Leitsatz

Bei einer Anwaltskanzlei entfällt der für die Gewinnerzielungsabsicht sprechende Anscheinsbeweis, wenn nicht das Streben nach Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe für die Fortführung der verlustbringenden Kanzlei bestimmend sind.

 

Sachverhalt

Der Inhaber einer seit 1994 bestehenden Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte seine Ehefrau als 400-EUR-Bürokraft, seit 1996 eine Rechtsanwältin in Teilzeit und seit Jahr 2000 zusätzlich einen Rechtsanwalt in Vollzeit. Durch die Kanzlei erzielte der Inhaber Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Darüber hinaus erzielte er diverse Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen und Vermietung. Bereits seit 1995 verzeichnete er aus dem Kanzleibetrieb Verluste, die er den andern Einkünften gegenüberstellte. Im Jahr 2010 überprüfte das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht, da die Einkünfteerzielungsabsicht seit 2003 nicht abschließend beurteilt werden konnte (Liebhaberei) und Bescheide mit Vorläufigkeitsvermerk ergangen waren. Es erließ sodann Änderungsbescheide, mit denen es die geltend gemachten Verluste aus selbstständiger Arbeit nicht mehr anerkannte. Hiergegen wehrte sich der Anwalt. In der Sache habe er seine anwaltliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Denn nach der Rechtsprechung des BFH seien bei Tätigkeiten, die nicht typischerweise dem Hobbybereich zuzurechnen seien, allein langjährige Verluste nicht ausreichend, um die Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen. Vielmehr müsse der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausüben (BFH, Beschluss v. 25.9.2009, VIII B 76/08). Solche Gründe lägen bei ihm nicht vor. Das Finanzamt konterte: Im Streitfall ergebe sich aus den objektiven Umständen, dass der Kläger seine Kanzlei in einer Art und Weise führe, die nicht zum Erzielen von Gewinnen geeignet sei, sodass dieser Anscheinsbeweis entfalle.

 

Entscheidung

Auch bei der selbstständigen Arbeit ist eine Gewinnerzielungsabsicht i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlich (BFH, Urteil v. 26.2.2004, IV R 43/02). Bei einer Anwaltskanzlei spricht allerdings der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Anwalt seine Kanzlei in der Absicht betreibt, Gewinne zu erzielen; denn ein Unternehmen dieser Art ist regelmäßig nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (BFH, Urteil v. 31.5.2001, IV R 81/99). Die BFH-Rechtsprechung könne allerdings nicht in der Weise verstanden werden, dass bei einer Anwaltskanzlei automatisch eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden könnte, erklärte das FG Münster. Vielmehr entfalle auch bei einer Kanzlei ein für die Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis bereits dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe des Steuerpflichtigen für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend waren (BFH, Urteil v. 14.12.2004 XI R 6/02, BFHE 208, S. 557, BStBl 2005 II S. 392). Persönliche Gründe seien alle einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motive. Im Streitfall habe der Kläger seine Anwaltskanzlei jedenfalls aus persönlichen Beweggründen geführt. Als Indiz gegen seine Gewinnerzielungsabsicht sprach, dass er aus den von ihm erklärten Verlusten steuerliche Vorteile ziehen konnte, da seine Verluste mit seinen übrigen positiven Einkünften zu verrechnen gewesen wären. In dieser Verminderung der Besteuerung der positiven Einkünfte sei eine Steuerersparnis zu sehen, die als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht zu werten war. Dies gelte auch dann, wenn die Steuerersparnis durch "echte Verluste" entsteht und der Saldo aus tatsächlichen Betriebsausgaben und möglicher Steuerersparnis negativ wäre.

Hinzu komme, dass die Kanzlei mit Gewinn hätte geführt werden können, wenn der Kläger auf Personal verzichtet hätte. Dies hätte er auch mit Sicherheit getan, wenn er auf Einkünfte aus der Anwaltskanzlei angewiesen gewesen wäre, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Als weitere erforderliche Umstrukturierungsmaßnahme habe es der Kläger unterlassen, selbst eine Zulassung als Fachanwalt zu erwerben. Dies hatte er seinen angestellten Rechtsanwälten überlassen, obwohl nicht abzusehen war, ob für seine Angestellten zukünftig überhaupt hinreichend Mandate vorhanden sein würden. Dass der Kläger nicht in der erforderlichen effektiven Weise auf seine Verlustsituation reagiert hat, lasse den Schluss zu, dass persönliche Beweggründe für die Kanzleiführung im Vordergrund standen und die Betriebsführung nicht ernstlich auf eine am Markt erfolgreiche Tätigkeit gerichtet war. Hierbei ist unerheblich, um welche persönlichen Beweggründe es sich im Einzelnen gehandelt haben könnte.

 

Hinweis

Als relevante Indizien für die Führung des Verlustbetriebs aus persönlichen Gründen hat die BFH-Rechtsprechung - gerade auch im Fall einer Kanzlei - im We...

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