Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Anpassung der Betriebsrenten

 

Leitsatz (amtlich)

  • Der Senat hält an seiner Rechtsprechung zur nachholenden Anpassung fest (vgl. BAGE 70, 137, 141 ff. und BAGE 70, 158, 161 = AP Nr. 24 und 25 zu § 16 BetrAVG, jeweils zu II der Gründe; Urteil vom 28. April 1992 – 3 AZR 356/91 – AP Nr. 26 zu § 16 BetrAVG, zu II der Gründe). Die nachholende Anpassung betrifft die Höhe des Versorgungsbedarfs und besagt, daß – bezogen auf einen Anpassungstermin – nicht nur die Teuerung in den letzten drei Jahren, sondern der Kaufkraftverlust seit Rentenbeginn zu berücksichtigen ist.
  • Davon ist eine nachträgliche Anpassung zu unterscheiden. Durch eine nachträgliche Anpassung soll die Betriebsrente bezogen auf einen früheren Anpassungsstichtag unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erhöht werden.

    • Wenn der Versorgungsempfänger die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig hält, muß er dies vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag entsteht ein neuer Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung. Der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung erlischt.
    • Hat der Arbeitgeber bis zum nächsten Anpassungsstichtag die Betriebsrenten weder erhöht noch sich zur Anpassung ausdrücklich geäußert, so hat er damit stillschweigend erklärt, daß er zum zurückliegenden Anpassungsstichtag keine Anpassung vornimmt. Die Erklärung des Versorgungsschuldners, nicht anpassen zu wollen, gilt nach Ablauf von drei Jahren ab Anpassungstermin als abgegeben. Der Versorgungsberechtigte kann die stillschweigend abgelehnte Anpassungs-entscheidung bis zum übernächsten Anpassungstermin rügen.
  • Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ist unter anderem zu berücksichtigen:

    • Beurteilungsgrundlage für die erforderliche Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung gezogen werden können. Nicht vorhersehbare, neue Rahmenbedingungen und sonstige unerwartete, spätere Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bleiben unberücksichtigt (Fortführung des Urteils vom 17. Oktober 1995 – 3 AZR 881/94 – AP Nr. 34 zu § 16 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu II 2b aa der Gründe).
    • Für eine einigermaßen zuverlässige Prognose muß die bisherige Entwicklung über einen längeren, repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden.
    • Der am Anpassungsstichtag absehbare Investitionsbedarf, auch für Rationalisierungen und die Erneuerung von Betriebsmitteln, ist zu berücksichtigen.
    • Scheingewinne bleiben unberücksichtigt.
    • Die Betriebssteuern verringern die verwendungsfähigen Mittel. Bei den Steuern von Einkommen ist zu beachten, daß nach einer Anpassungsentscheidung die Rentenerhöhungen den steuerpflichtigen Gewinn verringern.
    • Eine angemessene Eigenkapitalverzinsung ist in der Regel nötig. Dabei kann grundsätzlich auf die bei festverzinslichen Wertpapieren langfristig erzielbare Verzinsung abgestellt und ein Risikozuschlag eingeräumt werden.
    • Soweit Gesellschafter einer GmbH als Geschäftsführer tätig sind, kann dafür eine angemessene Vergütung ausgesetzt werden. Der Unternehmerlohn darf das bei Fremdgeschäftsführern Übliche nicht überschreiten.
 

Normenkette

BetrAVG § 16; BGB § 315; ZPO § 291

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Urteil vom 14.09.1994; Aktenzeichen 2 Sa 30/94)

ArbG Bremen (Urteil vom 25.11.1993; Aktenzeichen 1 Ca 1153/93)

 

Tenor

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Betriebsrente des Klägers für die Zeit ab 1. Januar 1992 nach § 16 BetrAVG anzupassen ist.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Januar 1976 bis 31. Dezember 1988 als Mitarbeiter im Außendienst beschäftigt. Anschließend trat er in den Ruhestand. Er bezieht seit 1. Januar 1989 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vorgezogenes Altersruhegeld, von der M… Pensionskasse eine Pension und nach Nr. I 3 der Versorgungsregelungen der Beklagten eine monatliche Betriebsrente von 312,89 DM. Diese Rente zahlte die B… & Co.

Die Beklagte war jedenfalls bis zum 31. Dezember 1992 eine hundertprozentige Tochter der B… & Co. (später E… GmbH & Co.). Zwischen diesen beiden Gesellschaften bestand ein Gewinn- und Verlustabführungsvertrag. Persönlich haftende Gesellschafter der B… & Co. und Geschäftsführer der Beklagten waren die Gebrüder C… E… und H… E….

Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse der B… & Co. wiesen in den Jahren 1990 bis 1992 Überschüsse auf, und zwar 1990 3.741.000,00 DM, 1991 7.464.000,00 DM und 1992 3.089.000,00 DM. Nach dem Stand vom 30. Juni 1993 wurden jährlich 628.029,36 DM an die Betriebsrentner gezahlt. Eine Anpassung dieser Leistungen unterblieb bisher. Bei einer Anpassung aller Betriebsrenten entsprechend dem Anstieg der Lebenshaltungskosten seit jeweiligem Rentenbeginn hätten sich die Versorgungszahlungen jährlich um 217.875,00 DM erhöht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage verpflichtet gewesen, die Betriebsrente um 9,93 % zu erhöhen. Dies entspreche der Steigerung der Lebenshaltungskosten für einen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt zwischen 1989 und 1991.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. Januar 1992 eine Betriebsrente von monatlich insgesamt 343,96 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zu keiner Anpassung der Betriebsrente des Klägers verpflichtet gewesen zu sein.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte erreichen, daß die Klage abgewiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 565 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann über die geforderte Anpassung der Betriebsrente nicht abschließend entscheiden. Dazu sind weitere tatsächliche Feststellungen nötig.

I. Nach § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung, ausgehend von den Verhältnissen am Prüfungsstichtag, die Belange der Versorgungsempfänger und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.

1. Den Anpassungsbedarf hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis richtig ermittelt. Es hat angenommen, daß sich der Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufpreisverlust richtet und es dabei auf die Veränderungen des Preisindex ankommt, den das Statistische Bundesamt für die Lebenshaltung eines Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushaltes mit mittlerem Einkommen ermittelt hat (vgl. BAGE 28, 279, 291 = AP Nr. 4 zu § 16 BetrAVG, zu VI 1 der Gründe; BAGE 48, 272, 277 = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu II 2a der Gründe; BAG Urteil vom 17. Oktober 1995 – 3 AZR 881/94 – AP Nr. 34 zu § 16 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu II 2a der Gründe). Ob der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer behauptete Teuerungsrate bestritten oder zugestanden hat, spielt keine Rolle. Der auch in der Fachpresse veröffentlichte Lebenshaltungsindex ist offenkundig im Sinne des § 291 ZPO (vgl. BGH Urteil vom 4. Mai 1990 – V ZR 21/89 – NJW 1990, 2620, 2622, zu III der Gründe; BGH Urteil vom 24. April 1992 – V ZR 52/91 – NJW 1992, 2088, zu II 1 der Gründe). An tatsächliche Feststellungen, die im Widerspruch zu offenkundigen Tatsachen stehen, ist zwar das Revisionsgericht nicht gebunden. Die vom Kläger behauptete Entwicklung der Lebenshaltungskosten ergibt sich aber aus den Berichten des Statistischen Bundesamtes.

2. Die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil reichen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten nicht aus. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ist grundsätzlich auf den Arbeitgeber und nur unter besonderen Umständen auf ein anderes Konzernunternehmen abzustellen. Mit der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers hat sich das Landesarbeitsgericht nicht näher befaßt. Für einen sogenannten Berechnungsdurchgriff reicht der festgestellte Sachverhalt nicht aus.

a) Versorgungsschuldner ist der frühere Arbeitgeber oder sein Rechtsnachfolger. In der Regel darf er die Anpassung der Betriebsrente an die Kaufkraftentwicklung insoweit ablehnen, als dadurch sein Unternehmen übermäßig belastet würde. Eine übermäßige Belastung der Beklagten hätte vorgelegen, wenn sie am 1. Januar 1992 annehmen durfte, es werde ihr mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein, den Teuerungsausgleich künftig aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Sind Einbußen in der Unternehmenssubstanz zu befürchten, steht die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers und der aktiven Arbeitnehmer einer Anpassung entgegen (vgl. BAG Urteil vom 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 – AP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu A der Gründe; BAG Urteil vom 17. Oktober 1995 – 3 AZR 881/94 –, aaO, zu II 2b der Gründe, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Beklagte aus eigener Kraft in der Lage war, einen Teuerungsausgleich zu gewähren.

b) Auf die wirtschaftlichen Verhältnisse eines anderen konzernrechtlich verbundenen Unternehmens kann es ankommen, wenn entweder ein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder die konzernrechtlichen Verflechtungen einen sogenannten Berechnungsdurchgriff rechtfertigen. Diese Voraussetzungen lassen sich dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen.

aa) Durch Erklärungen oder entsprechendes Verhalten des im Konzernverbund herrschenden Unternehmens kann bei den Versorgungsberechtigten ein schutzwürdiges Vertrauen darauf entstehen, das herrschende Unternehmen werde sicherstellen, daß die Versorgungspflichten des beherrschten Unternehmens ebenso erfüllt werden wie die Versorgungsansprüche der eigenen Betriebsrentner (vgl. BAG Urteil vom 14. Dezember 1993 – 3 AZR 519/93 – AP Nr. 29 zu § 16 BetrAVG, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 –, aaO, zu B II 2 der Gründe). Ursprünglich wurden die Versorgungszusagen der Beklagten über eine Pensionskasse abgewickelt. Die B… & Co. hatte “nach Auflösung der Pensionskassen mit Ende des Jahres 1975 die Rentenverpflichtungen übernommen” (Schriftsatz der Beklagten vom 11. April 1994 S. 3). Unter Umständen hat sie lediglich die Aufgaben und Pflichten der Pensionskassen und damit die Abwicklung der Versorgungsverhältnisse übernommen. Sie kann aber auch den Eindruck erweckt haben, daß ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht nur den eigenen Betriebsrentnern, sondern ebenso den Versorgungsberechtigten der beherrschten Unternehmen zugute kommen soll. Aus dem Vorbringen der Parteien ergibt sich nicht, ob ein derartiger Vertrauenstatbestand geschaffen und die Versorgungspflichten entsprechend erweitert wurden. Das Landesarbeitsgericht hat den Parteien insoweit Gelegenheit zur Ergänzung ihres bisherigen Sachvortrags zu geben.

bb) Eine konzernrechtliche Verflechtung führt nur dann bei § 16 BetrAVG zu einem sogenannten Berechnungsdurchgriff, wenn eine verdichtete Konzernverbindung vorliegt und sich außerdem konzerntypische Gefahren verwirklichen (vgl. BAG Urteil vom 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 –, aaO, zu B II 4 der Gründe). Das Berufungsurteil ist vor dieser Entscheidung des Senats ergangen und hat sich deshalb mit den darin aufgezeigten Voraussetzungen noch nicht näher befaßt. Dies hat das Landesarbeitsgericht nachzuholen und dabei folgendes zu beachten:

(1) Entscheidend sind die Verhältnisse im Konzern am Anpassungsstichtag. Spätere Änderungen sind nur dann von Bedeutung, wenn der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag bereits gekündigt war oder die Auflösung der Konzernverbindung greifbare Formen angenommen hatte. Am Anpassungsstichtag muß mit hinreichender Sicherheit feststehen, daß innerhalb der nächsten drei Jahre eine konzernrechtliche Refinanzierung der Anpassungslasten entfallen wird. Soweit die bisherige konzernrechtliche Verbindung und Refinanzierung durch eine andere, annähernd gleichwertige ersetzt werden soll, ändert sich für die Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG nichts.

(2) Ein Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsvertrag führt zwar zu einer verdichteten Konzernverbindung. Dies allein reicht aber für den sogenannten Berechnungsdurchgriff nicht aus. Der Arbeitnehmer soll durch das Konzernarbeitsrecht nicht besser gestellt werden, als er ohne die Konzernabhängigkeit seines Arbeitgebers stünde. Das herrschende Unternehmen muß deshalb die Leitungsmacht in einer Weise ausgeübt haben, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen die Interessen anderer dem Konzern angehörender Unternehmen oder sein eigenes Interesse in den Vordergrund gestellt hat. Ist dadurch die mangelnde Leistungsfähigkeit des beherrschten Unternehmens verursacht worden, so ist die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens in die Anpassungsprüfung mit einzubeziehen (vgl. BAG Urteil vom 4. Oktober 1994 – 3 AZR 910/93 –, aaO, zu B II 4b der Gründe). Diese Voraussetzung ist in den Vorinstanzen noch nicht geprüft worden. Zur Darlegungs- und Beweislast wird auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom 4. Oktober 1994 (– 3 AZR 910/93 –, aaO, zu B II 4b (5) der Gründe) hingewiesen.

II. Wenn feststeht, auf welches Unternehmen abzustellen ist, hat das Landesarbeitsgericht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Anpassungsstichtags die voraussichtliche wirtschaftliche Entwicklung zu ermitteln. Dabei ist folgendes zu beachten:

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auf die Gesamtbelastung durch alle zur Prüfung anstehenden Versorgungsleistungen abgestellt. Dabei ist zwischen sog. nachholenden Anpassungen und nachträglichen Anpassungen zu unterscheiden, denen frühere Anpassungsstichtage zugrunde liegen.

a) Die sog. nachholende Anpassung betrifft die Höhe des Anpassungsbedarfs. Aus dem Zweck des § 16 BetrAVG folgt, daß nicht nur die Teuerung in den letzten drei Jahren, sondern der Kaufkraftverlust seit Rentenbeginn zu berücksichtigen ist (vgl. BAGE 70, 137, 141 ff. = AP Nr. 24 zu § 16 BetrAVG, zu II der Gründe; BAGE 70, 158, 161 = AP Nr. 25 zu § 16 BetrAVG, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 28. April 1992 – 3 AZR 356/91 – AP Nr. 26 zu § 16 BetrAVG, zu II der Gründe). An dieser mit Urteil vom 17. Oktober 1995 (– 3 AZR 881/94 –, aaO, zu II 2a der Gründe) bestätigten Rechtsprechung hält der Senat fest. Hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit keinen vollen Geldwertausgleich gewährt, so kann der zwischenzeitlich eingetretene Anpassungsstau den Arbeitgeber überfordern. Im Rahmen einer sog. nachholenden Anpassung ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers besonders sorgfältig zu prüfen.

aa) Ist dem Arbeitgeber keine volle nachholende Anpassung, sondern nur eine beschränkte Anpassung zumutbar, so kommen, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, verschiedene Möglichkeiten für eine Teilanpassung in Betracht. Der Arbeitgeber kann den Anpassungsbedarf jedes Betriebsrentners anteilsmäßig mit einer einheitlichen Quote befriedigen, zuerst die länger zurückliegenden Versorgungslücken schließen oder zunächst den aktuellen Anpassungsbedarf der letzten drei Jahre erfüllen. Hierüber entscheidet der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 553).

bb) Trifft der Arbeitgeber keine derartige Entscheidung, sondern lehnt er – wie im vorliegenden Fall – eine Anpassung ab, so hat das Gericht die Art und Weise der Teilanpassung festzulegen. Da die gerichtliche Entscheidung nur zwischen den Parteien in Rechtskraft erwächst, die Verteilung des Anpassungsvolumens jedoch fallübergreifende Bedeutung hat, ist es notwendig, insoweit einheitliche, praktikable Verteilungskriterien vorzugeben.

Fehlt eine abweichende, billigenswerte Entscheidung des Arbeitgebers, so ist zunächst der in den letzten drei Jahren entstandene Anpassungsbedarf abzudecken. Der dann noch zur Verfügung stehende Betrag ist für eine anteilsmäßige nachholende Anpassung zu verwenden. Diese Lösung führt zu einer gleichmäßigen Befriedigung der Betriebsrentner und trägt sowohl den Belangen aller Versorgungsberechtigten als auch der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers Rechnung. § 16 BetrAVG ermächtigt die Gerichte nicht, eigenständig eine fallübergreifende Anpassungsrangfolge aufzustellen, die bestimmten Arbeitnehmern zugunsten anderer Arbeitnehmer eine Anpassung versagt. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die Gerichte durch eine derartige Ordnungsaufgabe auch überfordert wären.

b) Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners kann es auch darauf ankommen, ob und in welchem Umfang er zu einer nachträglichen Anpassung von Versorgungsleistungen verpflichtet ist. Tatsächlich entsteht eine Belastung aus der Verpflichtung zu nachträglicher Anpassung nur in Ausnahmefällen.

Bei einer nachträglichen Anpassung soll die Betriebsrente bezogen auf einen früheren Anpassungsstichtag unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erhöht werden. Der Anspruch auf eine derartige Anpassungsprüfung und -entscheidung ist vom Anspruch auf die einzelnen erhöhten Ruhegeldraten zu unterscheiden. Der Anspruch auf Prüfung und Entscheidung über eine Anpassung erlischt in der Regel nach Ablauf der Frist, für die die Anpassung verlangt werden kann, also nach drei Jahren ab Anpassungsstichtag. Die nach § 16 BetrAVG alle drei Jahre zu treffende Anpassungsentscheidung hat eine Befriedungsfunktion und streitbeendenden Charakter. Wenn der Versorgungsempfänger die Entscheidung des Arbeitgebers für unrichtig hält, muß er dies vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag entsteht ein neuer Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung. Der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung erlischt.

aa) § 16 BetrAVG will nach seinem Schutzzweck einerseits eine Entwertung der Betriebsrente durch Kaufkraftverluste möglichst verhindern, andererseits die Gesamtbelastung aus bereits bestehenden Versorgungspflichten berechenbar gestalten und eine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ermöglichen. Die streitbeendende Wirkung einer früheren, nicht gerügten Anpassungsentscheidung verhindert, daß die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers im nachhinein aus der Sicht weit zurückliegender Anpassungsstichtage zu beurteilen ist, sich unter Umständen die Versorgungspflichten nachträglich erhöhen, dadurch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers eintritt und den anstehenden Anpassungen ganz oder teilweise die Grundlage entzogen wird. Im Interesse der Rechtssicherheit müssen deshalb Betriebsrentner ihre Ansprüche auf Korrektur der Anpassungsentscheidung rechtzeitig geltend machen. Die Interessen dieser Betriebsrentner, die frühere Anpassungsentscheidungen nicht beanstandet haben, werden durch die Verpflichtung des Versorgungsschuldners zur nachholenden Anpassung ausreichend berücksichtigt. Der, aus welchen Gründen auch immer, ungedeckte Anpassungsbedarf aus früheren Anpassungsperioden kann zu einer nachholenden Anpassung führen, muß jedoch nicht mehr vorrangig befriedigt werden.

bb) Etwas anderes gilt, wenn der Versorgungsschuldner keine ausdrückliche Anpassungsentscheidung getroffen hat. Das Schweigen des Versorgungsschuldners enthält die Erklärung, nicht anpassen zu wollen. Hat sich der Versorgungsschuldner bis zum nächsten Anpassungsstichtag nicht geäußert und die Betriebsrenten nicht erhöht, so hat er damit stillschweigend erklärt, daß er zum zurückliegenden Anpassungsstichtag keine Anpassung vornehmen will. Dem steht nicht entgegen, daß § 16 BetrAVG nicht auf § 315 Abs. 3 BGB verweist, der eine Erklärung gegenüber dem Vertragspartner fordert. Eine derartige Verweisung wurde für entbehrlich erachtet (BT-Drucks. 7/2843, S. 34 und Sitzungsberichte des Bundestags, 7. Wahlperiode, 134. Sitzung, S. 9064 ff.). Die Anpassungsentscheidung ist zwar eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB und bedarf einer Willenserklärung. An das Vorliegen einer derartigen Willenserklärung sind aber geringe Anforderungen zu stellen.

Die Erklärung, nicht anpassen zu wollen, gilt nach Ablauf von drei Jahren als abgegeben. Von diesem Zeitpunkt an beginnt im Fall des Verschweigens die Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf eine Anpassungsentscheidung geltend machen muß. Bei pflichtwidriger Unterlassung der Anpassungsentscheidung kann deshalb der Arbeitnehmer die nachträgliche Entscheidung bis zum übernächsten Anpassungstermin rügen.

cc) Eine nachträgliche Anpassung setzt voraus, daß sie den Arbeitgeber nach seiner damaligen wirtschaftlichen Lage nicht überforderte. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte behauptet, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse weder am 1. Januar 1992 noch in den zurückliegenden Zeiten eine Anpassung ermöglicht hätten.

2. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit weist der Senat vor allem auf folgende Gesichtspunkte hin:

a) Beurteilungsgrundlage für die langfristig zu erstellende Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung des Unternehmens gezogen werden können (vgl. BAGE 48, 272, 281 = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu II 3c (1) der Gründe). Die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag kann eine frühere Prognose bestätigen oder entkräften. Nur insoweit sind die wirtschaftlichen Daten bis zur letzten Tatsachenverhandlung zu berücksichtigen. Vor allem nicht vorhersehbare, neue Rahmenbedingungen spielen keine Rolle. Die Anpassungspflicht entfällt nicht durch spätere, unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens. Derartige Veränderungen wirken sich erst auf die nächste Anpassungsprüfung aus oder können ausnahmsweise zu einem Widerruf der Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage berechtigen. Durch pflichtwidrige Verzögerung der gebotenen Anpassungsentscheidung kann sich der Arbeitgeber keinen Rechtsvorteil verschaffen (vgl. BAG Urteil vom 17. Oktober 1995 – 3 AZR 881/94 – AP Nr. 34 zu § 16 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu II 2b aa der Gründe).

b) Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse wie Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Geschäftsberichte bilden einen geeigneten Einstieg zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Eine einigermaßen zuverlässige Prognose setzt jedoch voraus, daß die bisherige Entwicklung über mehrere Jahre hinweg ausgewertet wird (vgl. BAGE 48, 272, 283 = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu III 2 der Gründe). Ein Zeitraum unter drei Jahren ist in der Regel nicht repräsentativ. Zumindest die Daten des Jahres 1989 sind einzubeziehen.

c) Der Senat hat stets betont, daß die Anpassung eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens nicht verhindern und Arbeitsplätze nicht in Gefahr bringen darf (vgl. u.a. BAGE 29, 294, 316 = AP Nr. 5 zu § 16 BetrAVG, zu B III der Gründe; BAGE 48, 272, 278 f. = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu II 3a der Gründe). Dementsprechend ist der am Anpassungsstichtag absehbare Investitionsbedarf zu berücksichtigen. Auch Erneuerungs- und Rationalisierungsinvestitionen sichern die Wettbewerbsfähigkeit und damit letztlich Arbeitsplätze.

d) Die steuerliche Abschreibung verbrauchter Güter zu den historischen Werten kann dazu führen, daß die Bilanzen Scheingewinne ausweisen. Da die Substanz des Unternehmens zu erhalten ist, stehen Scheingewinne für eine Anpassung nicht zur Verfügung (vgl. BAGE 48, 284, 293 = AP Nr. 16 zu § 16 BetrAVG, zu III 3 der Gründe).

e) Die Betriebssteuern sind Aufwendungen des Unternehmens und schmälern die verwendungsfähigen Mittel. Die nicht mehr abzugsfähige Vermögenssteuer knüpft an die Vermögenssubstanz an und ist uneingeschränkt zu berücksichtigen. Bei den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag ist zu beachten, daß nach einer Anpassungsentscheidung die Rentenerhöhungen den steuerpflichtigen Gewinn verringern.

f) Da sich auf lange Sicht nur ein Unternehmen, das Gewinne abwirft, im Wettbewerb behaupten kann, ist eine angemessene Eigenkapitalverzinsung in der Regel notwendig (vgl. BAGE 48, 272, 283 f. = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu III 2 der Gründe; BAGE 61, 94, 98 f. = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG, zu II 2b der Gründe). Einen brauchbaren Anhaltspunkt für einen billigenswerten Zinssatz liefert die bei festverzinslichen Wertpapieren langfristig erzielbare Verzinsung. Ein Zuschlag für das höhere Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist, erscheint angemessen (vgl. u.a. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, Stand: Dezember 1995, 1. Teil Rz 714c; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., Rz 3580).

g) Soweit Gesellschafter einer GmbH als Geschäftsführer tätig sind, kann für diese Tätigkeit eine angemessene Vergütung angesetzt werden. Unter anderem ist zu berücksichtigen, ob sie in demselben Umfang tätig sind wie Fremdgeschäftsführer und ob auch die Zahl der Eigengeschäftsführer dem bei Fremdgeschäftsführern Üblichen entspricht.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Dr. Reinfeld, G. Hauschild

 

Fundstellen

Haufe-Index 872469

BAGE, 1

BB 1996, 2573

NZA 1997, 155

ZIP 1996, 2085

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