Rn. 66

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

Mit § 254 werden als zulässige Grundgeschäfte "mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen" in das Handelsrecht eingeführt. Die Zulässigkeit einer Absicherung erwarteter Transaktionen ist unter dem Begriff der antizipativen Hedges bzw. antizipativen Bewertungseinheiten bislang im Schrifttum umstritten gewesen (vgl. ausführlich Pfitzer/Scharpf/Schaber, WPg 2007, S. 721ff.; HdR-E, HGB § 254, Rn. 2f.). Gleichwohl war diese Form der Sicherungsbeziehung bereits vor Inkrafttreten des BilMoG in der Bilanzierungspraxis anzutreffen.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel:

In der Automobilindustrie wurden bereits lange vor Inkrafttreten des BilMoG vielfach die geplanten (erwarteten) UE in Fremdwährung gegen das Währungsrisiko abgesichert.

Mit der Zulässigkeit von antizipativen Bewertungseinheiten in Bezug auf erwartete Transaktionen nach § 254 soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt werden, dass antizipative Bewertungseinheiten auch weiterhin (bzw. überhaupt) möglich sind (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 125).

 

Rn. 67

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

Dem Begriff der erwarteten Transaktion ist immanent, dass ein Rechtsgeschäft zwar noch nicht vertraglich abgeschlossen wurde, zumindest aber eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit für den tatsächlichen Abschluss besteht, bzw. dass der tatsächliche Abschluss des geplanten Rechtsgeschäfts in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht so gut wie sicher sein muss (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 125; Beck Bil-Komm. (2018), § 254 HGB, Rn. 12; IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 32).

Es dürfen dem Zustandekommen allenfalls noch außergewöhnliche Umstände entgegenstehen, die außerhalb des Einflussbereichs des bilanzierenden Unternehmens liegen (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 125; IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 32). In diesem Zusammenhang ist es nicht ausreichend, den Begriff "mit hoher Wahrscheinlichkeit" lediglich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50 % auszulegen (vgl. Wiechens/Helke, DB 2008, Beilage Nr. 1 zu Heft 7, S. 26 (27)).

 

Rn. 68

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

Die Vorgabe einer bestimmten quantitativen Mindesteintrittswahrscheinlichkeit ist nicht sinnvoll. Die Zulässigkeit einer Einbeziehung von am Abschlussstichtag noch nicht kontrahierten (erwarteten) Transaktionen in eine Bewertungseinheit ist vielmehr von der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls abhängig (vgl. PwC-BilMoG (2009), Abschn. H, Rn. 19).

Aus dem Gesetz geht nicht eindeutig hervor, ob sich die Erwartung "mit hoher Wahrscheinlichkeit" notwendigerweise auf einzelne Transaktionen bezieht und damit in jedem Fall eine Einzelfallprüfung verlangt, oder ob es sinngemäß auch auf Massepositionen, wie z. B. den erwarteten Umsatz eines bestimmten Monats, anwendbar ist.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel:

Ein Exportunternehmen (z. B. Automobilhersteller) erwartet aufgrund jahrelanger Erfahrungen und der aktuellen Marktbeobachtung, bspw. für den Monat Mai t1 einen UE in den USA i. H. v. 50 Mio. USD (Erwartungswert). Mit 90 %iger Wahrscheinlichkeit erwartet es – aufgrund umfangreicher Marktbeobachtung und Erfahrungen aus der Vergangenheit – einen Umsatz von mindestens 35 Mio. USD; übliches Zahlungsziel: 30.06.t1. Am 30.09.t0 wird ein Termingeschäft über US-Dollar abgeschlossen: Verkauf von 35 Mio. USD per 30.06.t1

Die Frage ist, ob für das Devisentermingeschäft eine antizipative Bewertungseinheit im Volumen von 35 Mio. USD gebildet werden kann.

Die Absicherung solcher Massepositionen war bereits vor Inkrafttreten von § 254 gängige Praxis. Da der Gesetzgeber mit § 254 die vor dessen Inkrafttreten bestehende Praxis antizipativer Absicherungen legitimieren (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 125; BT-Drs. 16/10067, S. 58) wollte, ist davon auszugehen, dass bspw. die Absicherung von bestimmten Massepositionen (wie z. B. Umsatz eines bestimmten Monats, Rohstoffbedarf eines Monats etc.) i. R.e. antizipativen Bewertungseinheit grds. abbildbar ist (vgl. ebenso Bonner HGB-Komm. (2015), § 254, Rn. 30). Dies auch deshalb, weil derartige Absicherungstechniken im Risikomanagement seit langer Zeit als Best Practice-Techniken anerkannt sind. Um das Kriterium der hohen Wahrscheinlichkeit in der Kollektivbetrachtung zu erfüllen, erscheint es erforderlich, das Volumen der Sicherungsposition nicht auf das insgesamt erwartete Volumen des (künftigen) Grundgeschäfts abzustimmen, sondern auf ein (niedrigeres) Volumen, so dass dessen Realisierung als so gut wie sicher angesehen werden kann; im obigen Beispiel sind dies die mit 90 % Wahrscheinlichkeit erwarteten 35 Mio. USD (vgl. ebenso Bonner HGB-Komm. (2015), § 254, Rn. 30).

 

Rn. 69

Stand: EL 27 – ET: 04/2018

Von wesentlicher Bedeutung i. R. dieser Beurteilung ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 125), ob und inwieweit in der Vergangenheit antizipative Bewertungseinheiten gebildet und auch (tatsächlich) durchgeführt wurden, also die erwarteten Transaktionen (tatsächlich und im vorgesehenen Zeitrahmen) zustande gekommen sind (vgl. ebenso IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 32). Darüber hinaus ist es erforderli...

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