Entscheidungen der ESMA: neuer Auszug veröffentlicht

Die Europäische Wertpapieraufsicht (ESMA) hat ihren 25. Satz an (Durchsetzungs-)Entscheidungen (ESMA Extracts) europäischer Enforcement-Stellen aus der vertraulichen Datenbank veröffentlicht. Wir geben einen Überblick und beschreiben 2 der Entscheidungen eingehend.

Eine zentrale Aufgabe der ESMA als unabhängige EU-Behörde ist die (Weiter-)Entwicklung der Rahmenbedingungen der Kapitalmärkte innerhalb der EU. Die nationalen Enforcement-Einrichtungen, deren Aufgabe unter der Aufsicht der Finanzberichterstattung liegt, finden sich auf EU-Ebene in den sog. European Enforcers’ Coordination Sessions (EECS) zusammen. Dieses Gremium soll im Sinne einer Prävention eine einheitliche Anwendung der IFRS in Europa gewährleisten.

ESMA Extracts (noch) ohne deutsche Enforcement-Fälle

Hierzu sollen die Veröffentlichungen von auf nationaler Ebene festgestellten Enforcement-Entscheidungen beitragen. Dadurch soll es nach IFRS bilanzierenden Unternehmen, aber auch Abschlussprüfern, ermöglicht werden, Einblicke in die Entscheidungsfindung der Enforcement-Einrichtungen zu erhalten. Eine Zusammenfassung aller bisherigen veröffentlichten Enforcement-Entscheidungen ist ebenfalls auf der Homepage der ESMA zu finden. Es finden sich jedoch wegen der aktuellen Vorgaben von §109 Abs. 2 WpHG (nur Darstellung wesentlicher Teile der Begründung) noch keine deutschen, d.h. der DPR/BaFin unterliegenden Fälle in der Auflistung wieder.

Eine Änderung ergibt sich allerdings durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG). Mit dem FISG werden Anmerkungen der ESMA aus dem Peer Review zu den ESMA-Leitlinien zur Überwachung von Finanzinformationen aufgegriffen und die Konformität Deutschlands mit den ESMA-Leitlinien angestrebt. Dazu dient u.a. auch das Teilen anonymisierter Entscheidungen und Veröffentlichungen mit den zuständigen Stellen in der EU (§ 111 Abs. 2 WpHG), d.h. künftig werden auch deutsche Enforcement-Entscheidungen den Weg in den europäischen Katalog finden.

10 neue Veröffentlichungen – auch IFRS 16 dabei

Aus der vertraulichen Datenbank hat die ESMA am 15.07.2021 einen neuen Auszug ( Nummer 25) zu insgesamt 10 Durchsetzungs-entscheidungen europäischer Enforcement-Stellen veröffentlicht. Davon betrafen vier Fälle IFRS 9/IFRS 7, zwei IFRS 16 und der Rest IAS 1/IFRS 7 bzw. IAS 1/IAS 34. Enthalten sind Entscheidungen von November 2019 bis Juli 2020, hierbei u.a.:

IFRS 9 – Bemessung erwarteter Kreditverluste (expected credit losses, ECL):

Obwohl der Betrag der Forderung aus Lieferungen und Leistungen und die Verzugszinsen zwischen 8 und 18 Monaten überfällig waren, erwartete der Emittent eine vollständige Rückzahlung innerhalb von sechs Monaten nach dem Bilanzstichtag und unterlies eine ECL-Bewertung. Weiterhin sei es nur ein Schuldner, der gleichzeitig auch ein Gläubiger ist. Der Enforcer widersprach diesem Vorgehen wg. IFRS 9.5.5.17, wonach bei der Bewertung des ECL auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen das Risiko oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kreditverlust eintritt, zwingend zu berücksichtigt ist. Überdies bestanden im konkreten Fall auch keine Aufrechnungsvereinbarungen.

IFRS 16 – Erfassung eines lease bei erstmaliger Anwendung von IFRS 16:

Der Emittent hat mehrere Projekte zur Entwicklung, zum Bau und zum Betrieb von Windparks. Zu diesem Zweck wurden die Grundstücke 30 Jahre verpachtet, auf denen sich die Windparks befinden. Die Pachtverträge enthalten allgemeine Merkmale des Grundstücks, teils Informationen über den Installations-Standort. Der Emittent war der Ansicht, dass das Vorhandensein von Klauseln, die es dem Grundstückseigentümer erlauben, Teile des Grundstücks für andere Aktivitäten wie Landwirtschaft oder Viehzucht zu nutzen, seine Fähigkeit, (i) den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Grundstück zu ziehen und (ii) den Vermögenswert zu kontrollieren, erheblich einschränkt und erfasste kein lease bei der Erstanwendung von IFRS 16.
In Anwendung der Regelungen von IFRS 16.B9 und .B13 hatte der Enforcer jedoch eine andere Auffassung. Einerseits gäbe es nach Ansicht des Enforcers einen identifizierten Teil eines Vermögenswerts, der physisch eindeutig ist und aus dem Teil des Grundstücks besteht, der ausschließlich von der Windturbine eingenommen wird (einschließlich des Luftraums, der von den Flügeln eingenommen wird). Auch bestimme das Unternehmen (der Leasingnehmer) den genauen Standort der Windkraftanlagen. Die Einschränkungen der anderweitigen Verwendung erlauben dem Grundeigentümer (dem Verpächter) zwar andere Tätigkeiten auszuüben, diese betrifft jedoch nicht den Teil des Grundstücks, der von den Windkraftanlagen belegt ist und somit der Kontrolle des Pächters unterliegt. Schließlich kontrolliert auch der Emittent alle wichtigen Entscheidungen in Bezug auf die Nutzung des Vermögenswerts während der Vertragslaufzeit, wie z.B. die Festlegung des genauen Standorts der Windkraftanlagen und der tägliche Betrieb der Windkraftanlagen im konkreten Sachverhalt.

Die ESMA hat außerdem den Überblick über alle bisherigen veröffentlichten Durchsetzungsentscheidungen aktualisiert.

Praxistipp: individuelle Anwendungsfälle überprüfen

Die neuesten Veröffentlichungen zu Durchsetzungsentscheidungen geben Aufschluss über die Anforderungen der europäischen Enforcement-Aufsicht ESMA. Unternehmen sind angehalten, diese auf ihre individuellen Anwendungsfälle hin zu überprüfen.

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