Leitsatz (amtlich)

Die Bundesanstalt für Arbeit fällt als Leistungsträger der Verpflichtung zur Zahlung von Konkursausfallgeld nicht in den Schutzbereich des GmbHG § 64 Abs 1. Ihr kann jedoch gegen den Geschäftsführer der GmbH ein Schadensersatzanspruch nach BGB § 826 zustehen.

 

Orientierungssatz

Zum subjektiven Tatbestand des BGB § 826 vergleiche BGH, 1963-01-08, IV ZR 87/62, LM Nr 15 zu § 823 BGB (Be) und BGH, 1966-06-28, VI ZR 287/64, WM IV 1966, 1150.

 

Tatbestand

Der Beklagte war vom 22. Juni 1979 bis 9. Dezember 1980 Geschäftsführer der W. GmbH. Über das Vermögen dieser Gesellschaft, die ab 5. Dezember 1980 als R. GmbH firmierte, wurde am 19. Juni 1981 das Konkursverfahren eröffnet. Der Beklagte ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts Schorndorf wegen verspäteter Konkursanmeldung nach §§ 64, 84 GmbHG und Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7a und b, Abs. 6 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Die Klägerin hat an die ehemaligen Arbeitnehmer der R. GmbH für die Zeit vom 1. Mai 1981 bis 18. Juni 1981 Konkursausfallgeld im Gesamtbetrag von 14.674,14 DM gezahlt. Auf ihre angemeldete Konkursforderung erhielt sie 3.564,35 DM. Sie verlangt von dem Beklagten Erstattung ihres Ausfalls in Höhe von 11.109,79 DM im Wege des Schadensersatzes.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe es als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in der Zeit vom 13. Dezember 1979 bis zu seinem Ausscheiden am 9. Dezember 1980 unterlassen, für die Gesellschaft Konkursantrag zu stellen, obwohl ihm spätestens seit Vorliegen der am 22. November 1979 fertiggestellten Bilanz zum 31. Dezember 1978, die eine Überschuldung von 601.409 DM ausgewiesen habe, bewußt gewesen sei, daß die Gesellschaft überschuldet war. Hätte er die Bilanz bis zum 30. Juni 1979 aufgestellt, hätte er schon in diesem Zeitpunkt die Überschuldung der GmbH feststellen können. Bei Stellung des Konkursantrages am 13. Dezember 1979 hätten die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer der Gesellschaft noch realisiert werden können. Konkursausfallgeld in Höhe des auf die Zeit vom 1. Mai 1981 bis 18. Juni 1981 entfallenden Betrages wäre in diesem Falle nicht zu zahlen gewesen. Die Bilanz für das Jahr 1979 sei bis zum Ausscheiden des Beklagten trotz ständigen weiteren Anwachsens der Überschuldung der GmbH nicht aufgestellt worden. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 11.109,79 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu verurteilen. Der Beklagte meint, die Klägerin könne allenfalls Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend machen. Die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer aus der Zeit vom 1. Mai 1981 bis 18. Juni 1981 seien jedoch verjährt. Im übrigen sei die verspätete Konkursantragstellung nicht ursächlich für den Schaden der Klägerin. Die Klägerin hätte auch bei rechtzeitiger Stellung des Konkursantrages Konkursausfallgeld zahlen müssen.

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Berufungsurteil ist in NJW 1989, 593 veröffentlicht. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Schadensersatzanspruch der Klägerin unter sämtlichen in Betracht kommenden Gesichtspunkten verneint hat, halten rechtlicher Prüfung nur teilweise stand.

1. Dem Berufungsgericht ist allerdings zuzustimmen, wenn es einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG verneint. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin weder aus eigenem noch aus abgeleitetem Recht zu.

a) Zwar ist § 64 Abs. 1 GmbHG nach inzwischen nahezu einhelliger Auffassung Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger der GmbH i.S. des § 823 Abs. 2 BGB (BGHZ 100, 19, 21; 29, 100; vgl. auch BGHZ 75, 96, 106 zur entsprechenden Rechtslage nach § 92 Abs. 2 AktG; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdnr. 35; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 24 m.w.N.). Die Klägerin gehört jedoch nicht zu dem Kreis der durch § 64 Abs. 1 GmbHG geschützten Gesellschaftsgläubiger. Der durch diese Vorschrift gewährte Schutz gilt nicht schlechthin jeder Gefahr, durch eine verspätete Eröffnung des Konkurses der GmbH einen Schaden zu erleiden. Der Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG beschränkt sich vielmehr darauf, bei Konkursreife bereits vorhandene (sog. Alt-) oder danach noch hinzutretende (sog. Neu-)Gläubiger der Gesellschaft vor demjenigen Schaden zu bewahren, der darin liegt, daß die beschränkte Haftungsmasse der GmbH nach Forderungsbegründung infolge pflichtwidrig verzögerter Stellung des Konkursantrages weiter ausgehöhlt und dadurch die auf die Forderung des einzelnen Gesellschaftsgläubigers entfallende Konkursquote weiter geschmälert wird (st. Rechtsprechung, vgl. BGHZ 100, 19, 23f.; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck aaO § 64 Rdnr. 26, beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Aus diesem begrenzten Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG folgt des weiteren, daß zu dem geschützten Personenkreis, der nach dieser Vorschrift i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB im Falle der Konkursverschleppung aus eigenem Recht einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer auf den sogenannten Quotenschaden hat, nur diejenigen Gesellschaftsgläubiger gehören, die ihre Forderung bereits vor Konkurseröffnung erworben haben (so am deutlichsten Hachenburg/Ulmer, GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdnr. 46). Wer in dem Zeitraum, in dem die dem Geschäftsführer zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger auferlegte Pflicht zur rechtzeitigen Konkursantragstellung zu erfüllen war, nicht Gläubiger der Gesellschaft war, kann sich nicht aus eigenem Recht auf die Verletzung dieser Schutzpflicht berufen. Die Einbeziehung auch solcher Personen in den Schutz des § 64 Abs. 1 GmbHG, die erst nach Konkurseröffnung Gläubiger der GmbH dadurch werden, daß sie einen anderen Gesellschaftsgläubiger aufgrund einer eigenen, diesem gegenüber bestehenden vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung schadlos halten und dadurch nachträglich in dessen Gläubigerstellung einrücken, wäre angesichts des begrenzten Schutzzweckes dieser Bestimmung nicht gerechtfertigt. Zu diesem nicht in den Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG fallenden Personenkreis gehört auch die Klägerin. Sie hat, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, vor der Konkurseröffnung zu keinem Zeitpunkt eine Forderung gegen die Gesellschaft besessen, die durch Konkursverschleppung mit der Folge der Entstehung eines Quotenschadens hätte geschmälert werden können. Ihre Verpflichtung zur Zahlung von Konkursausfallgeld an die Arbeitnehmer der GmbH wurde vielmehr gemäß § 141b AFG überhaupt erst durch die Eröffnung des Konkursverfahrens in Verbindung mit dem Umstand des Vorhandenseins rückständiger Lohn- und Gehaltsansprüche ausgelöst und setzte damit die vorherige Eröffnung des Konkursverfahrens notwendigerweise voraus. Folglich konnte die Klägerin erst nach Konkurseröffnung und nur dadurch zur Gläubigerin der Gesellschaft werden, daß die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld begründen, kraft Gesetzes gemäß § 141m AFG auf sie übergegangen sind. Sie leitet mithin ihre erst nach Konkurseröffnung erworbene Gläubigerstellung ausschließlich aus den auf sie übergegangenen Forderungen der Arbeitnehmer der GmbH ab. Dies schließt einen aus eigenem Recht begründeten Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aus.

b) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aus abgeleitetem Recht steht der Klägerin nicht zu, weil die Ansprüche der Arbeitnehmer der Gesellschaft auf einen möglichen Quotenschaden nicht auf die Klägerin über gegangen sind. § 141m AFG (vgl. auch § 115 SGB X) sieht einen Rechtsübergang nur hinsichtlich der Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld begründen, vor. Wie nicht näher begründet zu werden braucht, sind die aus § 611 BGB folgenden Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer gegen die in Konkurs gefallene Gesellschaft als Arbeitgeber nicht identisch mit dem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 64 GmbHG gegen deren Geschäftsführer. Der Schadensersatzanspruch gehört ungeachtet der Tatsache, daß er auf dasselbe Interesse der Arbeitnehmer gerichtet ist wie die Lohn- und Gehaltsansprüche, als selbständiger, gegen einen nicht mit dem Schuldner des Lohn- und Gehaltsanspruches personengleichen Dritten gerichteter Schadensersatzanspruch auch nicht zu den unselbständigen Nebenrechten, die nach §§ 401, 412 BGB auch beim gesetzlichen Forderungsübergang kraft Gesetzes zusammen mit der Hauptforderung auf den Neugläubiger übergehen.

Andere gesetzliche Regelungen, die im vorliegenden Fall einen Rechtsübergang bewirkt haben könnten, sind nicht ersichtlich. Die Anwendbarkeit des § 127 AFG, der den Übergang auch von Schadensersatzansprüchen in Form einer Verweisung auf die Regelung des § 116 SGB X vorsieht, scheidet schon deshalb aus, weil diese Vorschrift weder durch ihre Formulierung noch durch ihre Stellung im Gesetz zu erkennen gibt, daß sie für alle Leistungen aus dem AFG oder wenigstens für alle Leistungen aus dem vierten Abschnitt des AFG (Leistungen bei Arbeitslosigkeit und bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers) gelten soll, sondern vielmehr in dem ersten Unterabschnitt über Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld) steht, und die Zahlung von Konkursausfallgeld nach dem dritten Unterabschnitt keine Maßnahme ist, die dem Ausgleich von Arbeitslosigkeit oder Arbeitsausfall dient (vgl. hierzu Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, AFG 2. Aufl. § 127 Rdnr. 1). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß § 116 SGB X, auf den § 127 AFG hinsichtlich des Übergangs von Schadensersatzansprüchen Bezug nimmt, nach der Übergangsvorschrift des Art. II § 22 des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450) nur auf Schadensfälle anzuwenden ist, die sich nach dem 30. Juni 1983 ereignet haben, während der dem Beklagten zum Vorwurf gemachte Verstoß gegen die Konkursantragspflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG mit seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der Gesellschaft, spätestens aber mit der Konkurseröffnung am 19. Juni 1981 abgeschlossen war (vgl. dazu statt aller Hachenburg/Ulmer aaO, § 64 Rdnr. 9). Aus demselben Grunde erübrigen sich auch Erwägungen über eine unmittelbare ergänzende Anwendbarkeit des § 116 SGB X auf die Fälle des § 141m AFG, die aber auch deshalb nicht in Betracht kommen dürfte, weil die Bundesanstalt für Arbeit nicht zu den (Sozial-)Versicherungsträgern i.S. des § 116 SGB X, der Nachfolgevorschrift zu § 1542 RVO, gehören dürfte. Andernfalls hätte es der Verweisung auf diese Vorschrift in § 127 AFG nicht bedurft (vgl. auch Bley, Sozialrecht 6. Aufl. § 97f., 315). Für einen Übergang der Schadensersatzforderungen der Arbeitnehmer der Gesellschaft gegen den Beklagten auf die Klägerin nach der bis zum 1. Juli 1983 geltenden Fassung des § 127 AFG fehlt es von vornherein an den tatbestandlichen Voraussetzungen, da diese Vorschrift einen Übergang von Schadensersatzansprüchen nur für den Fall vorsah, daß ein Schadensereignis zur Arbeitslosigkeit und dadurch zu einem Schaden bei den Arbeitnehmern geführt hatte, und die §§ 141aff., insbesondere § 141m AFG keine Verweisung auf diese Regelung enthalten. Ein Forderungsübergang nach § 1542 RVO scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht Träger einer Versicherung im Sinne der RVO ist und kein Schadensfall der in dieser Bestimmung vorgesehenen Art (Schaden durch Krankheit, Unfall, Invalidität oder durch den Tod des Ernährers) vorliegt. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Arbeitnehmer der Gesellschaft gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG hätte demnach allenfalls durch eine gesonderte Abtretung auf die Klägerin übergehen können. Eine solche Abtretung ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden.

2. Mindestens im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht ferner einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283 Abs. 1 Nr. 7a und b StGB verneint. Es kann bereits fraglich sein, ob, ggf. unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang diese Strafnormen sowie die ihnen zugrundeliegenden Bilanzierungspflichten im Zusammenhang mit einer Verzögerung der Konkurseröffnung als Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sein können. Die in zeitlicher und sachlicher Hinsicht ordnungsgemäße Erstellung des Jahresabschlusses erleichtert es dem Geschäftsführer, einen genauen Überblick über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu gewinnen, um rechtzeitig einen etwa erforderlichen Konkursantrag stellen zu können. Die zur Vermeidung von Schädigungen der Gesellschaftsgläubiger eigentlich zu erbringende Leistung ist jedoch nicht diese vorbereitende Handlung, sondern die rechtzeitige Stellung des Konkursantrags als solche. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, daß sie bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens nicht zu den Gläubigern der Gesellschaft gehörte. Es sprechen damit, auch dann wenn man § 283 Abs. 1 Nr. 7a und b StGB und die durch sie gesicherten Bilanzierungspflichten auch im Falle der Konkursverschleppung als selbständige Schutzgesetze zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ansehen wollte, dieselben Gründe gegen die Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich dieser Normen, die bereits oben unter 1. zur Verneinung eines Schadensersatzanspruches der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG dargelegt worden sind. Davon abgesehen muß eine Schadensersatzforderung der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283 Abs. 1 Nr. 7a und b StGB bereits daran scheitern, daß die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen hat, inwiefern die dem Beklagten nach dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Schorndorf vom 30. November 1984 zur Last fallenden Verstöße gegen seine Pflicht zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Bilanzerstellung ursächlich für die verzögerte Stellung des Konkursantrages und damit den von ihr erlittenen Schaden geworden sein sollen. Die Klägerin hat dazu lediglich ausgeführt, der Beklagte hätte, wenn er die Bilanz für das Jahr 1978 rechtzeitig erstellt hätte, die Überschuldung schon früher bemerken und spätestens am 13. Dezember 1979 Konkursantrag stellen können. Da dem Beklagten und den Gesellschaftern die Überschuldung der Gesellschaft und damit die Notwendigkeit, Konkursantrag zu stellen, nach dem Vortrag der Klägerin aber jedenfalls bereits seit Fertigstellung dieser Bilanz am 22. November 1979 bekannt war, kann die verspätete Erstellung dieser Bilanz nicht über diesen Zeitpunkt hinaus mitursächlich für die Unterlassung des Konkursantrags und – da die Gesellschaft in diesem Zeitpunkt nach dem Vortrag der Klägerin noch über genügend Vermögen zur Begleichung der bevorrechtigten Lohn- und Gehaltsforderungen verfügt hat – auch nicht für den von ihr eingeklagten Schaden in Gestalt des späteren teilweisen Ausfalls dieser Forderungen sein. Entsprechendes gilt für die während der Zeit der Geschäftsführung durch den Beklagten unterlassene Erstellung der Bilanz per 31. Dezember 1979. Infolge der schon seit dem 22. November 1979 bestehenden Kenntnis der für die Gesellschaft Verantwortlichen von der Überschuldung und der Notwendigkeit, Konkursantrag zu stellen, fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, daß die bis zum Ausscheiden des Beklagten unterlassene Fertigung der Bilanz für das Jahr 1979 in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem weiteren Unterbleiben des Konkursantrags stehen könnte. Auch die Klägerin hat keine tatsächlichen Umstände vorgetragen, wonach es bei rechtzeitiger Erstellung dieser Bilanz zu einer früheren Stellung des Konkursantrages in einem Zeitpunkt gekommen wäre, in dem die Gesellschaft ihren Lohn- und Gehaltszahlungsverpflichtungen noch nachkommen konnte. Ihr Vorbringen, wonach sich der Beklagte dem Verbot eines der Mitgesellschafter, Konkursantrag zu stellen, gebeugt hat, spricht sogar eindeutig dagegen.

3. Dagegen muß die Revision mit dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Ergebnis Erfolg haben, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht auch eine Schadensersatzpflicht des Beklagten aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 826 BGB verneint hat.

Nach dem Vortrag der Klägerin, für dessen Richtigkeit sie sich auf die bei den Strafakten befindlichen Bilanzen der Gesellschaft, deren Beiziehung zu Beweiszwecken sie beantragt hat, sowie auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen hat, war die Gesellschaft schon am 31. Dezember 1978 konkursreif, was der Beklagte spätestens bei Fertigstellung der Bilanz zu diesem Stichtag am 22. Dezember 1979 erkannt habe. Die Überschuldung der Gesellschaft habe sich in diesem Zeitpunkt schon auf über 600.000 DM belaufen. Bis zum 23. Oktober 1980 sei sie, wie sich aus einer an diesem Tage erstellten Zwischenbilanz ergebe, auf über 1 Mio DM angewachsen. Wenn der Beklagte gleichwohl entgegen der ihm vom Gesetz auferlegten Pflicht bis zu seinem Ausscheiden keinen Konkursantrag gestellt habe, so sei dies in dem Bewußtsein wachsender Schädigung der Gesellschaftsgläubiger geschehen. Insbesondere habe er dabei billigend in Kauf genommen, daß der Zeitpunkt kommen werde, in dem die Gesellschaft nicht mehr in der Lage sein werde, die Lohn- und Gehaltsforderungen ihrer Arbeitnehmer zu erfüllen. Bereits am 9. Oktober 1980 sei er persönlich von der IKK gemahnt worden, für die Zahlung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge durch die Gesellschaft zu sorgen. Angesichts dieses in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringens der Klägerin durfte das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB nicht mit der von ihm gegebenen Begründung verneinen. Daß die vorsätzliche Konkursverschleppung in der Absicht, den als unabwendbar erkannten Todeskampf eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i.S. des § 826 BGB erfüllen kann, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird, verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Es geht darüber hinaus von einer allerdings nicht der Höhe nach festgestellten Überschuldung aus, weil der Beklagte eigene Handlungen und Wahrnehmungen nicht wirksam mit Nichtwissen bestreiten könne, und unterstellt ferner zu Lasten des Beklagten, daß ihm die Überschuldung bekannt gewesen sei. Es verneint jedoch den subjektiven Tatbestand des § 826 BGB mit der Begründung, der Beklagte habe die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens nicht hinreichend vorausgesehen, weil er bestritten habe, die gesetzliche Regelung über das Konkursausfallgeld gekannt zu haben und die Kenntnis, daß eine verzögerte Konkurseröffnung bei der Bundesanstalt für Arbeit zu einem Schaden durch Zahlung von Konkursausfallgeld führen könne, nicht Allgemeinwissen sei. Selbst wenn der Beklagte aber diese Kenntnis besessen habe, fehle es an einem Verstoß gegen die guten Sitten, da mangels eines entsprechenden Vortrags der Klägerin nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Einleitung des Insolvenzverfahrens unterlassen wurde, weil noch eine Sanierungschance gesehen wurde. Außerdem habe sich der Beklagte in einem Interessenkonflikt befunden, weil ihm durch den Mitgesellschafter I. verboten worden sei, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Diese Ausführungen sind, wie die Revision mit Erfolg rügt, nicht frei von Rechtsfehlern. Für den subjektiven Tatbestand des § 826 BGB reicht es, wie auch das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 8. Januar 1963 (IV ZR 87/62, LM BGB § 823 (Be) Nr. 15) darlegt, aus, daß der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat. Es kann dahinstehen, ob diese Voraussetzung bei der Konkursverschleppung nicht schon dann erfüllt ist, wenn sich der Schädiger bewußt war, sein Verhalten könne zur Schädigung der Unternehmensgläubiger in ihrer Gesamtheit führen. Denn jedenfalls erfordert die genannte Voraussetzung, wie der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1966 (VI ZR 287/64, WM 1966, 1150) ausgeführt hat und was das Berufungsgericht zu verkennen scheint, gerade nicht, daß sich der Schädigungsvorsatz gegen eine bestimmte Person richtet. Nach dem in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vortrag der Klägerin war es dem Beklagten klar, daß sein fortgesetztes Verhalten dazu führen konnte, daß die Gesellschaft eines Tages nicht mehr in der Lage sein würde, die Lohn- und Gehaltsansprüche ihrer Arbeitnehmer zu befriedigen. Dies hat er billigend in Kauf genommen. Damit ist die Richtung seines Schädigungsvorsatzes mit ausreichender Bestimmtheit vorgegeben. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob er sich möglicherweise in der Person des letztlich Geschädigten geirrt hat, weil ihm nicht bekannt war, daß die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer für die letzten drei Monate vor der Konkurseröffnung aus sozialpolitischen Gründen von der Bundesanstalt für Arbeit übernommen werden, so daß der von ihm in Kauf genommene Schaden am Ende bei ihr und nicht bei den Arbeitnehmern der Gesellschaft hängenblieb. Da es sich bei dem Konkursausfallgeld um eine gesetzlich vorgeschriebene, wenn auch von einem Antrag des Arbeitnehmers abhängige Lohnersatzleistung handelt, tritt in der Art des Schadens und der Richtung, in der sich sein rechtswidriges Verhalten im Hinblick auf die Nichterfüllung von Lohn- und Gehaltsansprüchen der Arbeitnehmer auswirken würde, durch diesen kraft Gesetzes erfolgenden Gläubigerwechsel keine Znderung ein, die dazu geeignet wäre, den Schädigungsvorsatz des Beklagten auszuschließen oder die Gefahr einer unangemessenen, nicht mehr eingrenzbaren Ausdehnung der Haftung nach § 826 BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20. Februar 1979 – VI ZR 189/78, NJW 1979, 1599, 1600) zu begründen.

Hinsichtlich seiner Beurteilung eines Sittenverstoßes ist dem Berufungsgericht zwar im Ausgangspunkt zu folgen, wenn es von der Annahme ausgeht, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten ausscheidet, wenn der für die Stellung des Konkursantrags Verantwortliche den Antrag unterlassen hat, weil er die Krise den Umständen nach als überwindbar und darum Bemühungen um ihre Behebung durch einen Sanierungsversuch als lohnend und berechtigt ansehen durfte (vgl. dazu bereits BGH, Urt. v. 26. März 1984 – II ZR 171/83, WM 1984, 625, 632; BGHZ 75, 96, 114f. m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte jedoch nicht darauf berufen, daß der Konkursantrag mit Rücksicht auf einen als aussichtsreich erachteten Sanierungsversuch unterblieben sei. Auch im übrigen bietet der von dem Beklagten vorgetragene Streitstoff keinen genügenden Anhalt, der eine solche Annahme tragen könnte. Der Umstand, daß die Klägerin im Konkurs der Gesellschaft auf ihre Forderung noch eine Quote von rund 25% erhalten hat, reicht dazu nicht aus und wird auch vom Berufungsgericht ersichtlich nur ergänzend angeführt. Bei dieser Sachlage bestand für die Klägerin kein Anlaß vorzutragen, der Konkursantrag sei nicht deshalb unterblieben, weil der Beklagte und die Gesellschafter die Krise noch im Hinblick auf aussichtsreiche Sanierungsprojekte als überwindbar betrachten durften. Regelmäßig dürfte der durch eine Verzögerung des Konkursantrags Geschädigte zu einem substantiierten Vorbringen in dieser Richtung auch gar nicht in der Lage sein, weil es sich dabei um Interna der Gesellschaft handelt, die zwar nicht ihm, wohl aber dem auf Schadensersatz verklagten Geschäftsführer und den Gesellschaftern bekannt sind. Unter diesen Umständen genügte die Klägerin ihrer Darlegungslast, wenn sie die schon im Ausgangspunkt hohe und während der Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer ständig anwachsende Verschuldung der Gesellschaft vortrug, die schließlich auch entsprechend dem zu erwartenden Verlauf der Entwicklung zum Zusammenbruch der Gesellschaft geführt hat. Die Sittenwidrigkeit der vorsätzlichen Konkursverschleppung auch im Verhältnis zur Klägerin als dem für den Lohnausfall eintretenden Sozialleistungsträger folgt ohne weiteres daraus, daß das durch die Unterlassung eines rechtzeitigen Konkursantrags herbeigeführte Unvermögen der Gesellschaft zur Entlohnung ihrer Arbeitnehmer die Verpflichtung zur Zahlung des Konkursausfallgeldes als gesetzlicher Lohnersatzleistung, wie oben dargelegt, unmittelbar auslöst, ohne daß dazu seitens der zunächst geschädigten Arbeitnehmer an eigenem Handeln mehr erforderlich ist als die Stellung eines Antrags (vgl. auch BGH, Urt. v. 20. Februar 1979 aaO S. 1600 unter 2. b). Bei dieser Sach- und Rechtslage durfte das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB auch nicht mit der Begründung verneinen, die Klägerin habe es an einem Vortrag fehlen lassen, wonach die unterlassene Stellung des Konkursantrags nicht auf einen fehlgeschlagenen Sanierungsversuch zurückzuführen war.

4. Da das Berufungsgericht das Ausmaß der Überschuldung der Gesellschaft aufgrund seiner von Rechtsfehlern beeinflußten Würdigung des Parteivorbringens bisher nicht im einzelnen festgestellt und auch die Kenntnis des Beklagten von der bestehenden Überschuldung nur unterstellt hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Aufhebung des Berufungsurteils und eine neue mündliche Verhandlung ist ferner geboten, damit die Sache mit den Parteien unter den vorstehend aufgezeigten, in den Vorinstanzen bisher nur unzureichend zur Sprache gekommenen rechtlichen Gesichtspunkten erörtert werden kann und den Parteien Gelegenheit zu einer sachdienlichen Ergänzung ihres Vorbringens geboten wird. Im Rahmen der neuen mündlichen Verhandlung wird das Berufungsgericht auch Feststellungen zu den Beweggründen des Beklagten für die Unterlassung des Konkursantrages zu treffen haben. Sollte sich dabei herausstellen, daß der Beklagte den Konkursantrag unterlassen hat, weil dies von einem oder allen Gesellschaftern von ihm verlangt wurde, denen daran gelegen war, den Zusammenbruch des Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, so würde dies den Beklagten entgegen der bisherigen rechtlichen Würdigung durch das Berufungsgericht nicht entlasten. Er müßte sich vielmehr den Vorwurf gefallen lassen, an einer sittenwidrigen Konkursverschleppung aus eigensüchtigen Beweggründen mitgewirkt zu haben, was auch seinem eigenen Verhalten den Stempel der Sittenwidrigkeit aufdrücken würde. Entsprechendes hätte zu gelten, wenn den Umständen nach davon auszugehen wäre, daß der Beklagte den Konkursantrag im Interesse der Erhaltung seiner eigenen Stellung in der Gesellschaft unterlassen hätte. Falls erforderlich, wird das Berufungsgericht auch über die Höhe des nach § 826 BGB zu ersetzenden Schadens sowie über die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede zu befinden haben, auf die es aufgrund seiner bisherigen Beurteilung der Rechtslage nicht einzugehen brauchte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649091

BGHZ, 134

NJW 1989, 3277

ZIP 1989, 1341

GmbHR 1990, 69

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