Rn. 191

Stand: EL 11 – ET: 04/2011

Weder das HGB noch andere für die Bilanzierung relevante Spezialgesetze enthalten explizite Regelungen, die eine unmittelbare bilanzielle Einteilung von Finanzierungsmaßnahmen nach ihrem Eigen- oder Fremdkapitalcharakter erlauben (vgl. ADS 1995, § 246, Rn. 80; Schweitzer, R./Volpert, V. 1994, S. 823). Auch der Fachliteratur lässt sich eine griffige Formel nicht entnehmen. Stattdessen wird eine Mehrzahl von Abgrenzungskriterien angeboten, die zudem eine unterschiedliche Gewichtung erfahren. Einvernehmen besteht immerhin darin, die Abgrenzung zwischen EK und FK weniger an der jeweiligen zivilrechtlichen Einkleidung einer Finanzierungsmaßnahme (formeller Kap.-Begriff) als vielmehr an der Funktion festzumachen, die dem Kap. im UN zukommt (materieller Kap.-Begriff; vgl. BFH-Urt. v. 22.08.1990, BStBl. II 1991, S. 415 ff.; BGH-Urt. v. 21.03.1988, BB 1988, S. 1084 f.; Lutter, M./Hommelhoff, P. 1979, S. 42; Priester, H.-J. 1991, S. 1918; Schmidt, K. 1987, S. 489 ff.).

 

Rn. 192

Stand: EL 11 – ET: 04/2011

Für die Unterscheidung zwischen EK und FK kommt es damit – anders als nach IFRS – nicht darauf an, ob das UN durch den Kapitalgeber zu Zahlungen verpflichtet werden kann. Entscheidend ist, ob die überlassenen Finanzmittel als primäres Risikokapital fungieren, mithin dem unternehmerischen Risiko ausgesetzt sind. Ausgehend von diesem allgemeinen Verständnis einer Eigenfinanzierung sind als kumulativ zu erfüllenden Kriterien des materiellen EK-Begriffs zu nennen (vgl. auch Hennrichs/Pöschke 2009, Rn. 17; Hense, H. H. 1990, S. 189 ff.; Linscheidt, A. 1992, S. 1853; Schneider, D. 1992, S. 42 ff.; Siegel, T. 1993, Sp. 482 f.; Vormbaum, H. 1995, S. 35 ff.:

(1) Übernahme der Haftungs- oder Garantiefunktion,
(2) Nachrangigkeit des gewährten Kap. sowie
(3) Nachhaltigkeit der Mittelzuführung.
 

Rn. 193

Stand: EL 11 – ET: 04/2011

Die Haftungsfunktion erfordert, dass Verluste eines UN zuerst das EK mindern, bevor die Ansprüche der Gläubiger betroffen werden (vgl. Vormbaum, H. 1995, S. 36). Diese Eigenschaft weisen alle EK-Posten des gesetzl. Gliederungsschemas auf. Das gilt jedenfalls solange, wie nicht durch Geschäftsführungsmaßnahmen und/oder durch die Gesellschafter eine (gesetzl. zulässige) Ausschüttung eigener Mittel beschlossen ist. Ein solcher Beschluss begründet i. H. d. auszukehrenden Betrags eine Verbindl. der Gesellschaft, die wie die übrigen Schulden des UN keinem vorrangigen Verlustrisiko ausgesetzt ist.

Mit der Haftungsfunktion des EK nicht zu vereinbaren sind unbedingte Ansprüche der Kap.-Geber auf Verzinsung oder Rückzahlung der überlassenen Mittel (vgl. HFA 1/1994, S. 420). Sie stellen eine latente Bedrohung für die den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsmasse dar, da sie auch in Verlustjahren zu Mittelabflüssen führen. EK-Charakter kann nur solchen Mittelüberlassungen zugebilligt werden, die allenfalls mit Residualansprüchen Dritter in Form von Anwartschaften auf Anteile am Gewinn bzw. am Liquidationserlös belastet sind.

 

Rn. 194

Stand: EL 11 – ET: 04/2011

Um das Merkmal der Nachrangigkeit zu erfüllen, darf ein Anspruch auf Rückzahlung im Fall der Insolvenz oder der Liquidation nur bestehen, wenn die Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger zuvor vollständig befriedigt oder gesichert worden sind (vgl. § 39 InsO). Diese Forderung ergänzt die Haftungsfunktion des EK, die sich auf die während der UN-Fortführung eintretenden Verluste bezieht. Sie ist erforderlich, damit das EK auch im Zerschlagungsfall als Verlustpuffer wirken kann.

 

Rn. 195

Stand: EL 11 – ET: 04/2011

Das diffuseste Definitionsmerkmal des funktionellen EK-Begriffs stellt die Nachhaltigkeit der Mittelzuführung dar. Danach sollen eigene Mittel in Abgrenzung zum FK, das regelmäßig für einen im Voraus bestimmten Zeitraum bereitgestellt wird, dem UN grds. ›auf Dauer‹ zur Verfügung stehen. Unklar ist, was unter einer dauerhaften Kapitalüberlassung zu verstehen ist. Eine Bereitstellung bis zum Zeitpunkt der Liquidation des UN wird man nicht verlangen können. Das zeigt bereits ein Blick auf die gesetzl. Bestandteile des bilanziellen EK. Auch sie können in vielen Fällen vor der Liquidation des UN auszahlbar sein (Hense, H. H. 1990, S. 187). Im Unterschied zum FK unterliegt die Auszahlung von eigenen Mitteln jedoch besonderen Bedingungen bzw. Einschränkungen, die dem Schutzinteresse der Gläubiger Rechnung tragen. So besteht bspw. bei Einzel-UN und PersG die pers. Haftung der Gesellschafter auch nach einem Abzug von EK durch Entnahme oder infolge eines Ausscheidens aus der Gesellschaft (zumindest für einen gewissen Zeitraum) fort. Sie sichert umfassend die Verlustteilnahme der bereitgestellten Mittel und macht die Forderung nach einer Mindestüberlassungsdauer entbehrlich (vgl. IDW RS HFA 7, Rn. 14). Bei KapG sind aufgrund des weitestgehenden Haftungsausschlusses der Gesellschafter bestimmte Teile des EK gänzlich gegen eine Ausschüttung bzw. Rückzahlung gesperrt (vgl. z. B. §§ 150, 228 i. V. m. § 7 AktG sowie § 5 Abs. 1 i. V. m. §§ 30 Abs....

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