Normenkette

KStG a.F. § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; FGO § 126 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH, an der in den Streitjahren 1969 bis 1971 eine schweizerische Gesellschaft mit Mehrheit beteiligt war - betreibt eine Maschinenfabrik. Anläßlich einer Betriebsprüfung hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Gemeinkostenzuschläge bei der Bewertung des Bestands an Halb- und Fertigfabrikaten erhöht. Ferner hatte das FA Preisverbilligungen, die die Klägerin ihrer ausländischen Muttergesellschaft bei Maschinenlieferungen zugestanden hatte, als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt und die Klägerin insofern auch zur Haftung für die nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer herangezogen.

Die von der Klägerin in der Körperschaftsteuersache und in der Kapitalertragsteuersache erhobenen Klagen, die das Finanzgericht (FG) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, hatten im ersten Rechtsgang nur hinsichtlich des Wertansatzes der Halb- und Fertigfabrikate Erfolg.

Gegen diese Entscheidung legten die Klägerin und das FA Revision ein. Die Klägerin wandte sich gegen den Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen und gegen ihre Kapitalertragsteuerhaftung; das FA rügte die Berechnung der Körperschaftsteuer durch das FG. Mit Urteil vom 16. April 1980 I R 75/78 (BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492) wies der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Auf die Revision des FA hob er das Urteil des FG, soweit es die Körperschaftsteuer und die Ergänzungsabgabe 1969 bis 1971 betraf, auf und verwies die Sache insoweit an das FG zurück. Der BFH begründete seine Entscheidung damit, das FG habe aufgrund des Umstandes, daß die Klägerin an ihre ausländische Muttergesellschaft Maschinen zu verbilligtem Preis geliefert habe, zutreffend verdeckte Gewinnausschüttungen an die Muttergesellschaft angenommen. Diese seien dem Einkommen hinzuzurechnen. Die Inanspruchnahme der Klägerin wegen unterlassener Einbehaltung und Abführung der auf die verdeckten Gewinnausschüttungen entfallenden Kapitalertragsteuer sei Rechtens. Die Revision des FA führe deshalb zur Aufhebung der Vorentscheidung hinsichtlich der Körperschaftsteuer, weil anhand der Vorentscheidung nicht nachzuprüfen sei, aufgrund welcher Berechnungen das FG zu der im Tenor des Urteils ausgesprochenen Steuerfestsetzung gelangt sei.

In dem Verfahren vor dem FG (zweiter Rechtsgang) erzielten die Verfahrensbeteiligten Übereinstimmung über die Höhe des zu versteuernden Einkommens. Keine Einigkeit bestand darüber, wie hoch der mit dem ermäßigten Steuersatz von 15 v. H. zu besteuernde Einkommensanteil sei. Die Klägerin führte hierzu aus, aufgrund des im ersten Rechtsgang erlassenen Urteils des BFH habe die Gesellschafterversammlung einen ergänzenden Gewinnfeststellungs- und Gewinnausschüttungsbeschluß gefaßt. Nach einer vor Beginn des ersten Streitjahres eingefügten Klausel in ihre Satzung sei die Klägerin gezwungen gewesen, in Höhe der vom BFH bestätigten verdeckten Gewinnausschüttungen Rückgewähransprüche gegen ihre Muttergesellschaft einzubuchen. Gleichzeitig sei aus diesem Anlaß beschlossen worden, aus den berichtigten Jahresgewinnen weitere Gewinne (offen) auszuschütten.

Die Klägerin hielt für diese nachträglichen Ausschüttungen die Voraussetzungen für den ermäßigten Körperschaftsteuersatz von 15 v. H. für gegeben.

Das FA vertrat die Ansicht, über die verdeckten Gewinnausschüttungen der Klägerin sei durch den BFH im ersten Rechtsgang abschließend entschieden worden. Diese könnten nicht in offene und damit berücksichtigungsfähige Ausschüttungen umgewandelt werden.

Das FG setzte unter Abänderung der Einspruchsentscheidung und der zugrunde liegenden Körperschaftsteuerbescheide die Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe entsprechend dem Begehren des FA neu fest.

Gegen die Entscheidung des FG wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Trotz der Entscheidung des BFH, es lägen verdeckte Gewinnausschüttungen vor, sei sie nicht gehindert gewesen, ihre Handelsbilanzen zu ändern und die sich daraus ergebende Gewinnerhöhung durch Gesellschafterbeschluß auszuschütten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Einkommensteile, die den Ausschüttungen aufgrund des Gesellschafterbeschlusses entsprechen, der erst nach Bekanntgabe des im ersten Rechtsgang erlassenen Urteils des erkennenden Senats gefaßt worden ist, können nicht mit dem ermäßigten Steuersatz von 15 v. H. besteuert werden.

Durch die genannte Entscheidung des Senats steht fest, daß die Klägerin während der Streitjahre Beträge in bestimmter Höhe als Gewinn an ihre Muttergesellschaft in verdeckter Form ausgeschüttet hat (§ 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Hierüber besteht kein Streit.

Die Gesellschafter der Klägerin haben nach Bekanntgabe des im ersten Rechtsgang erlassenen Urteils des BFH den Beschluß gefaßt, unter Bezugnahme auf eine Satzungsklausel im Wege der Änderung der Handelsbilanzen Rückgewähransprüche gegen den Empfänger der verdeckten Gewinnausschüttungen einzubuchen und aus dem erhöhten Bilanzgewinn Beträge in Höhe von etwa 2/3 der verdeckten Gewinnausschüttungen offen auszuschütten. Die Klägerin wollte damit, nachdem durch das Urteil des BFH endgültig feststand, daß verdeckte Gewinnausschüttungen dem Grunde und der Höhe nach vorliegen, die Folgen der Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen dadurch mildern, daß wenigstens Teile der hinzugerechneten Beträge mit dem ermäßigten Körperschaftsteuersatz von 15 v. H. für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen besteuert werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - a. F.). Das ergibt sich aus dem Wortlaut nebst Anlagen des Gesellschafterbeschlusses, auf den das FG Bezug genommen hat.

Diese Ausschüttungen sind aber nicht berücksichtigungsfähig. Was unter berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen zu verstehen ist, ergibt sich aus § 19 Abs. 3 KStG a. F. Es sind die aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre, deren Ergebnisse bei der Veranlagung berücksichtigt sind. In dieser Vorschrift liegt eine Verweisung auf das Handelsrecht. Der Gewinnverteilungsbeschluß muß sich auf den Handelsbilanzgewinn beziehen, der nach den für die betreffende Kapitalgesellschaft geltenden Ermittlungsvorschriften ermittelt worden ist. Der nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelte Gewinn ist vom steuerpflichtigen Einkommen im Sinn des Körperschaftsteuerrechts zu unterscheiden (vgl. zu Vorstehendem BFH-Urteil vom 12. Juli 1972 I R 205/70, BFHE 107, 186, BStBl II 1973, 59).

Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, denen der Gewinnverteilungsbeschluß entsprechen muß, sind in den für die betreffenden Kapitalgesellschaft maßgeblichen Gesetzen und jeweiligen Satzungsvorschriften enthalten. Eine GmbH - diese Rechtsform hat die Klägerin - ist als Handelsgesellschaft zu ordnungsmäßiger kaufmännischer Buchführung und Bilanzierung verpflichtet (§§ 38, 39 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Die Pflicht zur Buchführung und zur Aufstellung der Bilanz trifft nach § 41 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) den Geschäftsführer. Vorschriften über die Bilanzierung sind in § 40 HGB und § 42 GmbHG enthalten. Den Gesellschaftern obliegt es, soweit nichts anderes in der Satzung bestimmt ist, die Jahresbilanz festzustellen und über die Verwendung des Reingewinns zu beschließen (§ 46 Nr. 1 GmbHG). Wie die Beschlußfassung der Gesellschafter vor sich zu gehen hat, ergibt sich aus der Satzung oder in Ermangelung einer diesbezüglichen Satzungsbestimmung aus § 47 GmbHG.

Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung hätten in den Handelsbilanzen der Streitjahre 1969 bis 1971 die Rückgewähransprüche gegen die durch die verdeckten Gewinnausschüttungen begünstigte Gesellschafterin noch nicht aktiviert werden dürfen, auch wenn in der Satzung der Klägerin bestimmt ist, daß verdeckte Gewinnausschüttungen zurückgewährt werden müssen. Demgemäß hätte kein entsprechend höherer Handelsbilanzgewinn ausgewiesen und der den bisherigen Gewinn übersteigende Betrag hätte nicht zu seinem überwiegenden Teil durch Gewinnausschüttungsbeschluß an die Gesellschafter verteilt werden dürfen. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung geben Auskunft darüber, ab welchem Zeitpunkt die einzelnen Vermögensposten in Buchführung und Bilanz anzusetzen sind und ein damit zusammenhängender Gewinn realisiert worden ist. Im Streitfall ist aufgrund der Satzungsklausel zwar mit jeder Maschinenlieferung unter dem marktüblichen Preis ein Anspruch auf Rückgewähr der verdeckten Gewinnausschüttung bürgerlich-rechtlich entstanden. Die bloße formalrechtliche Entstehung des Anspruchs sagt aber nichts darüber aus, ob schon zu diesem Zeitpunkt eine Forderung auf Rückgewähr in der Buchführung und in der Bilanz des jeweiligen Entstehungsjahres als Vermögensgegenstand (bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut) ausgewiesen werden durfte. Für die Frage, ob ein Gegenstand als Wirtschaftsgut in die Bilanz einzustellen und damit aktivierungsfähig ist, ist der Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung maßgebend, und zwar bezogen auf die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden Verhältnisse (subjektive Richtigkeit der Bilanz; BFH-Urteil vom 14. August 1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88; weiterhin BFH-Urteile vom 11. Oktober 1960 I 56/60 U, BFHE 72, 8, BStBl III 1961, 3; vom 18. Juli 1973 I R 11/73, BFHE 110, 226, BStBl II 1973, 860). Soll ein Forderungsrecht aktiviert werden, ist nicht maßgebend, ob die Forderung fällig oder das Recht einklagbar ist, sondern ob am Bilanzstichtag ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegt, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann (BFH-Urteil vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 5 EStG Anm. 54).

Ist aufgrund einer Satzungsklausel infolge verdeckter Gewinnausschüttungen ein Rückgewähranspruch gegen den begünstigten Gesellschafter entstanden, ist dieser Anspruch erst dann als bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut anzusetzen, wenn er hinreichend konkretisiert ist. Der Anspruch entsteht zwar abstrakt oder formalrechtlich mit der Vornahme der verdeckten Gewinnausschüttung - im Streitfall mit der jeweiligen Lieferung einer Maschine an die Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis -. Das genügt aber nicht zur Bejahung der Aktivierungsfähigkeit dieses Anspruchs in der Schlußbilanz des Jahres der - abstrakten - Entstehung des Rückgewähranspruchs. Es bedarf hier weiterer Umstände, die hinzukommen müssen, damit sich dieser Anspruch als wirtschaftlicher Wert manifestiert (vgl. das zur Aktivierung eines Schadensersatzanspruchs ergangene BFH-Urteil vom 11. Oktober 1973 VIII R 1/69, BFHE 110, 532, BStBl II 1974, 90). Hinzukommen muß nämlich die Kenntnis des Anspruchsberechtigten, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgekommen ist, und die Kundgabe seines Willens, die Rückgewähr von dem durch die Vorteilsgewährung begünstigten Gesellschafter zu verlangen. Mit der Feststellung der Jahresbilanz treffen die Gesellschafter in ihrer Zusammenfassung als Gesellschafterversammlung die letzte Entscheidung, ob und ggf. welche Ansprüche gegen die Gesellschafter zu realisieren sind. Die Gesellschafter sind dabei - ebenso wie der Geschäftsführer bei der Aufstellung der Bilanz - an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung gebunden (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Februar 1974 II ZR 76/72, Der Betrieb - DB - 1974, 716; Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl., § 46 Tz. 28). Es besteht die Möglichkeit, daß den Gesellschaftern bei Feststellung der einzelnen Jahresabschlüsse nicht bewußt ist, daß ein Gesellschafter von der Gesellschaft Vorteile erhalten hat, die als verdeckte Gewinnausschüttungen zu werten sind. Es kann aber auch sein, daß die Gesellschafter hoffen, die Vorteilsgewährung an einen Gesellschafter werde von der Finanzverwaltung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt oder nicht als solche erkannt werden. Außerdem kann der durch die Zuwendung begünstigte Gesellschafter bestreiten, einen unangemessenen Vorteil erhalten zu haben und sich weigern, einen gemäß der Satzung zu erbringenden Rückgewähranspruch zu erfüllen. Jeder dieser Umstände kann die Gesellschafter davon abhalten, den Rückgewähranspruch vorerst zu verwirklichen. Wird sogar in Kenntnis der zu verdeckten Gewinnausschüttungen führenden Vorteilszuwendungen davon abgesehen, den in der Satzung vorgesehenen Rückgewähranspruch geltend zu machen, muß davon ausgegangen werden, daß die Gesellschafter diese Satzungsbestimmung nicht ernst nehmen. In allen diesen Fällen hat sich der Ruckgewähranspruch jedenfalls nicht in dem Jahr zu einem aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut konkretisiert, in dem die diesen Anspruch auslösende verdeckte Gewinnausschüttung stattgefunden hat.

Im Streitfall hat die Klägerin durch mehrere Gerichtsinstanzen die Auffassung des FA entschieden bekämpft, die Lieferungen bestimmter Maschinen an ihre Muttergesellschaft zu verbilligten Preisen hätten zu verdeckten Gewinnausschüttungen geführt. Damit ist zum Ausdruck gebracht worden, daß die Gesellschafter der Klägerin bislang - jedenfalls bis zur Bekanntgabe des im ersten Rechtsgang ergangenen Urteils des BFH vom 16. April 1980 - nicht den Willen gehabt haben, die Rückgewähransprüche geltend zu machen. Die seinerzeit nach jedem der Streitjahre vom Geschäftsführer aufgestellten und von der Gesellschafterversammlung festgestellten Abschlußbilanzen haben demnach in diesem Punkt den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung entsprochen und waren insoweit weder objektiv noch subjektiv unrichtig. Ihre nachträgliche Änderung ist willkürlich und damit unbeachtlich. Damit ist für die Klägerin die Möglichkeit entfallen, für jedes der Streitjahre einen um die verdeckten Gewinnausschüttungen erhöhten Handelsbilanzgewinn auszuweisen und diese Gewinnerhöhung nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit zum Gegenstand offener Ausschüttungen zu machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75082

BStBl II 1984, 723

BFHE 1985, 261

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