Leitsatz (amtlich)

Eine mit andauernden Verlusten arbeitende Reitschule mit Pferdeverleih und Pensionspferdehaltung stellt jedenfalls dann keine Liebhaberei im steuerlichen Sinne dar, wenn der Steuerpflichtige aus der Erkenntnis, daß mit dem Betrieb keine Gewinne zu erzielen sind, die Konsequenzen zieht, indem er ihn nach den Anlaufjahren als eigengewerblichen Betrieb einstellt und mangels sofortiger Verkäuflichkeit als verpachteten Betrieb fortführt.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1-2, § 16

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der im ...geschäft tätige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 1964 zwei Grundstücke von 1817 qm und 2580 qm. 1967 eröffnete er auf diesem Gelände eine Reitschule, die er einschließlich eines Pferdeverleihs zum 1. Januar 1969 bei der Gemeinde X als Gewerbebetrieb anmeldete. 1968 errichtete er auf diesem Gelände ein Wohnhaus und einen massiven Pferdestall mit 70 qm Nutzfläche, 1970 einen Aufenthalts- und Gaststättenraum von 49 qm Nutzfläche mit einer Gaststätte für die Reiter. Außerdem diente ein auf dem Gelände befindliches Holzgebäude von 60 qm Nutzfläche als Pferdestall. Neben den genannten Tätigkeiten hielt der Kläger außerdem Pferde in Pension.

Ab Oktober 1967 plante der Kläger die Errichtung einer Reithalle mit Reitbahn auf dem benachbarten städtischen Gelände. Er bemühte sich zunächst um die Bestellung eines Erbbaurechts; die Verhandlungen zerschlugen sich aber im Jahre 1971. Statt dessen erwarb er im Juli 1972 von der Stadt die benachbarten Grundstücke von 5037 qm und 667 qm. In dem Kaufvertrag verpflichtete sich der Kläger, den Grundbesitz nur zur Errichtung und zum Betrieb einer Reithalle zu erwerben, deren Nutzung im Rahmen einer Vereinssatzung jedermann zugänglich sein sollte; die Verkäuferin behielt sich für den Fall der anderweitigen Nutzung ein Rücktrittsrecht vor. Die Baugenehmigung für die Reithalle erging am 31. Oktober 1972. Der Bauauftrag wurde am 18. März 1973 vergeben, die Halle ab 1974 benutzt. Für die Reitschule beschäftigte der Kläger verschiedentlich Reitlehrer.

Wegen der zutage getretenen Unzuträglichkeiten und wegen des geringen Zuspruches durch Kunden entschloß der Kläger sich zum Verkauf bzw. alternativ zur Verpachtung der Anlage. Die ab April 1974 geführten Verkaufsverhandlungen führten nicht zum Erfolg. Die Reitanlage wurde daher ab Mai 1974 verpachtet und nach Ablauf dieses Pachtverhältnisses (im Februar 1976) im März 1976 erneut verpachtet. Nicht mitverpachtet wurden die im Mai 1974 noch vorhandenen sieben Reitpferde und andere im einzelnen nicht bezeichnete Anlagegüter. Sie wurden in der Folgezeit veräußert.

Das Wohnhaus und die Stallungen wurden Anfang 1977 veräußert.

Bei dem Betrieb der Reitschule (mit Nebenbetrieben) fielen zwischen September 1967 und 31. Dezember 1976 folgende Verluste an:

1967 (ab September) 1 794 DM

1968 9 861 DM

1969 26 840 DM

1970 37 253 DM

1971 34 236 DM

1972 41 555 DM

1973 55 924 DM

1974 34 363 DM

1975 28 123 DM

1976 19 286 DM

zusammen 289 235 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (im folgenden das Finanzamt - FA -) folgte dem Ergebnis einer Betriebsprüfung und behandelte die Reitschule als Liebhaberei. Er erkannte deshalb die Verluste der Reitschule ab 1970 nicht an und stellte in gesonderten Bescheiden für die Jahre 1970 bis 1976 die Einkünfte aus dem Betrieb mit 0 DM fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Reitschule sei entgegen der Auffassung des FA nicht als Liebhaberei anzusehen, sie sei vielmehr von Anfang an darauf angelegt gewesen, Gewinne zu erzielen, und diese seien nach den objektiven Gegebenheiten auch erreichbar gewesen. Daß im Verlaufe der Streitjahre keine Gewinne erzielt worden seien, sei auf Anlaufschwierigkeiten zurückzuführen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, die Reitschule des Klägers sei nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Gewerbebetrieb anzusehen. Sie erscheine als selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen worden sei. Die Reitschule erfülle nicht die Voraussetzungen einer Liebhaberei. Dem FA sei zwar einzuräumen, daß Verluste über mehrere Wirtschaftsjahre hinweg um so stärker auf eine Liebhaberei hinwiesen, je länger dieser Zeitraum sei. Indessen könne der zeitlichen Dauer der Verluste nicht allein die entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Sie begründeten nur eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen einer Liebhaberei. Für die Annahme der Liebhaberei sei im Streitfall vielmehr entscheidend, ob objektiv erkennbar sei, daß der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden sei, oder daß er, obwohl er nach diesen Grundsätzen geführt worden sei, auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn habe arbeiten können. Das Gericht habe nicht feststellen können, daß diese Voraussetzungen für die Annahme einer Liebhaberei beim Kläger vorgelegen hätten.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts; es meint, das FG habe den steuerrechtlichen Begriff der Liebhaberei verkannt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen. Er vertritt die Auffassung, die Revisionsrügen des FA seien zu wenig substantiiert und daher als Revisionsbegründung nicht ausreichend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Entgegen der Meinung des Klägers genügt die Revisionsbegründung des FA den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung gemäß § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) inhaltlich an eine Revisionsbegründung zu stellen sind. Denn in ihr setzt sich das FA mit der rechtlichen Würdigung des FG auseinander und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die Vorentscheidung den steuerrechtlichen Begriff der Liebhaberei verkannt und deshalb die Verluste des Klägers zu Unrecht als ausgleichsfähige Verluste aus Gewerbebetrieb anerkannt habe (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. April 1971 VI R 254/70, BFHE 102, 217, BStBl II 1971, 588 ).

2. Nach der Entscheidung des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/84 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 ), die insoweit keine wesentliche Änderung der Rechtsprechung beinhaltet, ist im betrieblichen Bereich unter Liebhaberei im steuerlichen Sinne eine Betätigung zu verstehen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird, oder allgemeiner ausgedrückt, nicht der Erzielung positiver Einkünfte dient, sondern aus persönlichen, nicht wirtschaftlichen Gründen der Lebensführung betrieben wird. Als innere Tatsache kann die fehlende Gewinnerzielungsabsicht nur aus den objektiven Umständen und Verhältnissen festgestellt werden, nicht aus den Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen.

Erster und wichtigster objektiver Umstand in diesem Sinne, der die Frage der Liebhaberei erst aufwirft, ist das Fortführen des Betriebes trotz andauernder Verluste über die betriebsspezifische Anlaufzeit hinaus. Solche andauernden Verluste sind in der Regel ein Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Liebhaberei, weil die Betriebsfortführung trotz eines solchen geschlossenen Verlustzeitraums für die Annahme spricht, daß der Betrieb bei gleichbleibender Form der Betriebsführung nicht darauf angelegt ist, Gewinne zu erzielen. Andauernde Verluste über die Anlaufzeit hinaus sind jedoch allein kein Beweis der Liebhaberei. Es muß in jedem Fall die Feststellung dazukommen, daß der Betrieb aus persönlichen Gründen, z. B. aufgrund einer besonderen Neigung unterhalten wird. Dafür würde der Umstand sprechen, daß der Steuerpflichtige wegen anderer hoher Einkünfte oder aufgrund seines Vermögens finanziell in der Lage ist, die jährlich anfallenden Verluste zu tragen.

Der Beweis, daß ein über Jahre hin mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, der Steuerpflichtige vielmehr aus nicht wirtschaftlichen, persönlichen Gründen diese ständige finanzielle Belastung trägt, kann aber in der Regel dann als erbracht gelten, wenn feststeht, daß der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann.

Diese Grundsätze gelten in der Regel nicht für die Anlaufzeit eines erworbenen Betriebes, vor allem dann nicht, wenn dieser Betrieb neu aufgebaut werden muß. Verluste der Anlaufzeit können nur dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebes eindeutig feststeht, daß er, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts darstellte (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1976 IV R 113/73, BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485 , und vom 6. März 1980 IV R 182/78, BFHE 131, 18, BStBl II 1980, 718 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung des BFH vor allem für landwirtschaftliche Betriebe, für Gestüte und ähnliche Betriebe entwickelt, deren Beibehaltung trotz ständiger hoher Verluste als vom wirtschaftlichen Erfolg unabhängige persönliche Passion einer gehobenen Lebenshaltung erklärbar ist. Aber auch das Betreiben einer an sich dem gewerblichen Bereich zugehörigen Reitschule (mit Nebenbetrieben) trotz langjähriger Verluste ließe sich bei Vorliegen entsprechender Verhältnisse in ähnlicher Weise als Liebhaberei begründen. Das würde aber voraussetzen, daß ein Steuerpflichtiger eine solche Reitschule über die Anlaufzeit hinaus trotz ständiger, nachhaltiger Verluste, ohne ernstliche Aussicht auf Gewinn und ohne grundlegende Umstrukturierung des Betriebes weiterbetreibt, weil er wegen anderer positiver Einkünfte oder aufgrund seines Vermögens in der Lage ist, diese ständigen Verluste zu tragen, und weil ihm die Reitschule aus nicht wirtschaftlichen, persönlichen Gründen diese ständige finanzielle Belastung wert ist.

So verhält es sich jedoch im Falle des Klägers nicht. Wie das FG dargelegt hat, hat der Kläger den Betrieb seiner Reitschule vom September 1967 bis Ende 1973 offenbar mühevoll und unter großen Hemmnissen aufgebaut. Es gelang ihm entgegen begründeter Erwartungen und trotz umfangreicher Werbung und Betriebsverbesserungen nicht, die erforderliche Zahl von Reitern als Kunden dem Betrieb zuzuführen. Die bescheidenen Umsätze hielten daher mit den Kosten nicht Schritt und ließen immer mehr den Erfolg des Unternehmens als fraglich erscheinen, ohne daß objektive Umstände vorgelegen hätten, die den Schluß zugelassen hätten, der Betrieb sei von vornherein nicht in der Lage gewesen, nachhaltige Gewinne zu erzielen.

Die Aufbauphase, die hier die Anlaufzeit darstellt, fand schließlich durch die Inbetriebnahme der vom Kläger erbauten Reithalle Anfang 1974 ihren Abschluß. Die angestrebte Erhöhung der Kundenzahl blieb jedoch auch jetzt aus. Als daher der Kläger zu dem Ergebnis kommen mußte, daß für ihn mit der Reitschule keine Gewinne zu erzielen waren, brach er das Unternehmen ab, d. h. er stellte den eigenen werbenden Betrieb der Reitschule im April 1974 ein. Zunächst versuchte der Kläger, die gesamten Anlagen zu verkaufen. Als dies nicht gelang, verpachtete er notgedrungen die Reithalle mit den zugehörigen Baulichkeiten und Anlagen, aber ohne die eigenen Pferde, die er nach und nach veräußerte.

Diese unbestrittenen Feststellungen des FG widerlegen die Annahme, daß der Kläger die Reitschule nicht in der ernstlichen Absicht aufgebaut hat, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Die festgestellten Tatsachen beweisen das Gegenteil. Der Kläger hat sich nicht anders verhalten, als jeder andere Gewerbetreibende sich verhalten würde, der einen neuen, auf Umsätze mit möglichst vielen Kunden angelegten Betrieb zunächst in bescheidenem Rahmen eröffnet, ihn mit Hilfe weiterer erforderlicher Investitionen entsprechend dem allgemein gewünschten Standard ausbaut, um ihn auf eine breitere gewinnbringende Basis zu stellen, und dann nach fünf Jahren Anlaufphase erkennen muß, daß mit dem Betrieb keine Gewinne zu erzielen sind. Ein solcher Gewerbetreibender stellt den Verlustbetrieb ein, um ihn dann anschließend a) entweder i. S. des § 16 des Einkommensteuergesetzes im ganzen zu veräußern oder durch Veräußerung von Einzelteilen oder ihre Überführung in das Privatvermögen endgültig aufzugeben oder b) durch allmähliche Betriebsabwicklung in absehbarer Zeit endgültig zu liquidieren oder c) im ganzen oder teilweise zu verpachten.

Da die Verkaufsverhandlungen keinen Erfolg hatten, entschied sich der Kläger zunächst für die Verpachtung im ganzen und später - soweit ersichtlich - für die Veräußerung der Wirtschaftsgüter. Daß der Kläger den Pferdebestand nicht mitverpachtet hat, steht der Annahme einer Betriebsverpachtung im ganzen, von der das FG ausgegangen ist, nicht entgegen, da die eigenen Pferde einer solchen Reitschule, wie sie der Kläger betrieben hat, gegenüber den Grundstücken, den Gebäuden und den Reitanlagen keine wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen. Diese Verpachtung des Betriebes im ganzen gilt zwar steuerlich auch als gewerbliche Tätigkeit, wenn sie ohne Betriebsaufgabeerklärung erfolgt. Sie stellt aber keine eigengewerbliche werbende Tätigkeit dar, sondern - zumindest im Streitfall - eine bloße Übergangslösung, die eine andere Beurteilung erfordert.

Da der Kläger demnach aus der Tatsache, daß es ihm in den Anlaufjahren nicht gelungen ist, aus der Verlustzone herauszukommen und eine begründete Aussicht auch Gewinne zu erlangen, durch die Einstellung des eigenen Betriebes der Reitschule die Folgerungen gezogen hat, die von einem am wirtschaftlichen Erfolg seines Betriebes orientierten Gewerbetreibenden erwartet werden können, und auch nicht gesagt werden kann, daß die Reitschule, so wie sie vom Kläger betrieben wurde, nach den objektiven Verhältnissen von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, Gewinne zu erbringen, scheidet schon deshalb die Annahme einer Liebhaberei nicht nur für die Anlaufjahre aus.

Was die Verluste des Klägers nach der Einstellung seines eigenen Betriebes, d. h. während der Weiterführung als Verpachtungsbetrieb betrifft, so sind sie allein eine Folge des Umstandes, daß es dem Kläger zunächst nicht gelungen ist, die Grundstücke mit der Reithalle und den anderen Anlagen zu veräußern, und er sich - zumindest für die nächste Zeit - mit der nicht ertragbringenden Verpachtung des Betriebes begnügen mußte. Mit Liebhaberei hat das schon deshalb nichts zu tun, weil es sich um keine Betriebsfortführung im eigentlichen Sinne handelt. Auch diese Abwicklungsverluste sind daher steuerlich anzuerkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426095

BStBl II 1985, 205

BFHE 1985, 464

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