Rn. 89

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Die Definitionsgrundsätze für den Jahreserfolg klären, welche Zahlungen als Erträge und Aufwendungen in der GuV des GJ (oder ggf. als Aktiva oder Passiva in der Bilanz) zu erfassen sind. Da die Definitionsgrundsätze für den Jahreserfolg aber Fragen der Bilanzierungsfähigkeit und -pflicht von VG und Schulden sowie der Bilanzierungsverbote nur implizit und ungenau beantworten, muss ein GoB-System auch Ansatzgrundsätze für die Bilanz enthalten, d. h. einen Aktivierungs- und einen Passivierungsgrundsatz, die explizit festlegen, welche Zahlungen in der Bilanz aktivierungs- bzw. passivierungsfähig sind.

 

Rn. 90

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

§ 242 Abs. 1 Satz 1 verlangt vom Kaufmann die Aufstellung einer Bilanz, die als ein das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellender Abschluss beschrieben wird. Diese Formulierung des Gesetzgebers beruht auf statischem Gedankengut und stellt auf die Schuldendeckungsfähigkeit des Vermögens ab (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 162; HdJ, Abt. I/2 (2010), Rn. 81). Eine generelle und exakte gesetzliche Definition des Bilanzinhalts existiert nicht, jedoch ist den Aufzählungen in den Ansatzvorschriften (vgl. §§ 246 bis 251) zu entnehmen, welche Bestandteile die Bilanz enthalten soll. § 246 Abs. 1 Satz 1 besagt, dass sämtliche VG, Schulden und RAP zu erfassen sind. § 247 Abs. 1 zählt zudem die gesondert auszuweisenden Bilanzposten auf: das AV und UV, das EK, die Schulden sowie die RAP. Aufgabe der Ansatzgrundsätze ist es, zu klären, was unter einem VG und einer Schuld im handelsbilanzrechtlichen Sinn zu verstehen ist.

 

Rn. 91

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Der Aktivierungsgrundsatz legt Kriterien dafür fest, was als VG anzusehen und somit grds. auf der Aktivseite der Bilanz anzusetzen ist. Er bestimmt also die abstrakte Aktivierungsfähigkeit (vgl. Freericks (1976), S. 141; Lamers (1981), S. 192) eines Guts. Davon zu unterscheiden ist die konkrete Aktivierungsfähigkeit, die von der abstrakten (grds. möglichen) Aktivierungsfähigkeit abweichen kann. Die konkrete Aktivierungsfähigkeit wird durch gesetzliche Vorschriften geregelt, die einerseits einige VG explizit von der Aktivierung ausschließen, andererseits auch den Ansatz bestimmter Nicht-VG auf der Aktivseite verlangen bzw. erlauben. Diese Trennung zwischen abstrakter Aktivierungsfähigkeit gemäß den Kriterien des Aktivierungsgrundsatzes und konkreter Aktivierungsfähigkeit gemäß den (ggf. abweichenden) gesetzlichen Vorschriften wird auch im Wortlaut des § 246 Abs. 1 Satz 1 deutlich, nach dem in der Bilanz sämtliche VG (und Schulden) anzusetzen sind, "soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist."

 

Rn. 92

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Im älteren Schrifttum wurde überwiegend die Auffassung vertreten, die selbständige Verkehrsfähigkeit bzw. Einzelverkehrsfähigkeit sei das wesentliche Kriterium für das Vorliegen eines VG (vgl. Freericks (1976), S. 142; IDW, WPg 1967, S. 666 (667); Knapp, DB 1971, S. 1121 (1123)). Selbständige Verkehrsfähigkeit bzw. Einzelverkehrsfähigkeit ist hierbei zu interpretieren als Einzelbeschaffbarkeit und Einzelveräußerbarkeit (vgl. Beck-HdR, B 131 (2019), Rn. 10).

 

Rn. 93

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Die Einzelbeschaffbarkeit allein begründet indes kein Merkmal eines VG, da hiernach alle Beschaffungsvorgänge, also z. B. auch ein bei einer Werbeagentur in Auftrag gegebener Werbefeldzug oder die Akquisition eines neuen Managers, zu einem Ansatz in der Bilanz führen könnten; dies kommt für die Bilanz im Rechtssinne nicht infrage, da ein so weit gefasstes Ansatzkriterium kaum begrenzbar ist und Beschaffungsvorgänge, die nicht zur Bildung eines Schuldendeckungspotenzials führen, kein Vermögen sein können.

 

Rn. 94

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Da die Einzelbeschaffbarkeit als Ansatzkriterium unzureichend ist und zudem jedes einzeln veräußerbare Objekt auch einzeln beschaffbar ist, wird die Einzelveräußerbarkeit als zweite Ausprägung der selbständigen Verkehrsfähigkeit bzw. Einzelverkehrsfähigkeit vom Schrifttum als Kriterium für den Aktivierungsgrundsatz herangezogen. Danach liegt ein VG nur dann vor, wenn dieser neben der Einzelbeschaffbarkeit zusätzlich einzeln Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann und durch Veräußerung, Übereignung oder Zession übertragbar ist (vgl. Freericks (1976), S. 142; überdies HdR-E, HGB § 246, Rn. 7). Im Hinblick auf die im Einzelfall ggf. fehlende Veräußerungsmöglichkeit wurde das Kriterium der Einzelveräußerbarkeit im Schrifttum in der Weise ergänzt, dass ein VG nicht nur dann vorliege, wenn die Möglichkeit zur Einzelveräußerung im konkreten Fall besteht (konkrete Einzelveräußerbarkeit), sondern auch wenn im konkreten Einzelfall eine Veräußerung nicht möglich ist, weil es keine potenziellen Erwerber gibt oder ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot einer Veräußerung entgegensteht. Demnach wäre die abstrakt vorhandene Einzelveräußerbarkeit für das Vorliegen eines VG maßgeblich (vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 87f.; MünchKomm. AktG (1973), § 149, Rn. 47).

 

Rn. 95

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