Leitsatz (amtlich)

1. Für die sich aus § 14 VOB/B ergebende Abrechnungsverpflichtung ist eine Rückstellung zu bilden, soweit sich die Abrechnungsverpflichtung auf Bauleistungen bezieht, die am Bilanzstichtag bereits abgenommen (§ 641 BGB), aber noch nicht abgerechnet sind.

2. Die Rückstellung für Abrechnungsverpflichtung ist mit den Vollkosten (Einzelkosten und Gemeinkosten) zu bewerten.

 

Orientierungssatz

1. Im Gegensatz zu unvollendeten, nicht abgerechneten Bauvorhaben, die in der Bilanz des Auftragnehmers mit den Herstellungskosten der teilfertigen Bauten anzusetzen sind, sind Forderungen aus Werkverträgen über bereits fertiggestellte und vom Auftraggeber abgenommene Bauvorhaben in voller Höhe, also einschließlich des in der vereinbarten Vergütung enthaltenen Gewinns auszuweisen (BFH, RFH).

2. Die Erfüllung der Verpflichtung zur Erstellung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis durch den leistenden Unternehmer (§ 14 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967) erfordert bei den meisten Geschäften des täglichen Lebens nur einen geringen Aufwand, so daß Rückstellungen in diesen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit nicht erforderlich sind. Ob und in welchen Fällen Rückstellungen gebildet werden müssen, wenn die Erfüllung einer nicht unter § 14 VOB/B fallenden Abrechnungsverpflichtung einen größeren Aufwand erfordert, brauchte der Senat nicht zu entscheiden.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3; AktG § 152 Abs. 7 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; VOB B § 14; BGB § 641; EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; UStG 1967 § 14 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 20.05.1980; Aktenzeichen III 421/78)

 

Tatbestand

I. 1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt den Bau von Heizungs-, Sanitär- und Lüftungsanlagen. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. In seiner Bilanz zum 31.Dezember 1974 weist er einen Betrag von 773 277,59 DM als "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" aus. Diesen Forderungen liegen vom Kläger erbrachte, fertige, von Kunden abgenommene, aber gegenüber dem Kunden noch nicht abgerechnete Bauarbeiten zugrunde. Die noch ausstehenden Abrechnungen dieser Arbeiten mußte der Kläger gemäß § 14 Nr.1 der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in nachprüfbarer Form erteilen. Der Aufwand für diese Abrechnungen, der erst nach dem Bilanzstichtag 31.Dezember 1974 anfiel, betrug unstreitig 30 000 DM.

Eine vom Kläger in Höhe dieses Betrages begehrte Rückstellung lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) auch im Einspruchsverfahren ab. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger den Schwerpunkt seiner Begründung weniger auf die Bildung einer Rückstellung, als vielmehr auf den Ansatz eines um 30 000 DM niedrigeren Teilwerts der ausgewiesenen Forderungen.

2. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 492 veröffentlicht worden ist, hat die Klage abgewiesen, weil eine Gewinnminderung um 30 000 DM weder unter dem Gesichtspunkt einer Teilwertabschreibung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen noch durch den Ansatz einer Rückstellung in Betracht komme.

3. Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

4. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Er hat wie folgt Stellung genommen:

Die nach dem Bilanzstichtag entstehenden Kosten für die Erstellung einer Abrechnung für abgenommene Bauleistungen, auf die der Auftraggeber nach § 14 VOB/B einen Anspruch hat, seien in der Form einer Rückstellung zu berücksichtigen. Für den im Revisionsverfahren streitigen Bauvertrag seien die Grundsätze über die Bilanzierung von schwebenden Geschäften nicht anzuwenden, da der Anspruch auf den vereinbarten Werklohn bereits entstanden sei. Die Bauleistungen seien vor dem Bilanzstichtag abgenommen worden. Der Kläger habe demzufolge am Bilanzstichtag seine Leistungsverpflichtung aus den betreffenden Bauverträgen erfüllt gehabt, so daß er die entsprechenden Vergütungsansprüche aktivieren mußte. Bei der Abrechnungsverpflichtung handele es sich lediglich um eine unwesentliche Nebenverpflichtung, die weder die Aktivierung des Vergütungsanspruchs hindere noch auf seine Höhe Einfluß habe. Insbesondere führe sie nicht zu einem niedrigeren Teilwert der Vergütungsforderung. Es komme jedoch eine Passivierung der Abrechnungsverpflichtung in Betracht. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung seien erfüllt. Es bestehe gegenüber den Bestellern eine Verbindlichkeit zur Abrechnung, die zum Betriebsvermögen des Klägers gehöre. Die Höhe der Verbindlichkeit sei am Bilanzstichtag ungewiß. Die auf die Verbindlichkeit anfallenden künftigen Ausgaben seien wirtschaftlich im Streitjahr verursacht. Der Kläger werde aus der Verbindlichkeit wahrscheinlich in Anspruch genommen und die Grundsätze für die Bilanzierung schwebender Verträge stünden einer Passivierung nicht entgegen. Der BMF vertritt ferner die Ansicht, daß bei der Bemessung der Höhe einer solchen Rückstellung ein Wahlrecht bestehe. Es könnten die Vollkosten oder die variablen Kosten angesetzt werden. Würden in der Handelsbilanz nur die variablen Kosten berücksichtigt, so müsse in der Steuerbilanz entsprechend verfahren werden.

5. Der Senat hat den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) und das Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW) um Stellungnahmen gebeten.

a) Der DIHT hat --um die Auffassung und Übung der Kaufmannschaft zu ermitteln-- eine Umfrage bei den Mitgliedern seines Rechtsausschusses, seines Arbeitskreises Rechnungslegung sowie sämtlichen Industrie- und Handelskammern durchgeführt. Aus der Stellungnahme des DIHT ergibt sich: Von insgesamt 74 verwertbaren Antworten hätten sich nur 8 für eine Teilwertabschreibung der aktivierten Vergütungsansprüche in Höhe der Kosten der noch ausstehenden Abrechnungen ausgesprochen. 23 der befragten Unternehmen hielten eine Rückstellung für geboten, 30 der befragten Unternehmen hielten sie für zulässig. Diese 53 Unternehmen gingen davon aus, daß der Abrechnungsverpflichtung ein eigener Wert zukomme.

b) Das IdW vertritt ebenso wie der BMF die Ansicht, daß die Verpflichtung zur Abrechnung nach § 14 VOB/B eine Nebenleistung zu dem bereits erfüllten Leistungsgeschäft sei, die wegen der Ungewißheit über ihre Höhe als Rückstellung passiviert werden müsse. Mit der Abnahme der Bauleistung habe der Auftragnehmer im wesentlichen seine Leistungsverpflichtung erbracht und demzufolge die vereinbarte Vergütung als Forderung auszuweisen. Die noch ausstehende Abrechnung der Bauleistung stehe der Aktivierung des Vergütungsanspruchs nicht entgegen. Sie habe auch keinen Einfluß auf die Höhe dieses Anspruches. Die Abrechnungsverpflichtung sei eine selbständige, zu passivierende Nebenleistung. Bei der Bewertung der Rückstellung sei zu unterscheiden, welche Aufwendungen durch den laufenden Geschäftsbetrieb und welche durch die Abrechnungspflicht bedingt seien. Unerheblich hingegen sei, ob die Abrechnungspflicht durch Dritte oder eigenes Personal erfüllt werde. Feststellungen bei Mitgliedern des IdW hätten ergeben, daß die Abrechnungsverpflichtung nach § 14 VOB/B Kosten von wenigstens 0,25 v.H. der Auftragssumme verursache. Im Einzelfall könnten diese Kosten erheblich höher sein.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

1. Ein Bauvertrag ist ein Werkvertrag i.S. der §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), bei dem die Verpflichtung des Unternehmers (Auftragnehmers), das versprochene Werk (Bauvorhaben) herzustellen, der Verpflichtung des Bestellers (Auftraggebers) gegenübersteht, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Dabei ist unter Bauvorhaben nicht nur die Herstellung eines Bauwerks im ganzen oder eines Rohbaus, sondern auch die Erbringung von Einzelleistungen, wie z.B. Installation oder Malerarbeiten in einem Bauwerk, zu verstehen.

Im Gegensatz zu unvollendeten, nicht abgerechneten Bauvorhaben, die in der Bilanz des Auftragnehmers mit den Herstellungskosten der teilfertigen Bauten anzusetzen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.November 1974 V R 36/74, BFHE 115, 71, BStBl II 1975, 398), sind Forderungen aus Werkverträgen über bereits fertiggestellte und vom Auftraggeber abgenommene Bauvorhaben in voller Höhe, also einschließlich des in der vereinbarten Vergütung enthaltenen Gewinns auszuweisen (Urteile des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 5.Februar 1930 VI A 113/30, RStBl 1930, 328; vom 18.November 1937 VI 607/37, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1938 II Nr.17, und vom 2.Dezember 1942 VI 347/42, StuW 1943 II Nr.73). Mit der Abnahme (§ 640 BGB) geht die Gefahr auf den Auftraggeber über (§ 644 Abs.1 BGB). Dieser verliert die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§§ 320, 322 BGB) und ist fortan auf Mängelbeseitigungsansprüche angewiesen (§§ 633, 634 BGB). Der Anspruch auf die Vergütung ist, abgesehen von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken, so gut wie sicher (Woerner, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 489, 494) und auch unter dem Gesichtspunkt der kaufmännischen Vorsicht als Vermögensgegenstand anzusehen.

Bei der Bilanzposition "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" in Höhe von 773 277,59 DM handelt es sich um den Ausweis von Forderungen aus einem Werkvertrag über die Erbringung von Einzelleistungen (Heizung-, Sanitär- und Lüftungsanlagen) in Bauwerken, die der Kläger am Bilanzstichtag als Auftragnehmer bereits erbracht hatte und die am Bilanzstichtag vom Kunden bereits abgenommen worden waren. Die Forderungen sind demzufolge grundsätzlich in Höhe der vereinbarten Vergütungen (§ 631 Abs.1 BGB) einschließlich des darin enthaltenen Gewinns auszuweisen.

Einer Aktivierung der für ein Bauvorhaben vereinbarten Vergütung als Forderung nach Abnahme des Bauvorhabens steht nicht entgegen, daß noch unwesentliche Nebenleistungen ausstehen (Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 6.Aufl., S.243). Die Verpflichtung zur Abrechnung nach § 14 VOB/B ist eine unwesentliche Nebenpflicht im vorstehenden Sinn.

2. Die am Bilanzstichtag noch bestehende Abrechnungsverpflichtung führt auch nicht zu einer Minderung des Teilwerts des aktivierten Vergütungsanspruchs unter den Nennwert. Eine solche Handhabung würde gegen den Grundsatz der Einzelbewertung (§ 6 Abs.1 Einleitungssatz EStG, § 39 Abs.1 des Handelsgesetzbuches --HGB--, § 149 Abs.2 des Aktiengesetzes --AktG-- 1965, § 252 Abs.1 Nr.3 HGB i.d.F. des Bilanzrichtlinien-Gesetzes --BiRiLiG--) verstoßen, denn der Vergütungsanspruch ist ein gegenüber der Verpflichtung zur Abrechnung nach § 14 VOB/B selbständiges Wirtschaftsgut.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Vergütungsanspruch bei VOB-Verträgen erst nach der Abrechnungserteilung fällig wird (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 641 Anm.3; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18.Dezember 1980 VII ZR 43/80, BGHZ 79, 180). Denn die Tatsache, daß eine Forderung erst durch die Erfüllung einer Verpflichtung fällig wird, bewirkt nicht, daß Forderung und Verpflichtung zu einem Wirtschaftsgut verschmelzen.

3. Für die sich aus § 14 VOB/B ergebenden Abrechnungsverpflichtungen des Klägers, die am Bilanzstichtag noch nicht erfüllt waren, ist eine Rückstellung zu bilden.

Nach dem für das Streitjahr in § 152 Abs.7 Satz 1 AktG 1965 zum Ausdruck kommenden Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung (heute § 249 Abs.1 Satz 1 HGB i.d.F. des BiRiLiG) müssen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden (BFH-Urteil vom 1.August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44 betreffend Verlustrückstellung).

Entgegen der Auffassung des FG wird durch § 14 VOB/B eine Verpflichtung des Auftragnehmers gegenüber dem Besteller zur Erteilung einer prüfbaren Abrechnung als Nebenverpflichtung aus dem Werkvertrag begründet; denn die Vorschriften der VOB sind einem Typenvertrag oder allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar, die durch ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen Vertragsbestandteil werden (Palandt, a.a.O., 45.Aufl., Einführung vor § 631 Anm.3 c). Der Senat hat nach den vom FG getroffenen Feststellungen keinen Zweifel, daß im Streitfall derartige Vereinbarungen vorliegen.

Die Auffassung des FG, § 14 VOB/B bringe nur zum Ausdruck, was jeder Unternehmer ohnehin tue oder tun müsse, um sein eigenes innerbetriebliches Rechnungs- und Buchführungswesen und damit sein Unternehmen selbst in Ordnung zu halten, ist nicht zutreffend; denn die Abrechnungsverpflichtung des § 14 VOB/B geht über diesen Rahmen hinaus. Das ergibt sich bereits, worauf der DIHT in seiner Stellungnahme hinweist, daraus, daß einer prüfbaren Abrechnung nach § 14 Nr.1 VOB/B eine Vielzahl von Belegen, Abrechnungszeichnungen, Mengenberechnungen und dergleichen beizufügen sind. Hinzu kommt, daß sich der Auftragnehmer bei Nichterfüllung der Abrechnungspflicht schadensersatzpflichtig macht (Ingenstau/Korbion, VOB, 8.Aufl., Anm. zu B § 14 Rdnr.23) und einer Ersatzvornahme durch den Besteller aussetzt (§ 14 Nr.4 VOB/B).

Im übrigen ändert das Eigeninteresse des Auftragnehmers an der Abrechnung nichts daran, daß der Auftragnehmer mit ihrer Erteilung eine einem Dritten gegenüber bestehende Vertragspflicht erfüllt. Das Eigeninteresse des Auftragnehmers an der Abrechnung steht auch nicht derart im Vordergrund, daß der Gesichtspunkt der Vertragserfüllung gegenüber dem Besteller zurücktritt. Das ergibt sich auch aus § 14 Nr.4 VOB/B. Nach dieser Bestimmung wird das Interesse des Bestellers an der Abrechnung so hoch eingestuft, daß ihm das Recht zusteht, bei Nichterteilung der Abrechnung durch den Auftragnehmer selbst eine solche Abrechnung auf Kosten des Auftragnehmers erstellen zu lassen.

Der Senat verkennt nicht, daß auch in anderen Fällen als denen des § 14 VOB/B Pflichten zur Abrechnung gegenüber dem Vertragsgegner bestehen. So ist nach § 14 Abs.1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ein Unternehmer, der Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt auf Verlangen verpflichtet, Rechnungen auszustellen, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden muß. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen, die an die zivilrechtliche Abrechnungsverpflichtung anknüpfen (vgl. BFH-Urteil vom 4.März 1982 V R 107/79, BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309) erfordert jedoch bei den meisten Geschäften des täglichen Lebens nur einen geringen Aufwand, so daß Rückstellungen in diesen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit (vgl. Leffson, a.a.O., S.164 ff.; so bereits BFH-Urteil vom 15.November 1960 I 189/60 U, BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48) nicht erforderlich sind. Ob und in welchen Fällen Rückstellungen gebildet werden müssen, wenn die Erfüllung einer nicht unter § 14 VOB/B fallenden Abrechnungsverpflichtung einen größeren Aufwand erfordert, braucht der Senat --weil für den Streitfall unerheblich-- nicht zu entscheiden.

4. a) Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger bei der Bemessung des Rückstellungsbetrags nicht nur Einzelkosten, sondern auch Gemeinkosten berücksichtigt. Das ist nicht zu beanstanden, denn bei der Bemessung der Höhe der Rückstellung für Abrechnungsverpflichtung sind, weil es sich bei der Abrechnungsverpflichtung um eine nicht in Geld zu erfüllende Schuld handelt (Sachwertschuld), die gesamten Kosten (Einzelkosten + Gemeinkosten = Vollkosten) zu berücksichtigen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 19.Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, 249, BStBl II 1984, 56, und vom 19.Januar 1972 I R 114/65, BFHE 104, 422, 430, BStBl II 1972, 392).

b) Auch der BMF teilt die Auffassung, daß bei der Bemessung der Rückstellung für Abrechnungsverpflichtung die Vollkosten berücksichtigt werden können. Er meint jedoch, der Steuerpflichtige habe ein Wahlrecht, ob er die Vollkosten oder nur die variablen Kosten ansetzen wolle. Dem kann sich der Senat nicht anschließen; denn die gesetzliche Vorschrift, auf der die Bemessung einer Rückstellung beruht, ist § 6 Abs.1 Nr.3 EStG (vgl. BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56, und BFHE 104, 422, BStBl II 1972, 392). Aus § 6 Abs.1 Nr.3 EStG jedoch läßt sich kein Wahlrecht entnehmen. Sollte sich für das Handelsrecht etwas anderes ergeben, wäre dem steuerrechtlich wegen des Vorbehalts der Vorschriften über die Bewertung in § 5 Abs.5 EStG nicht zu folgen.

c) Der Berücksichtigung der Vollkosten bei der Bildung der Rückstellung für Abrechnungsverpflichtungen steht das Urteil des IV. Senats vom 24.November 1983 IV R 22/81 (BFHE 139, 544, BStBl II 1984, 301) nicht entgegen.

Der IV.Senat hat zwar in bezug auf die Bewertung einer Rückstellung für interne Jahresabschluß- und Betriebssteuererklärungskosten unter Hinweis auf Schmidt (Einkommensteuergesetz, 2.Aufl., § 5 Anm.57 "Jahresabschluß") und auf die Finanzverwaltung (Erlaß des Finanzministers Schleswig-Holstein vom 19.November 1982 S 2137-108 VI 310 b, Deutsches Steuerrecht 1983, 2) ausgesprochen, für Gemeinkosten, wie z.B. die anteilige Absetzung für Abnutzung für das Bürogebäude, sei anzunehmen, daß diese nicht durch den Abschluß oder durch das Erstellen der Steuererklärungen veranlaßt seien und daß als Obergrenze für die anzusetzenden internen Kosten der Betrag zu betrachten sei, der für die gleiche Leistung an Dritte zu bezahlen wäre.

Der Senat kann es --weil nicht entscheidungserheblich-- dahingestellt sein lassen, ob er sich hinsichtlich der Rückstellung für Jahresabschluß- und Betriebssteuererklärungskosten dieser Auffassung anschließen könnte. Diese Rechtsprechung ist auf den hier zu entscheidenden Fall der Bewertung einer Rückstellung für Abrechnungsverpflichtung nicht anwendbar. Denn es ist keine Rechtfertigung erkennbar, für die Rückstellungen für Abrechnungsverpflichtungen eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, daß Rückstellungen für die Verpflichtung zur Sachleistung mit den Vollkosten zu bewerten sind (siehe oben unter Nr.4 a), ohne Begrenzung nach oben durch den Marktpreis, gegen die im Schrifttum berechtigte Bedenken geäußert worden sind (Winkler/Hackmann, Betriebs-Berater --BB-- 1985, 1103, 1108; Hartung, BB 1984, 510 und BB 1985, 32). Die Auffassung des IV.Senats --ihre Richtigkeit unterstellt-- bleibt damit auf den Bereich der Rückstellung für Jahresabschluß- und Betriebssteuererklärungskosten beschränkt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61401

BStBl II 1986, 788

BFHE 147, 8

DB 1986, 1901-1902 (ST)

HFR 1986, 573-574 (ST)

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