Rn. 27

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Anspruchsberechtigt aus § 323 sind das geprüfte UN und ein mit ihm nach den §§ 271 Abs. 2, 290 verbundenes UN, sofern dieses geschädigt wurde. Voraussetzungen für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs sind (vgl. ADS (2000), § 323, Rn. 76):

 

Rn. 28

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

(1)

Vorsätzliche, grob fahrlässige oder fahrlässige Pflichtverletzung: Die Pflichten des AP und der übrigen in § 323 Abs. 1 Satz 1 genannten Personen bestehen in der Beachtung der Grundsätze der Gewissenhaftigkeit, Unparteilichkeit und Verschwiegenheit sowie des Verwertungsverbots. Diese Pflichten gelten für sämtliche Tätigkeiten, die nach den Vorschriften der §§ 316ff. Bestandteile der AP sind; dies schließt neben den Prüfungshandlungen i. e. S. insbesondere auch die Berichterstattung nach § 321, die Erteilung des BV nach § 322 sowie die Einholung von Auskünften gemäß § 320 ein (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 323 HGB, Rn. 71f.). Ein Verstoß gegen andere Berufspflichten hat keine Haftung aus § 323 zur Folge (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 323 HGB, Rn. 71). M.a.W.: Eine Nichtbeachtung der allein durch die WPO auferlegten Pflichten führt nicht zur vertraglichen Haftung gegenüber dem geprüften UN (vgl. ebenso ADS (2000), § 323, Rn. 185, wonach die WPO nicht dem Individualschutz derjenigen Personen dienen soll, welche die Leistungen des WP in Anspruch nehmen; zu berufsaufsichtlichen Sanktionsmöglichkeiten HdR-E, HGB § 323, Rn. 51f.).

Die in § 323 Abs. 1 Satz 1 aufgeführten Berufspflichten sind als unbestimmte Rechtsbegriffe interpretationsbedürftig. Insbesondere der Begriff der Gewissenhaftigkeit ist unter Beachtung des Gesetzeszwecks auszulegen. Als Gesetzeszweck wird die Gewährleistung eines Mindestniveaus an Vertrauenswürdigkeit der kundgegebenen Prüfungsergebnisse unter Einhaltung des Wirtschaftlichkeitspostulats angesehen (vgl. Rückle, in: HWRev (1992), Sp. 752 (755f.)). Allg. anerkannte numerische Regeln zur intersubjektiven Fixierung dieser Mindestschwelle haben sich allerdings nicht herausgebildet (vgl. Kuhner, ZGR 2010, S. 980 (988ff.); Rückle, in: HWRev (1992), Sp. 752 (757f.)). Die Pflicht zur Gewissenhaftigkeit wird v.a. durch die allg. anerkannte Berufsauffassung konkretisiert, die sich in der BS WP/vBP der WPK sowie den zahlreichen Verlautbarungen des IDW äußert. Die berufsständischen Verlautbarungen sind jedoch nicht unmittelbar rechtswirksam; im Rahmen seiner eigenverantwortlichen Tätigkeit ist der Prüfer im Einzelfall nicht an die Auffassung der WPK oder des IDW gebunden (vgl. HdR-E, HGB § 323, Rn. 6; Rückle, in: HWRP (2002), Sp. 1026 (1027f.); WP-HB (2021), Rn. A 214). Beachtet der AP die berufsständischen Verlautbarungen, wird er sich allerdings i. d. R. vom Vorwurf, pflichtwidrig gehandelt zu haben, entlasten können. Daher sollte von ihnen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grunds – z. B. in Fällen atypischer Sachverhalte – abgewichen werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 323 HGB, Rn. 12; zudem die Ausführungen zur Gewissenhaftigkeit unter HdR-E, HGB § 323, Rn. 4ff.). Einen indirekten Beitrag zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht leistet das aus der BaFin bestehende einstufige Enforcement-System, soweit bei der Prüfung der JA und KA kap.-marktorientierter UN Fehler festgestellt werden. Eine Fehlerfeststellung nach § 109 WpHG bedeutet, dass ein wesentlicher Fehler im Abschluss vorhanden ist, der bei sorgfältiger Prüfung mit hinreichender Sicherheit hätte aufgedeckt werden müssen (vgl. hierzu auch IDW PS 250 (2012), Rn. 6). Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht folgt aber hieraus nicht unmittelbar, weil einerseits auch bei denkbar hohem Sorgfaltsniveau die Nichterkennung wesentlicher Fehler nie völlig ausgeschlossen werden kann, und andererseits dem Wesentlichkeitsurteil der BaFin auch davon abweichende, aber gleichermaßen rechtsgültige Schlüsse über die (Un-)Wesentlichkeit eines Fehlers in der RL gegenüberstehen können (vgl. Kuhner, ZGR 2010, S. 980 (990f.), m. w. N.; zum Zusammenhang zwischen Fehlerfeststellung und Sorgfaltspflichtverletzung Gelhausen/Hönsch, AG 2005, S. 511 (521)).

Trotz der Konkretisierungsbestrebungen der Berufsorganisationen verbleibt mithin ein gewisser Auslegungsspielraum, der von der Rspr. einzelfallbezogen ausgefüllt werden muss (vgl. zu den ökonomischen Wirkungen dieser Unsicherheit Ewert, BFuP 1999, S. 94 (101ff.)). Offen gehalten wird dieser Auslegungsspielraum letztlich durch das nicht allg. auflösbare Spannungsverhältnis zwischen der Wirtschaftlichkeit einer Prüfung und den hohen Anforderungen an die Vertrauenswürdigkeit ihrer Ergebnisse. Allerdings wird der AP sich dem Vorwurf mangelnder Sorgfalt dann ausgesetzt sehen, wenn er sich trotz aufkommender Hinweise auf wesentliche Abweichungen des Sollobjekts vom Istobjekt einseitig für die Vermeidung weiteren Aufwands entscheidet. Dies ist etwa der Fall, wenn er die Prüfung eines Teilgebiets, in dem die Stichprobenprüfung Fehler oder Verstöße aufgedeckt hat, nicht intensiviert (vgl. IDW PS 200 (2015), Rn. 19ff., 22;...

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