Rn. 8

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die einschränkende Formulierung in § 270 Abs. 2 muss im Gesamtzusammenhang mit der Struktur einer juristischen Person und den wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Personen gesehen werden (vgl. AktG-GroßKomm. (1973), § 58, Rn. 1f.). § 270 Abs. 2 bezieht sich nur auf Gewinnrücklagen. Gewinnrücklagen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur Beträge beinhalten, die im GJ oder in einem früheren GJ von der Gesellschaft erwirtschaftet worden sind bzw. waren (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 130). Dies bedeutet, dass Einstellungen in die Gewinnrücklagen stets nur zu Lasten des von der Gesellschaft erwirtschafteten Ergebnisses vorgenommen werden können. Die Gesellschafter einer KapG sehen in dem Ergebnis, das die KapG erzielt hat, die Verzinsung ihres eingesetzten Kap. Eine Realisierung dieser Verzinsung ist bei unverändertem Gesellschafterstamm nur möglich, wenn er dieses Ergebnis als Dividende ausgeschüttet erhält. Zur Sicherstellung seiner ökonomischen Inte­ressen erfolgt in § 270 Abs. 2 die Einschränkung, dass in den Fällen, in denen die gesetzlichen Vertreter einer KapG Beträge des erwirtschafteten Ergebnisses den Gesellschaftern nicht für Ausschüttungszwecke zur Verfügung stellen wollen, sie dies nur insoweit dürfen, wie das Gesetz es bspw. aus Gläubigerschutzinteressen vorschreibt. Analog werden Selbstbeschränkungen durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder Beschluss behandelt.

 

Rn. 9

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Im Zusammenhang mit Entnahmen aus den Gewinnrücklagen ist die für die Limitierung bei Einstellungen gegebene Begründung nicht heranziehbar. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Nachsatz die "nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorzunehmen sind" nur in Beziehung zu den Einstellungen gesehen worden ist (vgl. Mellerowicz/Brönner (1970), § 151 AktG, Rn. 139). Da im Gegensatz zu den Einstellungen keine gesetzlichen Vorschriften existieren, nach denen zwangsweise Beträge den Rücklagen entnommen werden müssten, ist dem grds. zuzustimmen. Auf der anderen Seite ist jedoch zu bedenken, dass AG, KGaA bzw. SE ihre gesetzliche Rücklage als Gewinnrücklage ausweisen müssen. Die hier bestehenden Beschränkungen sind bei den Entnahmen zu beachten (vgl. § 150 AktG). Analoges gilt für sonstige Gewinnrücklagen, soweit Satzungsbestimmungen einen bestimmten Umfang fordern, bzw. Rücklagen, die – analog zu § 208 Abs. 2 Satz 2 AktG bzw. § 57d Abs. 3 GmbHG – durch Zwecksetzungen gebunden sind.

 

Rn. 10

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Entscheidend ist die Feststellung, dass nach § 270 Abs. 2 das zuständige Organ im Fall der Einstellungen in die Gewinnrücklagen keinen Wahlrechtsspielraum hat. Das Organ muss eine Dotierung vornehmen, sobald der Tatbestand, an den das Gesetz, der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung die Dotierungspflicht knüpft, erfüllt ist. In diesem Fall steht demnach dem Bilanzaufsteller nicht das Ausweiswahlrecht gemäß § 268 Abs. 1 zu. Ist der Tatbestand nicht erfüllt, so hat eine Dotierung zu unterbleiben. Ein Entscheidungsspielraum verbleibt allenfalls noch bei der Bemessung der Höhe des Dotierungsbetrags (vgl. hierzu die Ausführungen zu den Einzelfällen in HdR-E, HGB § 270, Rn. 15ff.). Hinsichtlich der Entnahmen aus Gewinnrücklagen haben die den JA aufstellenden Organe grds. einen wesentlich größeren Freiraum.

§ 270 Abs. 1, in dem die bilanzielle Erfassung der Kap.-Rücklage geregelt ist, beinhaltet eine solche Limitierung nicht. Dies ist dadurch begründet, dass die Kap.-Rücklage eben nicht aus dem erwirtschafteten Ergebnis dotiert, sondern vielmehr durch der bilanzierenden Gesellschaft von außen zufließende Vermögenswerte gespeist wird (vgl. § 272 Abs. 2; § 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG). Die Kap.-Rücklage darf grds. nur in bestimmten im Gesetz ausdrücklich definierten Situationen aufgelöst werden (vgl. § 150 Abs. 3f., § 208 AktG, § 57d GmbHG; zur Problematik der Kap.-Rücklage bei einer GmbH HdR-E, HGB § 270, Rn. 18, 28). Gemäß § 270 Abs. 1 wird für die Veränderungen der Kap.-Rücklage zwingend vorgeschrieben, dass diese bei der Aufstellung der Bilanz für das Jahr, in dem die Veränderung der Kap.-Rücklage realisiert worden ist, zu berücksichtigen sind. Dies hat grds. zur Folge, dass eine Entnahme aus der Kap.-Rücklage bei einer AG, KGaA bzw. SE zu Einschränkungen des Ausweiswahlrechts nach § 268 Abs. 1 führt, da gemäß § 158 AktG dieser Tatbestand als Ergebnisverwendung angesehen werden muss. Nach hier vertretener Auffassung gilt dies entsprechend für eine GmbH (vgl. HdR-E, HGB § 268, Rn. 25).

Erfolgt die Reduzierung einer Kap.-Rücklage zum Zweck der Kap.-Erhöhung aus Gesellschaftsmitteln, so liegt zwar eine Auflösung i. S. v. § 270 Abs. 1 Satz 1 vor (vgl. mit a. A. ADS (1997), § 270, Rn. 7), die jedoch nicht als Entnahme i. S. v. § 158 AktG anzusehen ist. Die bilanzielle Erfassung dieser Auflösung hat erstmals bei der Bilanzaufstellung zu erfolgen, vor der der Beschluss über die Erhöhung des Grund-Kap. im Handelsregister eingetragen worden ist (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 17).

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