Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff der verdeckten Einlage (BFH-Urteil vom 19. Februar 1970 I R 24/67, BFHE 98, 254, BStBl II 1970, 442) setzt nicht voraus, daß sich die Kapitalgesellschaft und der Gesellschafter darüber einig sind, daß die Zuwendung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erfolgt.

2. Nachträgliche Preissenkungen, die ein Gesellschafter als Verkäufer der Kapitalgesellschaft als Käuferin gewährt, stellen im allgemeinen verdeckte Einlagen dar.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 1; EStG § 4 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, handelt mit Maschinen. Gesellschafter der Klägerin waren Ende des Streitjahres 1966 zwei Gesellschaften mit Sitz in Frankreich, die P mit 80 v. H. und die S mit 20 v. H. der Anteile. Die Klägerin vertrieb die Erzeugnisse, die die P an sie geliefert hatte. Zum Ausgleich eines sonst entstehenden Verlustes im Streitjahr 1966 erteilte die P der Klägerin Gutschriften in Höhe von insgesamt 1 016 582,10 DM. Die Gutschriften waren in Höhe von 635 162,10 DM als Bonus von 3,75 v. H. des Umsatzes und in Höhe von 381 420 DM als Reprisenhilfe zum Ausgleich für die Inzahlungnahme von Gebrauchtmaschinen bezeichnet. Die Klägerin buchte die Gutschriften als außerordentliche Erträge und verrechnete sie in der Gewinn- und Verlustrechnung mit dem Wareneinsatz.

In der Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr zog die Klägerin die gutgeschriebenen Beträge als verdeckte Einlagen vom Handelsbilanzgewinn ab und versteuerte sie nach eigener Anmeldung als Gesellschafterleistung nach dem KVStG. Die OFD behandelte die Gutschriften als Vermögenseinlage nach § 57 Abs. 1 der Außenwirtschaftsverordnung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) betrachtete dagegen die Gutschriften als steuerpflichtige Einnahmen.

Einspruch und Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid, der auf dieser Auffassung beruhte, blieben ohne Erfolg.

Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1972, 559, veröffentlicht ist, hat im wesentlichen ausgeführt: Die sachliche Berechtigung der Gutschriften als Maßnahme des Leistungsaustausches ergebe sich daraus, daß die Bedingungen, unter denen die P im Streitjahr an die Klägerin geliefert habe, nicht den Absatzverhältnissen entsprochen hätten, denen die Klägerin in ihrem Absatzbereich im Streitjahr ausgesetzt gewesen sei. In einem solchen Fall sei das Verhalten der P als Lieferantin der Klägerin durchaus konsequent. Wenn ein Händler einerseits in seinem Tätigkeitsbereich die Absatzorganisation für einen bestimmten Fabrikanten (Lieferanten) unterhalte und andererseits (nahezu) ausschließlich vom Vertrieb der Produkte seines Lieferanten lebe, entstehe eine so starke Verknüpfung der wirtschaftlichen Interessen, daß es auch im Interesse des Lieferanten liegen könne, die wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich aus ungünstigen Bedingungen im Absatzbereich ergäben, nicht dem Händler allein zu überlassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der gerügt wird:

Mangelnde Sachaufklärung,

Verstoß gegen die Lebenserfahrung,

Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StAnpG (wirtschaftliche Betrachtungsweise),

fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes, daß Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter von vornherein klar und bestimmt sein müssen,

Nichtanwendung des § 11 Nr. 4 KStG über den Abzug von Sanierungsgewinnen.

Die Rüge der mangelnden Sachaufklärung wird wie folgt begründet: Das FG habe aus der Bezeichnung der Gutschriften als Bonus und Reprisenhilfe einen theoretisch möglichen Schluß gezogen, statt nach entsprechender Ermittlung die tatsächliche Feststellung zu treffen, daß die P den Verlust der Klägerin ursprünglich durch eine Kapitalerhöhung habe ausgleichen wollen, daß sie dies aber mit Rücksicht auf die Geschäftsverbindung zu den Teilzahlungsbanken und wegen devisenrechtlicher Hindernisse unterlassen und den Verlust in der äußeren Form von Bonus und Reprisenhilfe ausgeglichen habe, ohne damit den wirtschaftlichen Gehalt dieser Maßnahme zu beeinträchtigen. Das FG hätte ferner bei der notwendigen Sachaufklärung feststellen können, daß die P. der von ihr unabhängigen Firma G, die ebenfalls Produkte der P vertreibe und den gleichen schlechten Absatzbedingungen ausgesetzt sei wie die Klägerin, keine Preisermäßigungen gewährt habe, obwohl die Firma G schlechtere Preiskonditionen gehabt habe als die Klägerin.

Unterstellt den Fall, daß die Voraussetzungen einer verdeckten Einlage nicht erfüllt seien, liege in den Gutschriften ein steuerfreier Sanierungsgewinn.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1966 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Ausführungen des FG zum Begriff der verdeckten Einlage (§ 4 Abs. 1 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG) sind nicht frei von Rechtsfehlern. Das FG hat ferner den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht (§ 76 FGO).

1. Eine verdeckte Einlage setzt voraus, daß ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und daß diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte (Urteil des BFH vom 19. Februar 1970 I R 24/67, BFHE 98, 254, BStBl II 1970, 442). Danach kommt es nicht darauf an, ob sich die Kapitalgesellschaft und der Gesellschafter darüber einig sind, daß die Zuwendung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erfolgt. Auch die Bezeichnung der Zuwendung ist nicht entscheidend. Die Behandlung der Zuwendung im handelsrechtlichen Jahresabschluß der Gesellschaft ist schon deshalb nicht maßgeblich, weil handelsrechtlich im allgemeinen kein Anlaß besteht, die Zuwendung des Gesellschafters an die Gesellschaft im Rahmen eines Leistungsaustausches als verdeckte Einlage einzuordnen. Die steuerrechtliche verdeckte Einlage stellt handelsrechtlich in der Regel einen Ertrag dar, der den Handelsbilanzgewinn der Gesellschaft erhöht.

Zu prüfen bleibt allein, ob die Zuwendung des Gesellschafters an die Gesellschaft im Rahmen des geschäftlichen Handelns eines ordentlichen Kaufmanns liegt. Damit ist zugleich gesagt, daß der Gehalt einer Zuwendung als verdeckte Einlage nicht "eindeutig" bestimmt sein muß, wie das FG annimmt.

2. Das FG hat eine verdeckte Einlage verneint, weil die nachträglichen Preissenkungen, die die P der Klägerin gewährt habe, wegen der schlechten Absatzbedingungen der Klägerin im Streitjahr sachlich berechtigt gewesen seien. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um diesen Schluß zu rechtfertigen. Der Senat bezweifelt, ob es ein Lieferant stets als ein Gebot des eigenen Interesses ansehen darf, schlechte Absatzbedingungen seiner Abnehmer durch eine nachträgliche Herabsetzung seiner Verkaufspreise zu berücksichtigen. Die Frage kann im Einzelfall zu bejahen sein, wenn etwa ohne ein Entgegenkommen des Lieferanten gegenüber dem Abnehmer dieser seine Geschäftsbeziehungen zu dem Lieferanten abzubrechen droht und dies für den Lieferanten einen größeren Schaden bedeutete als nachträgliche Preissenkungen. Aber von solchen Sonderfällen abgesehen, pflegt ein Kaufmann weder als Käufer Nachzahlungen auf vereinbarte Preise zu leisten, selbst wenn diese unter dem Marktpreis lagen (BFH-Urteil vom 18. Februar 1970 I R 12/67, BFHE 98, 538, BStBl II 1970, 526), noch als Verkäufer nachträgliche Preissenkungen vorzunehmen.

Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine Abweichung von diesem Verhalten im Rahmen des Handelns eines ordentlichen Kaufmanns liegt, kann es von Bedeutung sein, wie sich der Gesellschafter unabhängigen Abnehmern gegenüber verhalten hat und welche Gepflogenheiten in dem betreffenden Geschäftszweig herrschen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1967 I 220/64, BFHE 88, 545, BStBl III 1967, 495). Zu Unrecht hat daher das FG darauf verzichtet, zu diesen beiden Fragen Feststellungen zu treffen. Die Tatsache, daß die Klägerin überwiegend vom ausschließlichen Vertrieb der Erzeugnisse der P lebt, reicht für sich allein nicht aus, um nachträgliche Preissenkungen in dem hier vorgenommenen Umfang als Maßnahme des schuldrechtlichen Leistungsaustausches zu rechtfertigen.

3. Das FG wird daher bei der erneuten Verhandlung auch prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen es im Geschäftszweig der Klägerin üblich ist, daß Lieferanten nachträglich Preissenkungen einräumen, um Verluste der Abnehmer aufgrund der schlechten Absatzbedingungen auszugleichen. Das FG wird ferner untersuchen, wie die P andere Abnehmer, mit denen sie nicht gesellschaftsrechtlich verbunden ist, unter sonst gleichen Umständen behandelt hat.

Kommt das FG wiederum zu dem Ergebnis, daß keine verdeckte Einlage vorliege, wird es auf den Sachvortrag der Klägerin zur Frage des Sanierungsgewinns eingehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71191

BStBl II 1975, 123

BFHE 1975, 41

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