Leitsatz (amtlich)

1. Der an eine Erbengemeinschaft gerichtete Grunderwerbsteuerbescheid muß zur Identifizierung der Gemeinschaft und ihrer Gemeinschafter grundsätzlich den Namen des Erblassers und die Namen der einzelnen Miterben enthalten.

2. Ein solcher Grunderwerbsteuerbescheid bedarf zu seiner Wirksamkeit - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 105 Abs. 3 AO oder einer Vertretungsbefugnis - grundsätzlich der Zustellung (Bekanntgabe) an jeden einzelnen Miterben.

 

Normenkette

Baden-Württembergisches II. GrEStLandG 1964 § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2; GrEStG 1940 § 15; AO § 91 Abs. 1 S. 2, § 97 Abs. 1, § 105 Abs. 3, § 211 Abs. 3; StAnpG § 11 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Witwe des Landwirts X. und deren drei (geschäftsfähige) Kinder erwarben in ungeteilter Erbengemeinschaft im Oktober 1965 landwirtschaftliche Grundstücke. Dafür erhielt der Veräußerer noch auf den Erblasser eingetragenes Ackerland, außerdem ein Stück Ackerland von einer Miterbin, die ausweislich der notariellen Urkunde die Ehefrau eines Sattlers ist. Als Berufe der beiden anderen Miterben sind in der Urkunde Landwirt und Fernmeldehandwerker angegeben. Aufgeld war nicht zu zahlen.

Das FA (Beklagter) gewährte nur teilweise Grunderwerbsteuerbefreiung, da es einen Tausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Baden-Württembergischen Zweiten Gesetzes über Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe - II. GrEStLandG - vom 6. April 1964 (Gesetzblatt S. 199) nur insoweit bejahte, als die Erbengemeinschaft selbst ein Grundstück hingegeben habe. Mit dem an die "Erbengemeinschaft auf Abl. des B. X. z. Hd. D. X. Witwe geb. Z." gerichteten Steuerbescheid forderte das FA eine Grunderwerbsteuer an.

Mit dem Einspruch machte die Klägerin noch Steuerfreiheit gemäß § 1 Abs. 2 des II. GrEStLandG geltend. Zumindest müsse ein Austausch (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des II. GrEStLandG) auch hinsichtlich des Einviertelerbanteils der einen Miterbin angenommen werden.

Einspruch und Klage waren erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision ist begründet.

...

Die Klägerin rügt, daß gegen sie ein - dazu noch unklarer - "einheitlicher" Steuerbescheid nicht hätte ergehen dürfen, da eine Erbengemeinschaft kein Rechtssubjekt sei.

Auch in der Sache wendet sich die Klägerin mit der Revision in erster Linie dagegen, daß das FG unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des RFH und des BFH (vgl. die BFH-Urteile vom 29. Januar 1964 II 174/63 U, BFHE 78, 413, 415, BStBl III 1964, 160; vom 10. Juni 1964 II 30/61 U, BFHE 80, 32, 37, BStBl III 1964, 486 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Urteil vom 27. Juni 1967 II 50/64, BFHE 89, 573) die Erbengemeinschaft als selbständiges Rechtssubjekt behandelt und deshalb die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des II. GrEStLandG - weil auf den Erwerb durch natürliche Personen zugeschnitten - nicht angewandt habe. Die Erbengemeinschaft sei keine juristische Person und werde im Rechtsverkehr auch nicht - wie etwa die Handelsgesellschaften oder der rechtsfähige Verein - einer juristischen Person gleichgestellt. Wenn sogar die eherechtliche allgemeine Gütergemeinschaft, obwohl auf Bestand angelegt und deshalb fester gefügt, grunderwerbsteuerrechtlich nicht als selbständige Rechtspersönlichkeit behandelt werde (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1967 II 49/63, BFHE 88, 388), müsse dies - bei Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 GG - auch für die auf Auseinandersetzung eingerichtete Erbengemeinschaft gelten.

Demgegenüber ist jedoch zu beachten, daß bei der ehelichen Gütergemeinschaft jeder Ehegatte für sich erwirbt und daß erst sein Erwerb kraft Gesetzes (§ 1416 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB) in das Gesamtgut fällt. Auch gibt es bei der Gütergemeinschaft keine variablen Anteile, noch sind solche - wie bei der Erbengemeinschaft - veräußerlich. Bei der Erbengemeinschaft dagegen liegen die Anteile zwar fest, jeder Miterbe kann aber über seinen Anteil am Nachlaß verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB), der selbständiger Gegenstand des Rechtsverkehrs ist. Die Erbengemeinschaft ist auch bürgerlichrechtlich derart verselbständigt, daß selbst bei Gleichheit der Personen und der Beteiligungsverhältnisse zwei Erbengemeinschaften nach verschiedenen Erblassern verschiedene Rechtsträger sind. Die Grundstücksübertragung zwischen solchen Erbengemeinschaften bedarf der Auflassung.

Zwar schreibt das GrEStG nicht ausdrücklich vor, daß die Erbengemeinschaft im Grunderwerbsteuerrecht als selbständiger Rechtsträger zu behandeln ist, wenn auch die Vorschriften der §§ 5 bis 7 GrEStG 1940 grundsätzlich davon ausgehen (vgl. zum steuerfreien Wechsel im Personenstand und zu § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1940 auch BFHE 80, 36 zu II 2). Die grunderwerbsteuerrechtliche Selbständigkeit folgt vielmehr aus den obigen Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts und verbietet deshalb (wie schon mehrfach entschieden; BFHE 78, 415 mit Nachweisen) die Anwendung der Zurechnungsvorschrift des § 11 Nr. 5 StAnpG, abgesehen davon, daß bei Anwendung dieser Vorschrift bei anderen Gesamthandgemeinschaften mit variablen Anteilen jede Änderung der Zurechnungsquote der Grunderwerbsteuer unterliegen müßte.

Ist die Erbengemeinschaft selbständiger Rechtsträger, so ist sie auch selbst Steuerschuldner im Sinne des § 15 GrEStG. An sie als Erbengemeinschaft ist also auch der Steuerbescheid zu richten. Allerdings hat die Erbengemeinschaft als solche keinen Namen und auch keinen gesetzlichen Vertreter. Sie muß daher zur zweifelsfreien Identifizierung der Gemeinschaft und ihrer Gemeinschafter grundsätzlich durch den Namen des Erblassers und vor allem der einzelnen Miterben (Inhaber der einzelnen Erbanteile) charakterisiert werden (vgl. für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts BFH-Urteil vom 17. März 1970 II 65/63, BFHE 99, 96, 98, BStBl II 1970, 598). Ein an die Erbengemeinschaft nach dem zwar namentlich benannten Erblasser, jedoch nur zu Händen eines der Miterben gerichteter und auch nur diesem einen Miterben bekanntgegebener Grunderwerbsteuerbescheid genügt - unbeschadet der hier nicht gegebenen Voraussetzungen und Möglichkeiten des § 105 Abs. 3 AO - diesen Anforderungen nicht, es sei denn, daß die Miterben kraft eigenen Entschlusses einen der Miterben unter Erteilung einer Vollmacht mit ihrer Vertretung beauftragt haben.

Es geht hierbei nicht um die materiellen Fragen, ob es sich bei dem Erwerb des Grundstücks durch die Erbengemeinschaft um ein Rechtsgeschäft aus Anlaß der Erbfolge oder zur Abwicklung des Nachlasses mit dessen Mitteln oder etwa um ein Rechtsgeschäft der Gesamthand als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder als Personengesellschaft des Handelsrechts handelt, ob es sich bei der Steuerschuld also um eine Nachlaßverbindlichkeit (etwa eine "Nachlaß-Erbenschuld"; vgl. Keidel bei Palandt, 31. Aufl., Anmerkungen zu § 1967 BGB) handelt (§ 1967 BGB) und ob die Miteigentümer für die Steuerschuld als Gesamtschuldner einzustehen hätten (§ 2058 BGB; vgl. für bestimmte Haftungsfälle § 113 BGB) oder - entsprechend ihrer Ausgleichspflicht (§ 2055 BGB) im Innenverhältnis - im Verhältnis ihrer Erbteile (Keidel, a. a. O., § 2058 Anm. 4; vgl. auch § 420, § 421, § 427 BGB und Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 113 Anm. 4; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1.-6. Aufl., § 113 Tz. 3). Es handelt sich ferner nicht darum, ob das FA materiell berechtigt war, einen der Miterben als Gesamtschuldner allein in Anspruch zu nehmen (vgl. § 7 Abs. 1, 3 Sätze 1 und 2 StAnpG; vgl. für die besondere Rechtslage bei der Erbschaftsteuer § 15 Abs. 1, 3, 5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) und BFH-Urteil vom 27. März 1968 II 98/62, BFHE 91, 434, 436, BStBl II 1968, 376). In Fällen der vorliegenden Art schuldet der Miterbe die Grunderwerbsteuer nicht selbst - nicht als eigene für seine Person -, so daß der Grunderwerbsteuerbescheid (anders als ein "einheitlicher", einem einzelnen Erben hinsichtlich seiner eigenen Erbschaftsteuerschuld als Einzelbescheid wirksam zugegangener Erbschaftsteuerbescheid: s. BFH-Urteil vom 12. Mai 1970 II 123/63, BFHE 104, 138, BStBl II 1972, 217) auch nicht als gegenüber der miterbenden Witwe und Mutter - mit Wirkung gegen sie allein oder gar gegen die Erbengemeinschaft ergangen - aufrechterhalten werden könnte.

Eine Inanspruchnahme bloß eines Miterben als solchen hat der Beklagte erkennbar auch nicht gewollt. Schon aus diesem Grunde käme eine Art Umdeutung eines unwirksamen Steuerbescheids in einen wirksamen Haftungsbescheid - dessen Zulässigkeit etwa in Anwendung des § 113 AO in Verbindung mit § 7 Abs. 1, 3 Sätze 1 und 2 StAnpG dahingestellt, aber einmal unterstellt - nicht in Betracht, ganz abgesehen davon, daß solche Umdeutungen auch in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich für unzulässig gehalten werden müßten (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1965 II 9/62 U, BFHE 82, 484, BStBl III 1965, 422 für eine KG). Der Beklagte wollte nur die Erbengemeinschaft selbst als selbständigen Rechtsträger in Anspruch nehmen. Das entspricht auch der Rechtslage, da - wie gesagt - allein die Erbengemeinschaft Steuerschuldnerin (§ 97 Abs. 1 AO) geworden ist. Der Steuerbescheid enthält jedoch außer dem Namen des Erblassers nur den Namen und die Anschrift eines der vier Miterben. Es ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, daß die bezeichnete Miterbin dem Beklagten als bevollmächtigte Vertreterin benannt worden oder auch nur stillschweigend als solche gegenüber dem Beklagten aufgetreten wäre (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1970 II 167/64, BFHE 100, 56, 63, BStBl II 1970, 826).

Die unzureichende Bezeichnung des Steuerschuldners ist ein Mangel des Bescheides selbst (BFHE 99, 99), die notwendig und unverzichtbar den ganzen Bescheid erfaßt (BFHE 100, 65; vgl. auch BFH-Urteil vom 24. März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, 534, 536, BStBl II 1970, 501). Dieser Mangel konnte auch durch die Einspruchsentscheidung und das FG-Urteil nicht geheilt werden, die beide nur auf die Erbengemeinschaft - und dies nur unter Angabe des Namens des Erblassers - lauten. Dieser Mangel wäre auch ohne Rüge und ohne Rücksicht auf die Revisionsanträge zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 4. April 1967 II 49/63, BFHE 88, 388; BFHE 100, 65).

Die Unheilbarkeit des Mangels erweist sich auch darin, daß ein Steuerbescheid zu seiner Wirksamkeit der Zustellung (Bekanntgabe) an den davon Betroffenen bedarf (§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 211 Abs. 3 AO), d. h. bei einer Erbengemeinschaft - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 105 Abs. 3 AO oder einer Vertretungsbefugnis - grundsätzlich der Zustellung an jeden einzelnen der Miterben (vgl. BFHE 91, 446). Dem könnte auch mit einem Hinweis auf § 210 Abs. 2 AO - dessen Anwendbarkeit hier dahingestellt, aber unterstellt - nicht begegnet werden; denn selbst in diesem Falle muß der "einheitliche" (richtig: zusammengefaßte) Steuerbescheid, um wirksam zu werden, jedem der Betroffenen zugestellt werden (vgl. Paulick bei Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 6. Aufl., § 210 Tz. 18; Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 210 Anm. 3 (1) und (4) ).

Demgemäß waren der angefochtene Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 FGO) und das ihn bestätigende Urteil des FG aufzuheben (§ 118 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 Satz 1, § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO), ohne daß auf die weiteren Rechtsfragen einzugehen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70364

BStBl II 1973, 372

BFHE 1973, 257

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