Leitsatz

Ein Kreditinstitut, das gegen Entgelt für andere Kreditinstitute im Rahmen der Abwicklung deren "beleghaften" Zahlungs- und Überweisungsverkehrs Schecks, Überweisungen sowie Lastschriften im Wesentlichen lediglich technisch bearbeitet, führt keine steuerfreien Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr aus.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 135 Abs. 1 Buchst. d EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Ein Kreditinstitut (Klägerin) erbrachte in den Jahren 2000 bis 2003 (Streitjahre) gegenüber anderen Kreditinstituten gegen Entgelt Leistungen, die der Abwicklung des "beleghaften" Zahlungs- und Überweisungsverkehrs dieser Kreditinstitute dienten.

Die vertraglich übernommenen Leistungen umfassten die Bearbeitung von Schecks, Überweisungen (einschließlich Sammelüberweisungen) sowie Lastschriften. Die Zahlungsverkehrsbelege wurden von einem maschinellen "Schriftenleser" eingelesen. Maschinell nicht lesbare Daten wurden manuell ergänzt. Ggf. wurde versucht, die Belege um fehlende Angaben zu ergänzen bzw. fehlerhafte zu korrigieren (z.B. Korrektur einer fehlerhaften Bankleitzahl). Wenn dies nicht möglich war (z.B. bei Unstimmigkeiten beim Überweisungsbetrag), wurden die Belege an die Kundenberater zurückgegeben.

Nach der vollständigen Erfassung der Belege wurden die Daten an ein zentrales Rechenzentrum weitergeleitet, in dem die technische Verarbeitung der Daten erfolgte. Dort wurden die Kontoumsätze verbucht.

Bei Fehlern der Klägerin, die zu einer zu hohen Überweisung führten, versuchte die Klägerin zunächst, die Beträge von den Empfängern zurückzuerhalten; falls dies fehlschlug, ersetzte das Leistungsempfänger-Kreditinstitut dem Kontoinhaber den Schaden und die Klägerin erstattete dem Leistungsempfänger-Kreditinstitut den Betrag. Bei Fehlern im Rahmen der Disposition, der Kontrolle der Legitimation und der Prüfungen nach dem Geldwäschegesetz haftete die Klägerin nicht.

Das FA war der Auffassung, dass die Klägerin mit der Abwicklung des beleghaften Zahlungsverkehrs steuerpflichtige Leistungen ausgeführt habe; die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG greife nicht ein. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Sächsische Finanzgericht (Sächsisches FG, Urteil vom 25.6.2014, 1 K 1222/12, Haufe-Index 7693540) wies die Klage ab. Die Leistungen der Klägerin würden nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen der in § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG genannten Umsätze erfüllen.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die vom FG vorgenommene rechtliche Würdigung entspreche sowohl dem Grundsatz der engen Auslegung von Steuerbefreiungen als auch deren Zweck. Bei der Erhebung von Umsatzsteuer auf die Leistung der Klägerin könne die Bemessungsgrundlage leicht bestimmt werden und mit ihren Umsätzen sei kein Kredit für eine andere Person verbunden. Wenn in einer solchen Situation ein Umsatz trotzdem von der Steuerbefreiung erfasst würde, würden die mit der Steuerbefreiung von Finanzumsätzen verfolgten Ziele verletzt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 26.5.2016, C-607/14, Bookit, HFR 2016, 668, Rz. 55).

 

Hinweis

1. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der EWGRL 388/77 waren in den Streitjahren steuerfrei: "die Umsätze … im Zahlungs- und Überweisungsverkehr."

2. Zweck der Befreiung ist es, Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer zu beseitigen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.4.2007, C‐455/05, Velvet & Steel Immobilien, BFH/NV Beilage 2007, 294, Rz. 24; EuGH, Urteil vom 12.6.2014, C-461/12, Granton Advertising,BFH/NV 2014, 1342, Rz. 30) und eine Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits zu vermeiden (vgl. EuGH, Urteil vom 22.10.2009, C‐242/08, Swiss Re Germany Holding, BFH/NV 2009, 2108, Rz. 49). Die genannten Regelungen sind eng auszulegen und auf das zu beschränken, was zur Wahrung ihrer Ziele unbedingt erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 26.6.2003, C‐305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, BFH/NV Beilage 2003, 222, Rz. 63, 71).

3. Eine Überweisung i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der EWGRL 388/77 ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Vorgang, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 13.3.2014, C‐464/12, ATP PensionService,HFR 2014, 459, Rz. 79; EuGH, Urteil vom 26.5.2016, C-607/14, Bookit, HFR 2016, 668, Rz. 38, 40).

a) Der Leistende muss nicht selbst unmittelbar Belastungen und/oder Gutschriften auf einem Konto oder Umbuchungen zwischen den Konten ein und desselben Inhabers vornehmen; die Leistung ist jedoch nur dann steuerfrei, wenn sie ein "im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes" ist, das die "spezifischen und wesentlichen Funktionen" einer befreiten Leistung erfüllt (vgl. EuGH, Urteil vom 5.6.1997, C-2/95, SDC/Skatteministeriet,HFR 1997, 618, Rz. 66; EuGH, Urteil vom 28.10.2010, C-175/09, AXA UK, UR 2011, 265, Rz. 27; s.a. Abschn. 4.8.7 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Diese bl...

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