Leitsatz

Bei dem im Rahmen eines bargeldlosen Zahlungssystems für die Überlassung elektronischer Zahlungskarten in Stadien erhobenen Kartenpfand handelt es sich nicht um pauschalierten (durch die Kartenrückgabe auflösend bedingten) Schadensersatz, sondern um eine steuerbare sonstige Leistung, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG als Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei ist, wenn der leistende Unternehmer selbst die Übertragung von Geldern vornimmt.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchst. d EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der mittlerweile insolventen A, die bargeldlose Zahlungssysteme entwickelte und vertrieb. A war in den Jahren 2008 bis 2013 (Streitjahre) umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der B.

B überließ den Besuchern von Stadien elektronische Zahlungskarten zur bargeldlosen Bezahlung von Speisen und Getränken. Bei jedem Zahlungsvorgang verminderte sich das auf der Karte gespeicherte Guthaben um den verfügten Betrag. Daneben war die Möglichkeit zum Rücktausch eines etwaigen Kartenguthabens vorgesehen. Nach dem Preis- und Leistungsverzeichnis erhob B vom Kunden ein "Kartenpfand" von 2 EUR, das vom aufgeladenen Betrag abgezogen und im Falle der Rückgabe zurückgezahlt wurde.

Die Stadionbetreiber und Caterer zahlten daneben Provisionen an B. B bot ihnen dafür einen umfassenden Service für den Kartenzahlungsverkehr an, indem B Kartenlesegeräte zur Verfügung stellte und mit eigenem Personal den Vertrieb, die Aufladung und Rückgabe der Karten organisierte.

A sah das "Kartenpfand" nicht als Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an. Die Provisionseinnahmen sowie die Erlöse aus der Veräußerung abgelaufener Karten an Sammler hingegen seien Gegenleistungen für steuerpflichtige Umsätze.

Das FA ging davon aus, dass das Kartenpfand Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung der Karte an den Kunden sei.

Die Vorinstanz (FG Hamburg, Urteil vom 7.2.2017, 2 K 14/16, Haufe-Index 10582355, EFG 2017, 783) folgte der Auffassung des FA.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Das FG muss nun prüfen, inwieweit der Vorsteuerabzug von A aufgrund des Eingreifens der Steuerbefreiung zu kürzen ist. Die zwischenzeitliche Unterbrechung des Verfahrens (durch die Insolvenz von A) hatte geendet, indem der Insolvenzverwalter das Verfahren aufgenommen hatte.

 

Hinweis

Der Geldbeutel (oder das Smartphone) füllt sich im Laufe eines Lebens mehr und mehr mit (mittlerweile digitalen) Karten mit Zahlungsfunktion. Teilweise wird "für die Ausgabe" der Karte eine Gebühr erhoben, teilweise wird bei Rückgabe der Karte ein "Pfand" erstattet. Wie ist dieser Vorgang umsatzsteuerrechtlich einzuordnen (hier konkret am Beispiel eines "Kartenpfands" für eine Bezahlkarte an einem Veranstaltungsort)?

1. Das Besprechungsurteil stellt erstens klar, dass es sich bei einem "Kartenpfand", das bei Ausgabe der Karte erhoben und bei Rückgabe der Karte erstattet wird, nicht um "echten" Schadensersatz für die Nichtrückgabe handelt. Der BFH hat dies im Streitfall daraus abgeleitet, dass der Karteninhaber nicht zur Rückgabe der Karte verpflichtet ist, sondern die Karte behalten darf. Im Falle einer vereinbarten Rückgabepflicht mit "pauschaliertem Schadensersatz" wäre dies aber m.E. nicht anders zu sehen (vgl. BFH, Urteil vom 10.4.2019, XI R 4/17, Rz. 41, BFH/NV 2019, 1038, BStBl II 2019, 635, i.V.m. BGH, Urteil vom 9.10.2014, III ZR 32/14, NJW 2015, 328).

2. Die zweite wesentliche Kernaussage ist, dass die Bereitstellung von Zahlkarten (wie auch bei Tank- oder Kreditkarten o.Ä.) keine "Lieferung" (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 14 Abs. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)) der Karte ist (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15.5.2019, C-235/18, Vega International Car Transport and Logistic, Rz. 41, BFH/NV 2019, 1053). Die Bereitstellung der Karte ist Teil der Leistungen, die mit der Karte in Anspruch genommen werden können. Unter Umständen hat sie sogar Gutschein-Funktion (vgl. EuGH, Urteil vom 28.4.2022, C-637/20, DSAB Destination Stockholm, Rz. 11, 32, BFH/NV 2022, 795).

3. Die Zahlkarte am Veranstaltungsort hat der BFH im Streitfall als Teil einer nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG umsatzsteuerfreien Leistung im Zahlungsverkehr angesehen, weil das kartenausgebende Unternehmen z.B. im Falle des "kartenfinanzierten" Kaufs einer Bratwurst oder eines Biers den Kaufpreis vom Kartenguthaben des Kunden abgebucht und dem Bier- oder Bratwurststandbetreiber gutgeschrieben hat. Entscheidend hierfür war, dass das kartenausgebende Unternehmen die Übertragung der Gelder selbst vorgenommen (und nicht nur für einen anderen Unternehmer vorbereitet) hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.01.2022, XI R 19/19 (XI R 12/17)

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