A. Vorbemerkungen

 

Rn. 1

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

§ 316 AktG will eine abhängige AG/KGaA/SE von der Pflicht zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts freistellen, wenn zwischen ihr und dem sie beherrschenden UN ein GAV abgeschlossen wurde. Infolgedessen wird für diesen Fall auch die Geltung der §§ 313 bis 315 AktG aufgehoben, in denen die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch AP und AR und die Sonderprüfung der geschäftlichen Beziehungen zu dem herrschenden oder einem mit ihm verbundenen UN geregelt sind. Die in den §§ 300 bis 307 AktG vorgesehenen Regelungen bei Bestehen eines GAV wurden für den Schutz der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Minderheitsaktionäre vom Gesetzgeber als ausreichend erachtet, so dass er für diesen Fall die sonst vorgesehene Berichtspflicht der abhängigen Gesellschaft (vgl. § 312 AktG) – und entsprechend auch die Prüfungsregelungen für den Abhängigkeitsbericht (vgl. §§ 313f. AktG) – in § 316 AktG aufhebt. Zu beachten ist, dass auch bei Bestehen eines GAV das Benachteiligungsverbot des § 311 AktG weiterhin Gültigkeit hat, da nur die §§ 312 bis 315 AktG, nicht aber auch § 311 AktG durch § 316 AktG aufgehoben werden (vgl. zur Kritik ­hieran AktG-GroßKomm. (2006), § 316, Rn. 5; Hüffer-AktG (2021), § 316, Rn. 1; KK-AktG (2004), § 316, Rn. 1).

B. Gewinnabführungsvertrag als Tatbestandsvoraussetzung

 

Rn. 2

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Die Anwendung von § 316 AktG setzt das isolierte Vorliegen eines GAV i. S. v. § 291 Abs. 1 Satz 1 (2. Alternative) AktG voraus; wenn gleichzeitig auch ein BHV i. S. v. § 291 Abs. 1 Satz 1 (1. Alternative) AktG vorliegt, sind die §§ 311ff. AktG ohnehin nicht anwendbar. Im Fall anderer UN-Verträge i. S. v. § 292 AktG mit GAV teilweise ähnlichen Wirkungen (Gewinngemeinschaft, Teilgewinnabführung) kommt § 316 AktG nicht zur Anwendung; dies gilt auch im Fall eines bloßen Verlustübernahmevertrags (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 289, Rn. 312; Hüffer-AktG (2021), § 316, Rn. 2; KK-AktG (2004), § 316, Rn. 4).

 

Rn. 3

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Bei mehrstufiger Abhängigkeit wird § 316 AktG nach h. M. schon dann für anwendbar gehalten, wenn zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft ein GAV geschlossen ist; ein weiterer GAV zwischen dem herrschenden UN und der Tochtergesellschaft ist nicht erforderlich, damit § 316 AktG auf Ebene der Enkelgesellschaft zur Anwendung kommt (vgl. ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 18; Hüffer-AktG (2021), § 316, Rn. 3, m. w. N.).

 

Rn. 4

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Sofern bis zum BilSt der abhängigen AG/KGaA/SE mit dem herrschenden UN ein rechtswirksamer GAV geschlossen wurde, kommt die Befreiungsregelung des § 316 AktG nach h. M. für das gesamte GJ zum Tragen, sofern sich zumindest die Verlusterstattungspflicht auch auf das gesamte GJ bezieht (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 27; Hüffer-AktG (2021), § 316, Rn. 4, m. w. N.); dies gilt auch, wenn der GAV mit Rückwirkung für das abgelaufene GJ geschlossen wurde.

 

Rn. 5

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Nach § 296 Abs. 1 AktG kann ein GAV nur zum Ende des GJ oder vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden. Eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 297 AktG wird sich auf Ausnahmefälle beschränken. Daher wird sich i. d. R. der Zeitpunkt der Beendigung des GAV mit dem BilSt decken. Sofern ausnahmsweise ein GAV während des GJ endet, ist zumindest für den Zeitraum, der sich an die Aufhebung dieses Vertrags bis zum BilSt der abhängigen AG/KGaA/SE anschließt, § 316 AktG nicht mehr anwendbar, so dass jedenfalls für diesen Zeitraum nach Maßgabe der allg. Voraussetzungen die Berichts- und Prüfungspflicht nach den §§ 312ff. AktG eintritt (vgl. ADS (1997), § 312 AktG, Rn. 27; Hüffer-AktG (2021), § 316, Rn. 5, m. w. N.); teilweise wird für diesen Fall sogar eine Berichts­pflicht für das gesamte GJ gefordert (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 316, Rn. 14).

C. Rechtsfolgen

 

Rn. 6

Stand: EL 33 – ET: 09/2021

Kommt infolge eines rechtswirksam geschlossenen GAV § 316 AktG zum Tragen, werden die Berichts- und Prüfungspflichten nach den §§ 312ff. AktG für die abhängige AG/KGaA/SE aufgehoben. Das Benachteiligungsverbot des § 311 AktG wird durch § 316 AktG aber nicht außer Kraft gesetzt und bleibt daher bestehen (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 316, Rn. 6). Dies gilt auch für die Haftungsregelung des § 317 AktG, dessen praktische Anwendbarkeit und Funktion bei Aufhebung der Berichtspflicht nach § 316 AktG aber deutlich geschmälert wird. Auch wenn nach dem Wortlaut von § 316 AktG die Haftungsregelung des § 318 AktG ebenfalls nicht außer Kraft gesetzt wird, ist bei Anwendung von § 316 AktG de facto doch das Gegenteil der Fall. Eine Haftung wegen eines unzureichenden oder unrichtigen Abhängigkeitsberichts nach § 318 AktG kann dann nicht eingreifen, gerade weil gemäß § 316 AktG überhaupt kein Abhängigkeitsbericht erstellt wurde.

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