Leitsatz (amtlich)

Im Jahresabschluß sind Rückstellungen für die gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung dieses Jahresabschlusses zu bilden (Änderung der Rechtsprechung). Das gleiche gilt für die gesetzliche Verpflichtung zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger und zur Erstellung des Geschäftsberichts. Eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Durchführung der Hauptversammlung ist steuerrechtlich nicht zulässig.

 

Normenkette

EStG § 5; AktG § 152 Abs. 7

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bildete in ihrem Jahresabschluß zum 31. Dezember 1973 eine Rückstellung in Höhe von 37 500 DM. Von diesem Betrag entfallen auf Kosten für die Prüfung des Jahresabschlusses 28 700 DM, auf Kosten für die Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger 3 400 DM auf Kosten der Hauptversammlung 1 000 DM und auf Kosten des Geschäftsberichts 4 400 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat in seinem gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) für vorläufig erklärten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1973 die Rückstellung nicht zugelassen. Die unmittelbar zum Finanzgericht

(FG) erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer (wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen) Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), das Urteil des FG aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid dahin abzuändern, daß die Rückstellung zugelassen wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Bei Gewerbetreibenden, die - wie die Klägerin - aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dieser Grundsatz gilt in dem Sinne, daß Aktivwerte, die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung aktivierungsfähig sind, in der Steuerbilanz aktiviert werden müssen und daß Passivposten in der Steuerbilanz nur angesetzt werden dürfen, wenn sie nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung in der Handelsbilanz nicht nur passivierungsfähig, sondern passivierungspflichtig sind (Beschluß des Bundesfinanzhofs, - BFH - vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291).

Die Klägerin war als Aktiengesellschaft nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung verpflichtet, in ihren Jahresabschluß auf den 31. Dezember 1973 eine Rückstellung für die Prüfung des Jahresabschlusses anzusetzen. Dem steht nicht entgegen, daß die Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Art ist (hier: §§ 160, 161 AO, §§ 140, 141 der Abgabenordnung - AO 1977-, § 91, §§ 148 ff. des Aktiengesetzes - AktG -). Dies hat der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 26. Oktober 1977 I R 148/75 und I R 124/76 (BFHE 123, 547 und 551, BStBl II 1978, 97 und 99) dargelegt. Die Verpflichtung ist auch im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 1973 wirtschaftlich verursacht worden. Insoweit verweist der Senat auf das zur Aufstellung des Jahresabschlusses ergangene Urteil des BFH vom 20. März 1980 IV R 89/79 (BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297). Der erkennende Senat hat der Abweichung von seinen gegenteiligen Entscheidungen in BFHE 123, 547 und 551, BStBl II 1978, 97 und 99 zugestimmt. Daran wird festgehalten. Für die Verpflichtung zur Prüfung des Jahresabschlusses kann nichts anderes gelten. Die ursächliche Verknüpfung der Verpflichtung zur Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses mit dem abgelaufenen Jahr ist vor allem daran zu erkennen, daß der Jahresabschluß auch erstellt und geprüft werden muß, wenn eine Aktiengesellschaft mit Ablauf des den Jahresabschluß betreffenden Wirtschaftsjahres zu bestehen aufhört. Dadurch erweist sich die Verpflichtung als vergangenheits-, nicht als zukunftsorientiert.

2. Aus den gleichen Gründen wie die Verpflichtung zur Prüfung des Jahresabschlusses sind auch die Verpflichtungen der Klägerin zur Erstellung des Geschäftsberichts (§ 148 AktG) und zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger (§ 177 Abs. 2 AktG) im Jahre 1973 wirtschaftlich verursacht worden.

Auch die übrigen Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung liegen in diesen Fällen vor. Der BFH hat in BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297 im Anschluß an BFHE 123, 547, 550, BStBl II 1978, 97 für die Anerkennung einer auf einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung beruhenden Rückstellung gefordert, daß an die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so daß sich ein Steuerpflichtiger im Ergebnis einer Erfüllung der Verpflichtung nicht entziehen kann. Dies trifft in den genannten Verpflichtungsfällen zu. Die Verpflichtung des Vorstandes zur Erstellung des Geschäftsberichts kann durch Festsetzung von Zwangsgeld erzwungen werden (§ 407 Abs. 1 i. V. m. § 148 AktG). Werden die Vorschriften über Form und Inhalt der Bekanntmachung des Jahresabschlusses vorsätzlich oder leichtfertig nicht eingehalten, so erfüllt dies die Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit (§ 405 Abs. 1 Nr. 4 AktG).

3. Dagegen ist die Aktiengesellschaft handelsrechtlich nicht verpflichtet, die Kosten für die Durchführung der Hauptversammlung in ihrem Jahresabschluß gewinnmindernd zurückzustellen.

Wirtschaftliche Verursachung setzt voraus, daß der Tatbestand, an den das Gesetz die Verpflichtung knüpft, im wesentlichen verwirklicht ist (BHF-Urteile vom 24. Juni 1969 I R 15/68, BFHE 96, 101, BStBl II 1969, 581; BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297). Der Kernbereich der von der Hauptversammlung wahrzunehmenden Rechte ist in § 119 AktG im einzelnen aufgeführt. Danach beschließt die Hauptversammlung u. a. über die Verwendung des Bilanzgewinns.

Die Hauptversammlung hat danach auch Aufgaben wahrzunehmen, die wirtschaftlich nur dem Jahr ihres Zusammentritts und ihrer Beschlußfassung zuzuordnen sind. Dies gilt vor allem für den nach geschäftspolitischen Erwägungen zu fassenden Beschluß über die Gewinnverwendung (§ 174 AktG), sodann für die Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG), für die Bestellung der (in Zukunft tätig werdenden) Anschlußprüfer (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG), für Satzungsänderungen (§ 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG), für Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung (§ 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG), für die Bestellung von Prüfern zur Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung (§ 119 Abs. 1 Nr. 7 AktG), für die Auflösung der Gesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG) sowie für die Entscheidung über Fragen der Geschäftsführung auf Verlangen des Vorstandes (§ 119 Abs. 2 AktG). Angesichts dieser Vielfalt von Aufgaben, deren einzelne zeitlich unterschiedlich zuzuordnen sind, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Hauptversammlung nur Verpflichtungen erfüllt, für die der Tatbestand im wesentlichen im vorangegangenen Jahr verwirklicht worden ist. Ob die AG handelsrechtlich berechtigt ist, die Kosten für die Hauptversammlung gewinnmindernd zurückzustellen, braucht der erkennende Senat nicht zu entscheiden. Ein handelsrechtliches Wahlrecht konnte nach den dargelegten Grundsätzen die steuerrechtliche Passivierungsfähigkeit nicht begründen.

4. Da das Urteil des FG auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, kann es keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es ist bisher nicht geprüft, ob die Rückstellung der Höhe nach gerechtfertigt ist und welche Auswirkungen sich auf die Bemessung der Steuerschuld (möglicherweise unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung) ergeben. Diese Prüfung wird das FG nachholen müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413410

BStBl II 1981, 62

BFHE 1981, 463

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