Rz. 40

Wenn ein Unternehmen eine Zuschreibung i. S. d. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB vornehmen muss, stellt sich die Problematik der Zuschreibungstechnik in zweifacher Weise: In sachlicher Hinsicht geht es um den Umfang der Zuschreibung, das Bestehen von Obergrenzen und die Zulässigkeit von Zwischenwerten; in zeitlicher Hinsicht ist zu klären, in welchem Jahresabschluss eine Zuschreibung zu berücksichtigen ist und ob die Wertaufholung ggf. auf mehrere Geschäftsjahre verteilt werden kann.

 

Rz. 41

Handelsrechtlich ergibt sich seit BilMoG gem. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB ein rechtsformunabhängiger Zwang zur Zuschreibung, falls die Gründe für eine Abschreibung entfallen sind.[1] Durch diese generelle Zuschreibungspflicht besteht für alle bilanzierenden Kaufleute an jedem Abschlussstichtag die Pflicht, zu prüfen, ob die Gründe für eine in der Vergangenheit vorgenommene außerplanmäßige Abschreibung auch weiterhin bestehen; dabei reicht es allerdings bei Vermögensgegenständen des immateriellen Anlagevermögens sowie bei Sachanlagen nicht aus, zu hinterfragen, ob der beizulegende Wert auch weiterhin unter den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt, da in diesem Bereich – analog zum Steuerrecht – auch der Wegfall der Dauerhaftigkeit einer Wertminderung einen Zuschreibungsgrund darstellt.[2] Diese objektive Betrachtungsweise führt somit zu erhöhten Dokumentationsanforderungen für das Fortbestehen der Abschreibungsgründe.[3] Eine außerplanmäßige Abschreibung bei vorübergehender Wertminderung darf nur noch im Finanzanlagevermögen sowie im Umlaufvermögen vorgenommen werden.

 

Rz. 42

Des Weiteren ist durch die generelle Zuschreibungspflicht die Wertentwicklung der Vermögensgegenstände zu beobachten. Hier besteht eine Nachforschungspflicht, welche in ihrer Intensität von der relativen Bedeutung des Vermögensgegenstandes, dem Umfang einer Wertsteigerung und der Wahrscheinlichkeit einer zwischenzeitlich eingetretenen Werterhöhung abhängig ist.[4]

 

Rz. 43

Ausgenommen von der regelmäßigen Überprüfung der Wertentwicklung sind lediglich solche Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die bereits durch die Vornahme von planmäßigen Abschreibungen – ohne Beachtung einer außerplanmäßigen Abschreibung – vollständig oder auf den Erinnerungswert abgeschrieben sind.[5]

 

Rz. 44

Die Wertaufholung ist grundsätzlich im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr zu berücksichtigen, in dessen Zeitraum der Wegfall der Abschreibungsgründe i. S. d. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB fällt. Bei dieser Berücksichtigungspflicht bleibt es auch dann, wenn das Unternehmen von dem wertsteigernden Ereignis erst im Laufe des folgenden Geschäftsjahrs erfährt, solange diese Information im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses zugeht und somit nach dem allgemeinen Grundsatz der Wertaufhellung noch berücksichtigt werden kann.[6] Konsequenterweise müsste ein Unternehmen eine Änderung bereits festgestellter Jahresabschlüsse früherer Geschäftsjahre mit sämtlichen Konsequenzen und eben keine Zuschreibung in Betracht ziehen, wenn die Werterholung schon mehrere Jahre objektiv bestanden hat, der Bilanzierende jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Kenntnis erlangt.[7]

 

Rz. 45

Der Umfang der Zuschreibung ist in dreifacher Weise eingeschränkt.[8] Folgende Regelungen gelten allerdings nicht für die Zeitwertbewertung von Vermögensgegenständen i. S. d. § 253 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB bzw. § 340e Abs. 3 HGB.

Erstens ist die Zuschreibung auf den Betrag der außerplanmäßigen Abschreibung begrenzt. Die Höhe der Wertaufholung kann mithin den Betrag der seinerzeit vorgenommenen außerplanmäßigen Abschreibung, deren Gründe nunmehr weggefallen sind, niemals übersteigen. Damit ist auch ausgeschlossen, dass sich durch eine Zuschreibung ein Wertansatz über den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermögensgegenstandes ergibt.[9]

 

Rz. 46

Zweitens ist eine Zuschreibung nur im Umfang der Werterhöhung möglich. Die Werterhöhung ergibt sich bei vorausgegangener handelsrechtlicher Abschreibung gem. § 253 Abs. 3 Sätze 5, 6 HGB oder § 253 Abs. 4 HGB – vorbehaltlich der Verrechnung planmäßiger Abschreibungen, die in Rz. 47 behandelt werden – aus der Differenz des Bilanzansatzes im Vorjahr und dem nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelten Wert am Abschlussstichtag (beizulegender Wert).[10] Ergibt sich ein Vergleichswert, der nicht über dem letztjährigen Bilanzansatz liegt, so ist kein Fall der Wertaufholung gegeben. Andererseits sind mehrere aufeinander folgende Zuschreibungen vorzunehmen, wenn der Wert des Vermögensgegenstands sich nur allmählich erholt.[11] Dies gilt auch dann, wenn der niedrigere Wert nicht mehr durch die ursprünglich vorgenommene Abschreibungskategorie des § 253 HGB, wohl aber durch eine andere zu rechtfertigen ist.[12]

 
Praxis-Beispiel

Wenn beispielsweise auf einen Vermögensgegenstand des Umlaufvermögens, dessen Anschaffungskosten 100 betrugen, eine Abschreibung gem. § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB vorgenommen wurde, weil der Börsenkurs auf 70 g...

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