a) Bilanzansatz

aa) Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

 

Rn. 201

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Für in der Entwicklungsphase anfallende HK besteht handelsrechtlich ein Aktivierungswahlrecht (vgl. § 255 Abs. 2a i. V. m. § 248 Abs. 2 Satz 1), für Forschungskosten ein Aktivierungsverbot. Darüber hinaus dürfen selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle VG des AV nicht aktiviert werden (vgl. § 248 Abs. 2 Satz 1). Gewinne aus der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller VG des AV sind nach Maßgabe des § 268 Abs. 8 ausschüttungsgesperrt. Aus dem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht folgt nach den Rspr.-Grundsätzen des GrS im Grundsatz steuerlich eine Aktivierungspflicht (vgl. BFH, Beschluss vom 03.02.1969, GrS 2/68, BStBl. II 1969, S. 291, HdR-E, Kap. 3, Rn. 91). Durch das steuerliche Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG wird diese Rechtsfolge außer Kraft gesetzt; handelsrechtlich wahlweise aktivierbare HK für selbst erstellte immaterielle VG des AV werden steuerlich stets unmittelbar aufwandswirksam. Diese Vorschrift entsprach bis zur Verabschiedung des BilMoG dem handelsrechtlichen Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 (a. F.) und besaß für Steuerpflichtige, die bereits über den Maßgeblichkeitsgrundsatz an § 248 Abs. 2 (a. F.) gebunden waren, lediglich klarstellenden Charakter (vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 21), statuiert seither aber in einer zentralen Bilanzierungsfrage eine explizite Abweichung zwischen HB und StB, wenn das handelsrechtlich eröffnete Aktivierungswahlrecht in Anspruch genommen wird. Die Dauer einer insoweit bestehenden Abweichung erstreckt sich mit Umsetzung des BilRUG für VG, deren ND nicht verlässlich geschätzt werden kann, durch Vorgabe einer zehnjährigen typisierten ND (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 4) vorbehaltlich der Vornahme außerplanmäßiger AfA auf diese Zeitspanne.

 

Rn. 202–203

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

vorläufig frei

bb) Rechnungsabgrenzung unwesentlicher Beträge

 

Rn. 204

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Der Wesentlichkeitsgrundsatz als nicht-kodifizierter GoB (vgl. z. B. Scheffler, in: FS Baetge (2007), S. 505 (519)) gestattet es grds., unbedeutende Einflussgrößen für Bilanzansatz, Bewertung und Ausweis zu vernachlässigen, zu verkürzen oder zu verdichten, soweit zeit- und kostenintensive Arbeiten unverhältnismäßig wären, da die resultierenden Ergebnisse den JA nur gering(st)fügig beeinflussen (vgl. z. B. Bilanz-HB (2015), Rn. D 395; Marx, FR 2011, S. 267 (268)). Die Bildung von RAP dient dazu, Einnahmen/Ausgaben periodengerecht dem Jahr zuzuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind (vgl. BFH, Urteil vom 15.02.2017, VI R 96/13, BStBl. II 2017, S. 884). Der Wesentlichkeitsgrundsatz erlaubt es, in der HB auf die Abgrenzung unwesentlicher Beträge zu verzichten (vgl. z. B. Beck Bil-Komm. (2022), § 250 HGB, Rn. 28; WP-HB (2021), Rn. F 442; a. A. H/H/R (2021), § 4 EStG, Rn. 2181). Nach Auffassung des BFH fehle es im Steuerrecht an einer Rechtsgrundlage für einen wahlweisen Verzicht auf die Bildung von RAP in Fällen geringer Bedeutung (vgl. BFH, Urteil vom 16.03.2021, X R 34/19, BStBl. II 2021, S. 844). Weder sehe der Wortlaut des § 5 Abs. 5 EStG ein Abgrenzungswahlrecht vor, noch lasse sich dem Grundsatz der Wesentlichkeit oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen. Steuerlich bestehe daher ein betragsunabhängiger Abgrenzungszwang auch für Klein(st)beträge (vgl. auch Nöcker, juris-PR-SteuerR 6/2022, Anmerkung (2)). Handelsrechtlich ist dem nicht zu folgen, so dass sich Abweichungen ergeben können; da für steuerliche Zwecke nach Wertung des BFH aber ohnehin zwingend abzugrenzen ist, werden die berechtigten Erleichterungen durch den Wesentlichkeitsgrundsatz im Ergebnis außer Kraft gesetzt.

Der Wesentlichkeitsgrundsatz trägt Verhältnismäßigkeits- und Informationsnutzenerwägungen Rechnung, kollidiert in Ansatzfragen aber insbesondere mit dem Vollständigkeitsgebot, steuerlich darüber hinaus potenziell mit der zutreffenden Leistungsfähigkeitsmessung. Wesentlichkeitsfragen stellen sich auf Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisebene (vgl. Wendt, in: FS Herzig (2010), S. 517 (518ff.)). Im Handelsrecht wirkt der Wesentlichkeitsgrundsatz auf allen Ebenen, wenngleich in abgestufter Intensität: ganz erheblich von Wesentlichkeitsüberlegungen beeinflusst sind Ausweisfragen (bspw. im Kontext von Gliederungserleichterungen, indes auch beim Detailgrad erforderlicher Anhangangaben); nennenswert von Wesentlichkeitsfragen mitbestimmt sind Bewertungsfragen (etwa bei der Bewertungsvereinfachung im Vorratsvermögen oder auch Pauschalwertberichtigungen), nur ausnahmsweise durch Wesentlichkeitsfragen determiniert sind mit dem Vollständigkeitsgrundsatz kollidierende Ansatzfragen (so mitunter bei RAP bei geringfügigen Beträgen).

Die steuerliche Reichweite des Wesentlichkeitsgrundsatzes bleibt aktuell praktisch auf die Bewertungsebene beschränkt. Wesentlichkeitsbestimmte Ausweiserleichterungen in Bilanz und GuV werden durch die hochdifferenzierten Taxonomievorgaben für die E-Bilanz (vgl. § 5b EStG) steuerlich außer...

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