Rn. 32

Stand: EL 15 – ET: 11/2012

Bei dem Thema "Rückstellungen" handelt es sich in Literatur und Rspr. nach wie vor um einen zentralen handelsrechtl. Schwerpunkt (der allerdings von der Behandlung der Grundzüge zur Internationalisierung der RL und der stl. Einschränkungen überlagert wird). Die Diskussion ist nicht abgeschlossen, da immer wieder neue Sachverhalte insbes. im Bereich des Umweltschutzes auftreten. Dabei ist die Auslegung einzelner Rückstellungskriterien sehr stark in Fluss geraten und entwickelt sich weiter. Vorherrschend ist die Auslegung des § 249 aus stl. Sicht, obwohl die handelsrechtl. Beurteilung eigentlich Vorrang hat und über die MGB auf die SB übertragen werden müsste. Insoweit ist der MGB-Grundsatz bei § 249 faktisch ausgehöhlt.

Während die handelsrechtl. Praxis bei der Bildung von Rückstellungen meist großzügig verfährt, steht dem diametral die restriktive Haltung der Finanzverwaltung gegenüber. Auch der BFH, der immer wieder nach Kriterien zur sachgerechten Abgrenzung sucht, entscheidet i. d. R. eher einengend, wenn er auch in einzelnen Fällen in konsequenter Anwendung seiner Grundsätze Rückstellungen zuließ (z. B. für Jubiläumszuwendungen).

 

Rn. 33

Stand: EL 15 – ET: 11/2012

Zentraler Punkt ist der Versuch, den Umfang des Vorsichtsprinzips zu definieren. Ist die Abgrenzung auf der einen Seite zu eng, so ist der Schuldenausweis unvollständig und das Imparitätsprinzip verletzt; ist die Abgrenzung andererseits zu großzügig, so werden unzulässige stille Reserven gebildet. Diskutiert werden v. a. noch zwei Kriterien:

Einmal geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die wirtschaftliche Verursachung einer künftigen Verbindl. angenommen werden kann. Nach h. M. kommt es darauf an, ob die wirtschaftlichen Tatbestandsmerkmale einer Verpflichtung erfüllt sind und die Leistung somit an Vergangenes anknüpft. Legt man das Realisationsprinzip zugrunde, so wird geprüft, ob die zurückzustellenden Aufwendungen vergangenen oder künftigen Erträgen zuzuordnen sind, oder anders ausgedrückt, welche Erträge sie alimentieren (vgl. Moxter, A. 1993, S. 89). Dabei kommt es zu einer "rückstellungsbegrenzenden Wirkung des Realisationsprinzips" (Herzig, N. 1993, S. 209). Die Zurechnung erfolgt hier vom Zweck einer Ausgabe her. Letztlich wird damit einer dynamischen Betrachtungsweise Vorrang eingeräumt vor dem Prinzip des vollständigen Schuldenausweises unter statischen Aspekten. Andererseits bleiben auch bei Anwendung des Realisationsprinzips Unsicherheiten: Z. B. weisen Gelhausen, W./Fey, G. (1993, S. 596) darauf hin, dass der BFH auch unter Realisationsaspekten zu einem anderen Ergebnis kommen müsste, wenn er die Zuordnung der Aufwendungen nicht vom Zweck, sondern von der Nutzung in der Vergangenheit und den dabei erzielten Erträgen her vornehmen würde. Da der BFH nunmehr wieder seine ursprüngliche Auffassung bestärkt hat, ist insoweit eine gewisse Klärung erfolgt.

Zum anderen haben Finanzverwaltung und BFH die Diskussion zur Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme neu belebt, und zwar in Zusammenhang mit Umweltschutzrückstellungen. Auch dieses Merkmal wird nunmehr restriktiv ausgelegt. Umgekehrt wird in Frage gestellt, ob die vom BFH geforderte Konkretisierung bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen wirklich mit der Gesetzeslage übereinstimmt.

 

Rn. 34

Stand: EL 15 – ET: 11/2012

Als Gesamtbild zeigt sich ein breites Spektrum von Meinungen zu nahezu allen relevanten Punkten. Für die Praxis war die Entwicklung und insbes. die Rspr. des BFH zeitweise unübersichtlich (vgl. hierzu die Übersicht bei Schön, W. 1994 und Mayer-Wegelin, E. 1995), zumal die Behandlung der einzelnen Teilfragen oft isoliert erfolgt und daher nicht aufeinander abgestimmt ist. So hat der BFH die Voraussetzungen für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme verschärft, ohne vorher zu klären, ob er die Konkretisierungsmerkmale bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu Recht verlangt oder nicht. Oder: Unsicherheiten bei der Frage der wirtschaftlichen Verursachung könnten großzügiger gelöst werden, wenn ein Ausufern von Passivierungsmöglichkeiten über die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme begrenzt würde.

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