Rn. 62

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

§ 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 verlangt als eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen, dass alle Gesellschafter (bzw. Aktionäre) der Befreiung für das jeweilige GJ zustimmen. Mit dieser Regelung werden Minderheitsgesellschafter bzw. Minderheitsaktionäre davor geschützt, dass von den Mehrheitsgesellschaftern z. B. beschlossen wird, keine JA-Prüfung mehr durchzuführen. In der Gesellschafterversammlung (bzw. HV) ist also nicht nur ein einstimmiger Beschluss erforderlich, sondern es ist zwingend, dass sich auch alle Gesellschafter an der Abstimmung beteiligen. Hierzu reicht es aus, dass alle Gesellschafter, ggf. über Bevollmächtigte, vertreten sind. Nimmt ein Gesellschafter an der Abstimmung nicht teil oder enthält sich ein Gesellschafter bei der Abstimmung, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. In diesem Fall reicht es aber aus, wenn die Gesellschafter, die zunächst nicht zugestimmt haben, ihre Zustimmung nachträglich erklären und dies ausreichend dokumentiert wird. Die Voraussetzung, dass alle Gesellschafter der Befreiung zugestimmt haben, ist dann erfüllt. Adler/Düring/Schmaltz ((2001), § 264, Rn. 34) halten eine Zustimmung aller Gesellschafter nicht für zwingend, wenn der JA von allen Gesellschaftern einstimmig festgestellt wird. Diese Auslegung wird hier nicht als zulässig betrachtet, da zum einen dem Wortlaut des § 264 Abs. 3 nicht entsprochen wird und zum anderen nicht sichergestellt ist, dass jedem Gesellschafter bei der Feststellung des JA bewusst ist, dass bei diesem Abschluss die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 genutzt wurden. Eine nachträgliche Zustimmung aller Gesellschafter wird aber als wirksam angesehen, wenn bei der Aufstellung und Feststellung des JA von der Zustimmung ausgegangen werden konnte (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 138). Dies gilt entsprechend für die Offenlegung.

Im Regelfall sollte der Beschluss in der HV bzw. Gesellschafterversammlung gefasst werden. Aufgrund der Satzung bzw. des Gesellschaftervertrags können auch andere Beschlussverfahren zulässig sein, z. B. die schriftliche Zustimmung. Da das Gesetz keine formalen Erfordernisse verlangt, reicht es aber auch, wenn von allen Gesellschaftern Zustimmungserklärungen unabhängig von einem Gesellschafterbeschluss vorliegen und dies entsprechend dokumentiert ist (vgl. ADS (2001), § 264, Rn. 42).

Die Regelung führt im Ergebnis dazu, dass bei einer Publikums-AG/KGaA/SE die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 nicht in Anspruch genommen werden können, da in aller Regel nicht alle Aktionäre auf der HV vertreten sind. Für eine Publikums-AG/KGaA/SE als börsennotierte Gesellschaft wird nach hier vertretener Auffassung eine Inanspruchnahme der Erleichterungen auch nicht als sinnvoll angesehen (vgl. zu möglichen hiervon abweichenden Auslegungen Dörner/Wirth, DB 1998, S. 1525 (1527)).

 

Rn. 63

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Zustimmung aller Gesellschafter ist für das jeweilige GJ erforderlich. Ein einmaliger (unbefristeter) Beschluss reicht nicht aus. Es ist für jedes GJ ein entsprechender Beschluss zu fassen. Ein Vorratsbeschluss, z. B. für fünf GJ, ist vor dem Hintergrund möglicher Gesellschafterwechsel als nicht ausreichend anzusehen (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 141; ADS (2001), § 264, Rn. 40). Auch eine entsprechende Regelung in der Satzung genügt nicht, da Satzungsänderungen i. d. R. nur eine qualifizierte Mehrheit von meist 75 % erfordern, nicht dagegen die Zustimmung aller Gesellschafter (vgl. hierzu auch Dörner/Wirth, DB 1998, S. 1525 (1528)).

 

Rn. 64

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Sollen die Erleichterungen nur teilweise in Anspruch genommen werden, kann dies in dem Beschluss deutlich gemacht werden. Die Geschäftsführung ist in diesem Fall an die Begrenzung der Erleichterungen gebunden. Die Formulierung kann z. B. lauten: "Die Gesellschaft nimmt für das GJ t1 die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 bezüglich des Ersten Unterabschnitts (Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft und Lagebericht) und des Vierten Unterabschnitts (Offenlegung) in Anspruch." Wie unter HdR-E, HGB § 264, Rn. 59, erläutert, setzt dies bezüglich des Ersten Unterabschnitts nicht voraus, dass alle Erleichterungen bei der Aufstellung von JA und Lagebericht genutzt werden. Eine Differenzierung in dem Gesellschafterbeschluss, für welche Einzelvorschriften des Ersten Unterabschnitts die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 in Anspruch genommen werden sollen, ist nicht erforderlich.

Wird in dem Beschluss die Inanspruchnahme der Erleichterungen des § 264 Abs. 3 pauschal festgelegt, d. h. ohne Bezugnahme auf einzelne Bereiche wie Prüfung und Offenlegung, setzt dies ebenfalls nicht zwingend voraus, dass alle Erleichterungen tatsächlich in Anspruch genommen werden (vgl. ADS (2001), § 264, Rn. 41).

 

Rn. 65

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Zustimmung der Gesellschafter sollte grds. bis zur Aufstellung des JA, spätestens aber im Zeitpunkt der Feststellung des JA vorliegen. Wird die Befreiung von der Prüfungspflicht nicht in An...

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