Rn. 59

Stand: EL 28 – ET: 05/2019

Ob der Abnehmer beim umgekehrten Factoring seine ursprüngliche finanzielle Leistungsverbindlichkeit weiter als Verbindlichkeit aus LuL bilanzieren muss oder diese bei ihm abgeht und durch eine neue (sonstige) finanzielle Verbindlichkeit (zum Ausweis vgl. IAS 1.54) zu ersetzen ist, richtet sich nach IFRS 9.3.3.1. Danach ist eine finanzielle Verbindlichkeit vom Abnehmer auszubuchen, wenn er sie getilgt hat. Die Tilgung kann dadurch erfolgt sein, dass die vertragliche (Zahlungs-)Verpflichtung erfüllt oder der Abnehmer per Gesetz oder durch den Gläubiger selbst von der ursprünglichen (Zahlungs-)Verpflichtung rechtswirksam entbunden wurde (vgl. IFRS 9.B.3.3.1). Die bloße Tatsache, dass aufgrund des Gläubigerwechsels eine Zahlung an den Factor erfolgt, weil der Lieferant lediglich seinen Zahlungsanspruch an den Factor abgetreten hat, befreit den Abnehmer dabei nach IFRS 9.B.3.3.3 nicht von seiner ursprünglichen Verpflichtung; entscheidend ist vielmehr, ob der Zahlungsanspruch des Lieferanten dadurch rechtswirksam erloschen ist (vgl. IFRS-Komm. (2018), IFRS 9, Rn. 146).

 

Rn. 60

Stand: EL 28 – ET: 05/2019

Begründet die Factoring-Transaktion eine eigenständige (neue) Verpflichtung des Abnehmers gegenüber dem Factor, bspw. durch ein Schuldanerkenntnis gegenüber dem Factor, und einigen sich Lieferant und Abnehmer darauf, dass der Abnehmer damit von seiner ursprünglichen Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Lieferanten befreit wird, hat der Abnehmer die Verbindlichkeit aus LuL zwingend auszubuchen und eine (sonstige) finanzielle Verbindlichkeit gegenüber dem Factor zu erfassen (vgl. IDW RS HFA 9 (2016), Rn. 253).

 

Rn. 61

Stand: EL 28 – ET: 05/2019

Wird der Abnehmer dagegen trotz Entstehens einer neuen Verpflichtung gegenüber dem Factor durch den Lieferanten nicht von seiner ursprünglichen Zahlungsverpflichtung entbunden, sieht er sich dem Grunde nach zwei unterschiedlichen Verpflichtungen gegenüber, solange der Factor nicht schuldbefreiend an den Lieferanten gezahlt hat: der ursprünglichen Verbindlichkeit aus LuL sowie der finanziellen Verbindlichkeit gegenüber dem Factor. Dieser Umstand ist nach den IFRS bei der Bewertung der ursprünglichen Leistungsverbindlichkeit zu berücksichtigen, die aus Sicht des Abnehmers faktisch eine bedingte Verbindlichkeit bzw. eine Garantieverbindlichkeit darstellt, weil sie nur zum Tragen kommt, falls der Factor nicht in der Lage ist, die Zahlung an den Lieferanten zu leisten (vgl. Bardens et al., WPg 2015, S. 1281 (1285); Haufe IFRS-Komm. (2018), § 28, Rn. 145). Die weiter bestehende Verbindlichkeit aus LuL ist mit ihrem beizulegenden Zeitwert anzusetzen. Gemäß IFRS 9.B5.4.6 bestimmt sich dieser nach dem unter Anwendung des Effektivzinses bei erstmaliger Erfassung der Verpflichtung ermittelten Barwert der Zahlungen, die unter Berücksichtigung der umgekehrten Factoring-Transaktion erwartet werden. Es ist mit Blick auf die ausreichende Bonität des Factors dabei davon auszugehen, dass der so ermittelte (angepasste) Buchwert der ursprünglichen Leistungsverbindlichkeit regelmäßig Null beträgt (vgl. IDW RS HFA 9 (2016), Rn. 254).

 

Rn. 62

Stand: EL 28 – ET: 05/2019

Erfolgt die Ausbuchung der ursprünglichen Leistungsverbindlichkeit des Abnehmers nicht schon aufgrund ihres rechtswirksamen Erlöschens oder durch deren Ansatz mit Null, ist diese nach IFRS 9.3.3.2 trotzdem in gleicher Weise geboten, wenn der Gläubigerwechsel mit wesentlich veränderten Vertragsbedingungen zwischen Lieferant und Abnehmer einhergeht. Die Beurteilung, ob dadurch im konkreten Einzelfall eine wesentliche Veränderung der vertraglichen Konditionen ausgelöst wird, beinhaltet folgende zwei Prüfungsschritte (vgl. auch Beck IFRS-HB (2016), § 3, Rn. 119f.):

 

Rn. 63

Stand: EL 28 – ET: 05/2019

(1) Qualitative Beurteilung

Die Hürde für eine wesentliche qualitative Modifikation der Verpflichtungsbedingungen ist relativ niedrig. Es genügt bspw. bereits das Vorliegen eines der folgenden Kriterien, um den Charakter betreffender Verbindlichkeit zu verändern und dessen "Umbuchung" auszulösen:

  • Verlängerung des Zahlungsziels gegenüber der ursprünglichen Leistungsvereinbarung;
  • Vereinbarung von zusätzlichen Zahlungen zugunsten des Factors, insbesondere Zins- und/oder Provisionszahlungen;
  • Anpassungen der sonstigen Vertragskonditionen, vornehmlich der Bezugspreise für die empfangenen Waren oder Dienstleistungen;
  • Vereinbarung von festen Abnahmevolumina (vgl. Haufe IFRS-Komm. (2018), § 28, Rn. 140; IDW RS HFA 9 (2016), Rn. 255).

Werden anlässlich der Factoring-Transaktion die Bedingungen der Leistungsvereinbarungen zwischen Lieferant und Abnehmer neu verhandelt und (bspw. in Form einer Verlängerung des Zahlungsziels im üblichen Rahmen) so angepasst, dass es mit dem Factoring anschließend nicht zu einer wesentlichen Modifikation der Vertragsbedingungen kommt, kann im Einzelfall der Charakter als Verbindlichkeit aus LuL erhalten bleiben. Dies scheidet allerdings dann aus, wenn sich Lieferant und Abnehmer in Form eines Gesamtplans (...

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