Rn. 40

Stand: EL 34 – ET: 12/2021

Nicht jeder Anlass für die Annahme einer Unterbewertung rechtfertigt die Antragstellung; vielmehr muss die Unterbewertung von Bilanzpositionen "nicht unwesentlich" sein. Da Unwesentlichkeit ein geringerer Maßstab als Nicht-Wesentlichkeit ist, können an eine nicht unwesentliche Unterbewertung nicht so hohe Anforderungen gestellt werden wie an eine wesentliche Unterbewertung. Insofern entspricht der Wortlaut des § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG nicht einer doppelten Negation, die zum gleichen Ergebnis wie eine fehlende Negation führen würde (vgl. so im Ergebnis auch Grigoleit-AktG (2020), § 258, Rn. 3; Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 7; MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn 19). Aus der hier vertretenen Interpretation des Begriffs "nicht unwesentlich" lassen sich dennoch keine konkreten Regeln ableiten, die zur Feststellung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung geeignet sind. Fraglich ist insbesondere, welche Vergleichsgrößen bei dieser Beurteilung zugrunde zu legen sind und ob sich konkrete (relative) Grenzen für eine unwesentliche Unterbewertung angeben lassen.

 

Rn. 41

Stand: EL 34 – ET: 12/2021

Als Vergleichsgröße für die Bestimmung des Ausmaßes der Unwesentlichkeit kommen einerseits die Gesamtverhältnisse des UN in Betracht, andererseits die einzelnen Bilanzposten, bezüglich derer ein Anlass für die Annahme einer Unterbewertung besteht. Für die von der früher h. M. vertretene Betrachtung des Verhältnisses der Abweichungen von zulässigen Wertansätzen zu Gesamtgrößen (vgl. so etwa ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 86; KK-AktG (2009), § 258, Rn. 17; Voss, in: FS Münstermann (1969), S. 445 (460); offen gelassen vom OLG München, Beschluss vom 20.06.2006, 31 Wx 36/06, ZIP 2006, S. 1538) könnte der geringe Nutzen eines Sonderprüfungsverfahrens sprechen, das im Ergebnis lediglich zu einer im Vergleich zu kumulierten UN-Daten, z. B. zum Jahresergebnis oder zum GrundKap. (vgl. Frey, WPg 1966, S. 633), unwesentlichen Ergebniskorrektur führt. Diese nur an den Gesamtverhältnissen des UN orientierte Beurteilung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht überzeugend; vielmehr kann hiernach allein auf die Relation zum zulässigen Wertansatz der betrachteten Bilanzposition abgestellt werden. Für eine solche Auffassung spricht zudem der Regelungszweck der Norm, der darin besteht, die Einhaltung der sich aus den handelsrechtlichen RL-Vorschriften ergebenden Grenzen für die Bewertung von Bilanzposten sicherzustellen (vgl. ebenso die heute h. M. AktG-GroßKomm. (2021), § 258, Rn. 33; Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 7; KK-AktG (2017), § 258, Rn. 27f.; MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 21). Der Maßstab für die Relevanz von Unterbewertungen kann sich daher nur aus dem Vergleich mit den zulässigen Wertgrenzen der Bilanzposten ergeben. Es kann nicht darauf ankommen, ob sich die im Ergebnis einer Sonderprüfung mögliche Ergebniskorrektur als wesentlich erweist. Ausnahmsweise könnte in dem (unwahrscheinlichen) Fall auf die Gesamtverhältnisse des UN abzustellen sein, wenn mehrere Bilanzposten unwesentlich unterbewertet sind, die Summe der unzulässigen Unterbewertungen im Vergleich zu den Gesamtverhältnissen des UN ihrerseits jedoch wesentlich ist (vgl. so MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 21).

 

Rn. 42

Stand: EL 34 – ET: 12/2021

Aus dem Wortlaut von § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG lassen sich keine konkreten Grenzen ableiten, bei deren Überschreitung eine nicht unwesentliche Unterbewertung anzunehmen ist. Allerdings wird im Anschluss an Frey (WPg 1966, S. 633f.) in Teilen der älteren Literatur vertreten, dass für die Frage der Unterbewertung an die Bezugsgrößen "Jahresüberschuss" und "Grundkap." der betroffenen Gesellschaft anzuknüpfen sei (vgl. KK-AktG (2009), § 258, Rn. 17; Voss, in: FS Münstermann (1969), S. 443 (460), mit Bezug auf § 160 Abs. 2 Satz 5 AktG (a. F.)). Frey (WPg 1966, S. 633 (634)) hatte insoweit auf § 160 Abs. 2 Satz 5 AktG 1965 (die Vorschrift wurde durch das BiRiLiG aufgehoben; vgl. jetzt § 284 Abs. 2 Nr. 2) abgestellt, wonach der Vorstand bei Änderungen von Bewertungs- und Abschreibungsmethoden verpflichtet war, die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag im Geschäftsbericht darzustellen. Als berichtsauslösende Größenordnung hatte das Gesetz eine Änderung des Jahresüberschusses bzw. Jahresfehlbetrags um mehr als 10 % respektive mehr als 0,5 % des Grundkap. der Gesellschaft festgelegt. Diese Größenordnungen sollten nach dieser Auffassung mindestens als Maßstab für eine "nicht wesentliche" Unterbewertung gemäß § 258 AktG gelten. Z.T. wurde vertreten, dass die insoweit relevante Größe aber noch oberhalb der von § 160 Abs. 2 Satz 5 AktG 1965 bezeichneten Relation anzunehmen sei. So meint(e) Frey (WPg, 1966, S. 633 (634)) von einer "nicht unwesentlichen" Unterbewertung sprechen zu können, wenn die diesbezügliche Feststellung eine (zusätzliche) Ausschüttung von 1 % auf das Grundkap. ermögliche. Bei einem Jahresfehlbetrag sollte nur auf die von § 160 Abs. 2 Satz...

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