Rn. 70

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Grundvoraussetzung der einsetzbaren mathematisch-statistischen Verfahren ist die Beachtung des Zufallsprinzips bei der Auswahl von Elementen aus der Grundgesamtheit. Letztere stellt die vollständige Gesamtheit aller zu betrachtenden Elemente dar, während deren ausgewählter repräsentativer Teil als Stichprobe bezeichnet wird. Ziel der Auswahl von Stichprobenelementen ist die Gewinnung von Aussagen über die Grundgesamtheit (vgl. im Folgenden Cochran (1972), S. 15ff.). Dadurch wird die vollständige körperliche Bestandsaufnahme "in der Art ersetzt, dass nur diejenigen Vermögensgegenstände vollständig körperlich aufgenommen werden, die Bestandteil der Stichprobe sind. Unter Verwendung statistischer Gesetzmäßigkeiten ist es dann möglich, auf der Basis der Wertverhältnisse der Stichprobenelemente mit einer der vollständigen körperlichen Bestandsaufnahme adäquaten Sicherheit eine Aussage über die Wertverhältnisse der Grundgesamtheit zu machen" (Bonner HGB-Komm. (2012), § 241, Rn. 11). Damit solche Aussagen mit einer quantifizierbaren Sicherheit getroffen werden können, müssen Stichproben der Grundgesamtheit nach dem Zufallsprinzip entnommen werden. Die Beachtung des Prinzips der zufälligen Auswahl von Elementen aus der Grundgesamtheit kann als gesichert gelten, wenn

  • im Falle einer sog. ungeschichteten Zufallsauswahl jede Lagerposition die gleiche von Null verschiedene Chance hat, in die Stichprobe zu gelangen, bzw.
  • im Falle einer sog. geschichteten Zufallsauswahl jede Lagerposition eine berechenbare, von Null verschiedene Chance hat, in die Stichprobe zu gelangen (vgl. HFA 1/1981, WPg 1990, S. 649 (652); EBJS (2020), § 241 HGB, Rn. 3).
 

Rn. 71

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Als Auswahlverfahren können u. a. die Auslosung, die Anwendung von Zufallszahlentabellen, die systematische Auswahl mit Zufallsstart oder das Schlussziffernverfahren genannt werden (vgl. HFA 1/1981, WPg 1990, S. 649 (652); Bonner-HdR (2000), § 241 HGB, Rn. 6).

 

Rn. 72

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Anwendung von Stichprobenverfahren durch den bilanzierenden Kaufmann setzt die Homogenität der Grundgesamtheit voraus. HFA 1/1981 sieht die Homogenitätsbedingung dann als eingehalten an, wenn sich die Elemente der Grundgesamtheit nur hinsichtlich der zu untersuchenden Merkmalsausprägung voneinander unterscheiden, wenn etwa die einzelnen Elemente des Lagerkollektivs als Wertgrößen erfasst werden. Vielfach empfiehlt es sich, die Grundgesamtheit in mehrere Grundgesamtheiten zu schichten, die ihrerseits homogen sind, wobei eine kritische Mindestgröße einzuhalten ist, damit die Gültigkeit des zentralen Grenzwertsatzes der Wahrscheinlichkeitsrechnung unterstellt werden kann (vgl. auch Schaich/Ungerer, WPg 1979, S. 653 (655)).

 

Rn. 73

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Als hilfreich kann sich in diesem Zusammenhang die Durchführung einer ABC-Analyse (vgl. LdB (2004), S. 1) des Lagerkollektivs erweisen. Hieraus ergibt sich eine Einteilung in Wertklassen, wobei die Vorräte, welche der höchsten Wertklasse (A) zugeordnet werden, einer Vollaufnahme zu unterziehen sind, während die Wertklassen B und C durch Stichproben erfasst werden können. Vermögenswerte, deren Abgänge sich im Betriebsalltag nur schwer kontrollieren lassen (z. B. flüchtige Stoffe) bzw. deren Bestände – wie im Falle von Edelmetallen – als besonders gefährdet eingestuft werden, sind ebenfalls der Wertklasse A zuzuordnen (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 79; Ungerer (1980), S. 22).

 

Rn. 74

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

I. d. R. legen die mathematisch-statistischen Verfahren der Stichprobeninventur eine bestimmte Verteilungsannahme der Stichprobenkennzahlen zugrunde. Im Zuge eines Verfahrens gewonnene Aussagen sind nur dann als aussagekräftig anzusehen, wenn die angenommene Verteilung auch tatsächlich vorliegt. Daher ist jeweils sowohl vor Stichprobenziehung als auch im Anschluss an die Auswertung eine Überprüfung der Verfahrensprämissen (vgl. hierzu Bretzke/Hövermann/Löcherbach, BFuP 1972, S. 633ff.; Schöttler (1979), S. 24ff.) vorzunehmen (vgl. Bruse et al., StBp 1988, S. 129 (130)). Vorgenannte Strukturanalyse kann hierzu wertvolle Informationen liefern (vgl. HFA 1/1981, WPg 1990, S. 649 (653)).

Mit Blick auf Grundgesamtheit und Stichprobenumfang ist grundlegend festzuhalten, dass der Stichprobenumfang mindestens dem berechneten Stichprobenumfang entsprechen muss. Die Berechnung des Mindeststichprobenumfangs berücksichtigt die vorgegebene Aussagesicherheit und den max. Stichprobenfehler. Dabei sollte der Umfang der Grundgesamtheit (N) eine wirtschaftliche Durchführung der Stichprobeninventur ermöglichen. Mit wachsendem N erhöht sich der erforderliche Stichprobenumfang (n) tendenziell unterproportional. Ein zu großer Auswahlsatz (n/N) kann dabei sogar die mathematisch-statistischen Verfahren beeinträchtigen. Sofern eine Schichtung vorgenommen wird, um homogene Grundgesamtheiten zu erzeugen, ist der Stichprobenumfang für jede einzelne Schicht nach mathematisch-statistischen Grundsätzen ge...

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