISA in das europäische Recht zu transformieren, durch die Richtlinie 2006/43/EG geschaffen. Allerdings steht die tatsächliche Transformation bislang aus.[347]

[347] Pellens u. a., IFRS, 74.

b) Ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen

 

Tz. 263

Den eigentlichen und materiellen Kern der handelsrechtlichen Sanktionen von Bilanzierungsvorschriften stellen die Straf- und Bußgeldvorschriften gem. §§ 331335c HGB dar. Diese Vorschriften knüpfen subjektiv an die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats der Kapitalgesellschaft an. Während die §§ 331333a HGB Strafvorschriften enthalten, mit denen besonders schwere Verletzungen der Bilanzierungsvorschriften geahndet werden können, und § 334 HGB für mittelschwere Verletzungen die Verhängung von Bußgeld vorsieht, ermöglicht § 335 HGB für leichte Verletzungen die Festsetzung von Ordnungsgeld. Erweitert wird der Täterkreis durch § 9 Abs. 2 OWiG auf Arbeitnehmer (z. B. Buchhalter) und Berater (z. B. Steuerberater).

2. Aktienrechtliche Sanktionen

 

Tz. 264

Besondere Regelungen zur Sanktionierung der aktienrechtlichen Jahresabschlusspflicht sind im Aktiengesetz enthalten. Die wesentliche Rechtsfolge einer Verletzung der Bilanzierungspflicht ist die Nichtigkeit des gesamten Jahresabschlusses gem. § 256 AktG. Die Nichtigkeit wirkt gem. den allgemeinen Vorschriften der §§ 134, 139 BGB zurück auf den Zeitpunkt der Erstellung. Eine Teilnichtigkeit gibt es grundsätzlich nicht. Die Nichtigkeit kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Ursache der Nichtigkeit beseitigt wird, etwa, indem der Jahresabschluss geändert, erneut geprüft und festgestellt wird, indem die unterlassene Prüfung nachgeholt wird oder indem der spezielle Nichtigkeitsgrund beseitigt wird.

 

Tz. 265

Wegen bestimmter weiterer Mängel kann die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers gem. § 258 AktG beantragt werden, falls diese Mängel nicht bereits zur Nichtigkeit geführt haben. Die Sonderprüfung ist anzusetzen, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass entweder in einem festgestellten Jahresabschluss bestimmte Posten wesentlich unterbewertet sind oder dass der Anhang die vorgeschriebenen Anhangangaben nicht oder nicht vollständig enthält und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht h...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge