Rn. 10

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Als induktiv wird die Methode bezeichnet, bei der von den Gepflogenheiten der Kaufleute auf einen oder mehrere GoB geschlossen wird. Diese Methode wird vom überwiegenden Teil der Literatur verworfen (vgl. u. a. Döllerer, WPg 1959, S. 653 (654); Leffson (1964), S. 10; Spitaler, StuW 1959, Sp. 633 (634); relativierend Schneider (1997), S. 108; BeckOGK-HGB (2021), § 243, Rn. 4; a. A. Tiefenbacher, BB 1961, S. 1111 (1112)). Kaufleute sind bei der Gewinnung von GoB keine neutralen Sachverständigen (vgl. Leffson (1987), S. 119); vielmehr könn(t)en sie bei diesem Vorgehen ihre subjektiven Interessen vorrangig berücksichtigen (vgl. Baetge/Ballwieser, BFuP 1977, S. 199 (201)). Diese induktive Methode würde erlauben, dass von den Kaufleuten einseitig gesetzte, aber nicht offengelegte und ggf. nicht mit dem Gesetz im Einklang stehende Zwecke die Bildung von GoB bestimmen. Die Gesamtheit der GoB erhielte auf diese Weise den Charakter der Beliebigkeit. Die "Geschlossenheit" – im obigen Sinn (vgl. HdR-E, Kap. 2, Rn. 7) – und die Systematik der GoB gingen verloren. Die induktive Methode ist deshalb zur Gewinnung eines i. d. S. "geschlossenen" GoB-Systems nicht geeignet (vgl. Beisse, BFuP 1990, S. 499 (502)).

 

Rn. 11

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Ausgangspunkt der Diskussion über die Gewinnung von GoB war ein Aufsatz von Schmalenbach (ZfhF 1933, S. 225ff.), in dem er als Quelle der GoB die Ansichten der "ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute" bezeichnete. Er erachtete nur das als GoB, was man in der Praxis ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute für richtig hielt. Indes ist auch diese qualifizierende induktive Methode unzureichend, weil sich ohne objektiven Maßstab kaum klären lässt, welches die Ansichten der ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute im Unterschied zu denen anderer Kaufleute sind. Auch die von Schmalenbach empfohlene Filterung der deduktiv gewonnenen fachwissenschaftlichen Bilanzierungspostulate durch die Ansichten der ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute ist nicht sinnvoll, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch die von den Kaufleuten herausgefilterten, d. h. nicht akzeptierten, Bilanzierungsweisen die vom Gesetzgeber festgelegten Gewichte von Zweckelementen unzulässig verschoben werden (vgl. HdR-E, Kap. 2, Rn. 44).

 

Rn. 12

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Bei der sog. deduktiven Methode wird versucht, die GoB aus den Zwecken der Buchführung und des JA "herzuleiten" bzw. zu "deduzieren" (vgl. Leffson (1987), S. 29f.). Hierbei lassen sich in der Literatur (vgl. Yoshida, in: FS Leffson (1976), S. 49ff.; Moxter, StuW 1983, S. 300ff.; Mellwig, BB 1983, S. 1613ff.; Schneider, StuW 1983, S. 141 (158f.); Beisse, StuW 1984, S. 1 (3f.)) zwei Ansätze für die Deduktion von GoB unterscheiden:

(1) die betriebswirtschaftlich deduktive Methode und
(2) die handelsrechtlich deduktive Methode.
 

Rn. 13

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Voraussetzung für die betriebswirtschaftlich deduktive Methode zur Gewinnung betriebswirtschaftlicher GoB (vgl. Yoshida, in: FS Leffson (1976), S. 49 (54ff.)) ist ein eindeutiges, widerspruchsfreies und allg. anerkanntes Zwecksystem für Buchführung und JA. Ein solches Zwecksystem liegt vor, wenn ausschließlich allg. anerkannte, eindeutige und widerspruchsfreie Zweckelemente in die Deduktionsbasis eingehen. Die betriebswirtschaftlich deduktive Methode bietet nur unter dieser Voraussetzung die Gewähr dafür, dass ein betriebswirtschaftlich akzeptables GoB-System ermittelt werden kann. Die betriebswirtschaftlich akzeptablen Zweckelemente von Buchführung und JA sollen sich nach Ansicht des Schrifttums aus der sog. Natur der Sache, d. h. aus der Natur der Buchführung und des JA, ergeben (vgl. Leffson (1987), S. 34; Kruse (1970), S. 88ff.).

 

Rn. 14

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Die Voraussetzung für die betriebswirtschaftliche Deduktion eines betriebswirtschaftlichen GoB-Systems ist indes nicht erfüllt, da nicht auf ein allg. anerkanntes, widerspruchsfreies und eindeutiges betriebswirtschaftliches Zwecksystem zurückgegriffen werden kann. Die betriebswirtschaftliche Literatur macht vielmehr die verschiedensten Vorschläge für Zwecke, die jeweils aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten einzelner Abschlussadressatengruppen gewonnen, aber häufig nicht miteinander vereinbar sind (vgl. z. B. Baetge, in: FS Leffson (1976), S. 11 (15ff.)). Über die RL-Zwecke und darüber, welche Zwecke dominant sind, besteht in der Betriebswirtschaftslehre keine Einigkeit. Es fehlt also die notwendige Bedingung für die betriebswirtschaftlich deduktive Ermittlung von GoB. Insoweit wird hier auf deren weitere Betrachtung verzichtet.

 

Rn. 15

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Für den handelsrechtlichen JA ist man zur Gewinnung von GoB auf das Gesetz mit seiner Kompromisslösung bezüglich der Buchführungs- und JA-Zwecke angewiesen. Anstelle der betriebswirtschaftlich deduktiven Methode wurde z. T. die handelsrechtlich deduktive Methode herangezogen, die von den Gesetzeszwecken ausgeht, um GoB zu gewinnen. Die auf diese W...

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