Rn. 52

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Der in § 5 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) EStG verankerte Maßgeblichkeitsgrundsatz bindet nicht nur den steuerlichen Bilanzansatz, sondern auch die steuerliche Bewertung an die handelsrechtlichen GoB (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 11.10.2012, I R 66/11, BStBl. 2013, S. 676). Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG adressiert zwar explizit (nur) den Ansatz ("ist [...] das BV anzusetzen"), der Bewertungsbereich wird gleichwohl erfasst. Der steuerliche Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 EStG wäre anderenfalls schlicht redundant und der Anwendungsbereich des – die Bewertung explizit einschließenden – Wahlrechtsvorbehalts des § 5 Abs. 1 Satz 1f. EStG marginal (vgl. Förster/Schmidtmann, BB 2009, S. 1342 (1343)). Der auch auf die Bewertung zu erstreckende Anwendungsbereich des Maßgeblichkeitsgrundsatzes lässt sich nicht nur aus der Gesetzessystematik, sondern auch aus dessen Zweck ableiten: Obschon die steuerliche Regelungsdichte im Bewertungsbereich deutlich höher als im Ansatzbereich ist, verbleiben de lege lata auch insoweit Regelungslücken, die durch die subsidiäre Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB geschlossen werden (vgl. BFH, Urteil vom 15.07.1998, I R 24/96, BStBl. II 1998, S. 728, zur Lückenschließung des § 6 EStG). Die Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB hat auch insoweit die Funktionsfähigkeit der nur teilweise verselbständigten steuerlichen Gewinnermittlung zu sichern (vgl. auch HdR-E, Kap. 3, Rn. 5). Sofern handelsrechtliche Bewertungsgebote und -verbote Ausdruck handelsrechtlicher GoB sind und diesen weder steuergesetzliche (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 74ff.) noch rspr.-seitige Vorbehalte (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 91) noch ein den Handlungsrahmen des Steuerpflichtigen nach Maßgabe des steuerlichen Wahlrechtsvorbehalts des § 5 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) EStG erweiterndes steuerliches Wahlrecht (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 95ff.) entgegenstehen, sind handelsrechtliche Bewertungsvorgaben auch steuerrechtlich zu befolgen.

 

Rn. 53

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Spezifizierung des Verhältnisses steuerlicher Vorbehaltsregelungen und dahinter stehender handelsrechtlicher GoB, d. h. die Konkretisierung der Reichweite und konkreter Auswirkungen der subsidiären lückenschließenden Maßgeblichkeit führt bisweilen zu Auffassungsdivergenzen zwischen Finanzverwaltung und Beratungspraxis. Heftig diskutiertes Beispiel ist die Bewertung von Rückstellungen, deren Höhe in der StB nach der von der Rspr. bestätigen Verwaltungsauffassung den zulässigen Ansatz in der HB nicht überschreiten darf (vgl. R 6.11 Abs. 3 EStR (2012); BFH, Urteil vom 20.11.2019, XI R 46/17 BStBl. II 2020, S. 195; dazu ferner HdR-E, Kap. 3, Rn. 19, 76). Der Maßgeblichkeitsgrundsatz wird hier auf Bewertungsebene als rückstellungsbegrenzende formelle Höchstwertmaßgeblichkeit begriffen.

 

Rn. 54–60

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

vorläufig frei

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