Rz. 19

Im Folgenden wird angenommen, dass die Zuwendung für einen abnutzbaren Vermögensgegenstand des Anlagevermögens gewährt wird, da es nur unter dieser Prämisse zu einer sukzessiven Realisierung der Zuwendung durch Ansatz der gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten kommen kann.[1] Demgegenüber wird bei nicht abnutzbaren Anlagegütern die Zuwendung regelmäßig erst bei Veräußerung des Vermögensgegenstands oder Liquidation des Unternehmens – dann jedoch vollständig – erfolgswirksam vereinnahmt.[2]

 

Rz. 20

Die Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die empfangene Zuwendung basiert im Wesentlichen auf zwei Interpretationen: Einerseits wird diese Vorgehensweise damit begründet, dass zwischen der Investition und der Zuwendung, bspw. durch eine Nutzungsberechtigung des Zuwendungsgebers an dem Investitionsgut, eine so enge Beziehung bestehen kann, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung zumindest teilweise eine Investition des Zuwendungsgebers vorliegt. Die Zuwendung ist beim Zuwendungsnehmer unter diesen Umständen folglich als "durchlaufender Posten" zu interpretieren, der nicht erfasst werden muss, da er das Unternehmen lediglich als Durchlaufstation passiert. Aus der Perspektive des Zuwendungsempfängers bestimmen sich die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des bezuschussten Vermögensgegenstands demzufolge nur nach dem von ihm unmittelbar aufzubringenden Betrag.[3] Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Wirkungsweise öffentlicher Zuwendungen ist eine Interpretation als durchlaufender Posten jedoch nicht zutreffend, da das hierfür notwendige Eigeninteresse des Zuwendungsgebers nicht mehr im Vordergrund steht. Uhlig gelangt folglich zu Recht zu dem Schluss, dass der Spielraum für die Auslegung der Zuwendung als durchlaufender Posten zu groß und nicht überschneidungsfrei ist, weshalb sich daraus keine generelle Kürzung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten ableiten lässt.[4]

 

Rz. 21

Die andere Sichtweise versteht den Anschaffungskostenabzug als Anschaffungspreisminderung i. S. d. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB, da die Zuwendungen im Rahmen der Investitionsentscheidung des Unternehmens die selbst aufzubringenden Zahlungen vermindern. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB umfasst nach dieser Auffassung auch Erstattungen von Anschaffungsausgaben durch Dritte – den Zuwendungsgeber – als Anschaffungspreisminderungen.[5] Hiergegen ist jedoch einzuwenden, dass Zuwendungen aus Sicht des Empfängers Finanzierungsmittel darstellen.[6] Die Determinierung des Umfangs der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten erfolgt aber unabhängig von den Finanzierungsquellen durch den Beschaffungsmarkt,[7] d. h., die Höhe der Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens aus der Anschaffung eines Vermögensgegenstands gegenüber dem Verkäufer wird durch die Gewährung einer Zuwendung nicht berührt.[8] Außerdem wird darauf hingewiesen, dass durch die Minderung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Einblick in die Vermögens- und Ertragslage beeinträchtigt wird, weil sowohl die bezuschussten Anlagenzugänge als auch der zukünftige Abschreibungsaufwand verkürzt ausgewiesen werden.[9]

 

Rz. 22

In Zusammenfassung vorstehend aufgeführter Argumente kann somit konstatiert werden, dass im handelsrechtlichen Jahresabschluss die Kürzung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines bezuschussten Anlageguts um die erhaltenen Zuwendungen als nicht sachgerecht zu erachten und folglich zu verwerfen ist.

[1] Vgl. Ewertowski, BB 1984, S. 1015 (1019).
[2] Sofern der nicht abnutzbare Vermögensgegenstand jedoch infolge eines dauerhaft unter den Buchwert gesunkenen beizulegenden Werts außerplanmäßig abzuschreiben ist, hat im Ausnahmefall auch in diesem Falle eine (zumindest partielle) sukzessive Erfolgsrealisierung besagter Zuwendung zu erfolgen.
[3] Vgl. etwa Kupsch, WPg 1984, S. 369 (373); Tjaden, WPg 1985, S. 33 (39).
[4] Vgl. Uhlig, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Zuschüsse, 1989, S. 83; Wolf, Bilanzierung von Zuschüssen nach HGB und IFRS, 2010, S. 8 f.
[5] Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995, § 255 HGB, Rz. 56; Kupsch, in Hartung/Herzig/Niemann, Steuerberater-Jahrbuch 1989/90, 1990, S. 93 (108 f.).
[6] Vgl. ebenso Schubert/Gadek, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 255 HGB, Rz. 117; fernerhin IDW, HFA 1/1984, WPg 1984, S. 613; BFH, Urteil v. 22.1.1992, X R 23/89, BStBl. II 1992, S. 488.
[7] Vgl. Ernsting/Haeger/Küting, in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5. Aufl. 2002, § 254 HGB (a. F.), Rz. 45, Stand: 10/2003.
[8] Vgl. Ewertowski, BB 1984, S. 1015 (1024); Förschle/Scheffels, DB 1993, S. 2393 (2394); Rose, DB 1984, S. 2317 (2318); Uhlig, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Zuschüsse, 1989, S. 101.
[9] Vgl. Kupsch, WPg 1984, S. 369 (373); Tjaden, WPg 1985, S. 33 (40); a. A. Wolf, Bilanzierung von Zuschüssen nach HGB und IFRS, 2010, S. 94.

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