Tz. 150

Praktisch deutlich bedeutsamer als die grammatische ist die systematisch-logische Auslegung. Die Auslegung anhand der Systematik betrachtet die Einbindung der Norm in den Kontext mit anderen Normen desselben Gesetzes oder aber in den Kontext mit anderen Gesetzen. Sie geht davon aus, dass die Rechtsordnung ein logisches, in sich stimmiges Ganzes und damit in sich widerspruchsfrei ist.[215] Soweit es um die Auslegung harmonisierten Rechts geht, werden Bezüge zwischen der auszulegenden Norm und dem Primär- und Sekundärrecht hergestellt. Zentraler Gedanke ist, dass das Gemeinschaftsrecht in sich harmonisch und widerspruchsfrei konzipiert ist. Dies setzt voraus, dass gleichlautende Rechtsbegriffe in verschiedenen Rechtsakten oder innerhalb desselben Rechtsaktes unter Berücksichtigung des Kontexts in identischem Sinn verstanden werden.[216]

 

Tz. 151

Die systematisch-logische – vielfach auch nur als systematische Auslegung – bezeichnete Methode ist ständige Auslegungspraxis der Gerichte vor allem der Finanzgerichtsbarkeit.[217] Als Beispiel wird die Aktivierung der Bilanzposition "Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes" genannt. Sie ist gem. § 269 HGB nicht für Einzelkaufleute und Personengesellschaften zulässig, weil der Gesetzgeber diese Regelung im Normenbereich "Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften" in den §§ 264 ff. HGB geregelt hat und nicht in den Vorschriften der §§ 238263 HGB, die für alle Kaufleute gelten.[218]

[216] Najderek, Harmonisierung des europäischen Bilanzrechts, Wiesbaden 2009, 25 f.
[217] BFH, Entsch. v. 19. 5. 1993 – II R 23/92, BStBl. 1993 II 628; FG München, Entsch. v. 12.6.1991, EFG 1992, 43.
[218] Winnefeld, Bilanz-Hdb., Einf. Rn. 76.

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