Rn. 53

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Handelsrechtl. geboten sind Rückstellungen nur dann, wenn der Kaufmann nach den am BilSt vorliegenden Verhältnissen ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen muss. Diese Voraussetzung ist in § 249 nicht ausdrücklich kodifiziert. Ungewisse Verbindl. müssen sich aber so hinreichend konkretisiert haben, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellen, bloße Befürchtungen oder Behauptungen reichen für eine Passivierung nicht aus. Andernfalls würde ihre Bilanzierung dem Grundsatz, nach dem keine willkürlichen Reserven gebildet werden dürfen und der auch in der Bewertungsvorschrift des § 253 Abs. 1 S. 2 zum Ausdruck kommt, zuwiderlaufen. Die drohende Inanspruchnahme ist auch Voraussetzung für die stl. Anerkennung einer Rückstellung. Die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme reicht nicht aus.

 

Rn. 54

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Nach der BFH-Rspr. ist auf die erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse aus der Sicht eines objektiven Kaufmanns abzustellen: Dabei müssen mehr Gründe für die drohende Inanspruchnahme als dagegen sprechen (vgl. u. a. BFH-Urt. v. 02.10.1992, BStBl. II 1993, S. 153f.; BFH-Urt. v. 06.12.1995, BStBl. II 1996, S. 406 und v. 19.10.2005, DB 2006, S. 536). Diese Auffassung unterstellt aber, dass die Gründe gleichwertig sind oder zumindest gewichtet werden können, um sie in ein zahlenmäßiges Verhältnis zueinander zu stellen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn zu fordern, dass mehr als 50 v. H. der Gründe dafür sprechen müssen, wird dem Sinn und Zweck des § 249 nicht gerecht. Vielmehr muss eine sachliche Abwägung der Gründe vorgenommen werden. Dabei muss es ausreichen, wenn die Inanspruchnahme mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgen wird. M. E. ist auch hier darauf abzustellen, ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Belastung auf den Kaufmann zukommt. Dies ist nach objektiven Kriterien festzustellen, so dass also für Dritte erkennbare und nachprüfbare Tatsachen vorliegen müssen. Damit hat eine nur abstrakte und entfernt liegende Möglichkeit unberücksichtigt zu bleiben. Ähnlich befürwortet Moxter (A. 1998, S. 2464) eine Passivierung bereits dann, wenn – wie bei Verbindl. – die Inanspruchnahme nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Es können alle Gründe zur Beurteilung herangezogen werden, die i. R. d. Wertaufhellung bis zur Aufstellung der Bilanz (oder bis zum Ablauf des Zeitraums, in dem die Bilanz fristgerecht hätte aufgestellt werden müssen) bekannt geworden sind; die Wertaufhellung ist damit nicht nur bei der Bewertung (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4), sondern auch bei der Frage des Bilanzansatzes zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urt. v. 02.10.1992, BStBl. II 1993, S. 153f. und v. 19.10.2005, DB 2006, S. 536).

 

Rn. 55

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Bei einzelnen Verpflichtungen hält der BFH die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme erst dann für gegeben, wenn der Gläubiger weiß, dass er einen Anspruch gegenüber dem Schuldner hat (vgl. BFH-Urt. v. 19.10.1993, BStBl. II 1993, S. 891ff. und v. 25.04.2006, DB 2006 S. 2155; kritisch u. a. Bäcker, R. M. 1995, S. 503ff.; Herzig, N. 1994, S. 20; IDW 1994, S. 547; Oser, P./Pfitzer, N. 1994, S. 845; Paus, B. 1994, S. 247; Schön, W. 1994, S. 8; Siegel, T. 1995, S. 537). Er stützt sich dabei auf eine Unterscheidung zwischen vertraglichen (zweiseitigen) und einseitigen Verpflichtungen. Bei vertraglichen Verpflichtungen sei es in hohem Maß wahrscheinlich, dass der Gläubiger und Vertragspartner aufgrund der Kenntnis seiner Rechte von diesen zu gegebener Zeit Gebrauch machen wird. Dagegen seien einseitige privatrechtl. Verpflichtungen erst dann vergleichbar, wenn der Gläubiger seine Berechtigung kenne oder die Kenntnisnahme unmittelbar bevorstehe. Dies gelte auch für einseitige öffentlich-rechtl. Verpflichtungen, für die damit kein Sonderrecht vorliege.

 

Rn. 56

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Dem kann so weitgehend nicht zugestimmt werden. Wenn der Dritte seine möglichen Ansprüche kennt, dann hat sich die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme schon so verdichtet, dass mit der Geltendmachung sicher gerechnet werden kann oder die Wahrscheinlichkeit jedenfalls sehr hoch ist. Stellt man nur darauf ab, so wird die Rückstellungsbildung beschränkt auf Fälle, in denen die Inanspruchnahme so gut wie feststeht. Der Kaufmann muss jedoch auch die Möglichkeit einer Rückstellungsbildung haben, wenn die Kenntnisnahme durch den Dritten zwar noch nicht unmittelbar bevorsteht, aber aufgrund konkreter Anhaltspunkte und aus objektiver Sicht jederzeit droht oder möglich ist, z. B. Gewährleistungen in Serienfällen, wenn sich erst ein Teil der Berechtigten gemeldet hat. Ablehnend auch Herzig (N. 1994, S. 20), der darauf hinweist, dass alle Verpflichtungen zu passivieren sind, denen sich der Kaufmann nicht mehr entziehen kann. Er hält es daher generell für bedenklich, auf Merkmale in der Sphäre des Dritten abzustellen. Wo allerdings die Kenntnisnahme durch den Berechtigten mit großer Wahrscheinlichkei...

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