Rn. 34

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Das Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 resultiert einerseits aus dem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1, andererseits aus der in § 243 Abs. 2 kodifizierten Norm der Klarheit und Übersichtlichkeit des JA. Das Verrechnungsverbot schließt eine Saldierung zwischen unterschiedlichen Posten der Aktiv- und Passivseite genauso aus wie zwischen Erträgen und Aufwendungen in der GuV. Die gesonderte Erwähnung des Verrechnungsverbots für Grundstücksrechte mit Grundstückslasten stellt lediglich einen Anwendungsfall des allg. bilanziellen Verrechnungsverbots dar (vgl. auch MünchKomm. BilR (2013/II), § 246 HGB, Rn. 234). Die Ursache liegt wohl in der entsprechenden Regelung in § 152 Abs. 8 AktG 1965, die ebenfalls einen Bruttoausweis der Grundstücksrechte und -lasten vorsah, so dass ein mit einer dinglichen Belastung (z. B. einer Hypothek) belastetes Grundstück (brutto) auf der Aktivseite und die bestehende Verbindlichkeit (brutto) auf der Passivseite auszuweisen sind. Das grds. gültige Verrechnungsverbot erfährt aber bezüglich der Verrechnung bestimmter Einzelgeschäfte sowie aufgrund besonderer gesetzlicher Normen Ausnahmen in Bilanz und GuV, auf die im Folgenden eingegangen wird.

I. Einschränkung des Verrechnungsverbots in der Bilanz

 

Rn. 35

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die erste Ausnahme vom Verrechnungsverbot ist ableitbar aus § 387 BGB, nach dem gleichartige Forderungen und Verbindlichkeiten gegeneinander aufrechenbar sind, sobald der einzelne Vertragspartner die "ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann". Eine Saldierung gleichartiger Forderungen und Verbindlichkeiten bei Identität von Schuldner und Gläubiger wird angenommen, wenn die Voraussetzungen für die Aufrechenbarkeit – Forderung und Verbindlichkeit sind fällig – gegeben sind (vgl. dahingehend u. a. ADS (1998), § 246, Rn. 465f.; KK-AktG (1991), § 246 HGB, Rn. 32; HB-RP (1995), § 246 HGB, Rn. 26; MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 83f.; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 150; WP-HB (2021), Rn. F 67). Darüber hinaus wird eine Verrechenbarkeit auch dann angenommen, wenn

(1) die Forderung des UN zwar fällig, die Verbindlichkeit aber lediglich erfüllbar ist, da dann das UN (nicht aber der andere Teil) nach § 387 BGB aufrechnen kann;
(2) die Forderung und die Verbindlichkeit zwar noch nicht fällig (und damit aufrechenbar), aber annähernd gleich befristet und bis zur Aufstellung der Bilanz erloschen sind (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 152 Rn. 84). Dagegen wird eine Verrechnung für den Fall abgelehnt, "in dem sowohl die Forderung als auch die Verbindlichkeit am BilSt noch nicht fällig sind, aber die Zeitpunkte der Fälligkeit der Forderung und der Erfüllbarkeit der Verbindlichkeit identisch sind oder nur unwesentlich voneinander abweichen" (Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 152).

Generell von der Verrechnungsmöglichkeit ausgeschlossen sind in besonderer Weise durch Wechsel, Schecks, Hypotheken und Grundschulden gesicherte Forderungen und Verbindlichkeiten ((verbriefte Forderungen und Verbindlichkeiten); vgl. HB-RP (1995), § 246 HGB, Rn. 27; a. A. ADS (1998), § 246, Rn. 467). Bei Erfüllung der Voraussetzungen für die Aufrechenbarkeit bzw. die "wirtschaftliche Aufrechenbarkeit" besteht die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht zur Aufrechnung (vgl. dahingehend auch MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 85). Lediglich bei Vertragsverhältnissen, die von den Vertragspartnern von vornherein als Abrechnungsverhältnis ausgestaltet sind, und bei Kontokorrentverhältnissen i. S. v. § 355, bei denen eine Forderung oder Verbindlichkeit von vornherein nur in Höhe des Abrechnungssaldos entsteht, ist eine Verrechnung geboten (vgl. ADS (1998), § 246 HGB, Rn. 463; KK-AktG (1991), § 246 HGB, Rn. 31; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 154).

Eine Ausnahme vom Saldierungsverbot wird schließlich bei Gesamtschuldverhältnissen für vertretbar (bzw. geboten) gehalten, in denen eine Gesamtschuld im Außenverhältnis und ein Rückgriffsanspruch im Innenverhältnis bestehen, sofern letzterer zweifellos vollwertig ist und sofern der Gläubiger das betrachtete UN nicht tatsächlich in Anspruch genommen hat (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 82; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 153). Zu Recht verweist Kropff auf die Fälle der gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter einer PersG und der Haftung der Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, in denen zwar rechtlich eine Schuld, wirtschaftlich aber nur der Charakter einer akzessorischen Haftung vorliegen kann (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 151, Rn. 134).

 

Rn. 36

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Neben den Saldierungsmöglichkeiten im Bereich der Forderungen und Verbindlichkeiten sind noch einige andere Ausnahmen vom bilanziellen Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 zu erwähnen. So resultiert aus der Gesetzesformulierung des § 274 eine Verrechnungsmöglichkeit für die aktiven und passiven latenten Steuern, d. h., die sich aus unterschiedlichen Wertansätzen in HB und StB ergebenden und in der Zukunft s...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge