Leitsatz

Ein Vorläufigkeitsvermerk, der keine Angaben über den Umfang der Vorläufigkeit enthält und bei dem dieser für den Steuerpflichtigen auch weder aufgrund seines dem Erlass des Bescheids vorausgehenden Verhaltens noch aufgrund des Inhalts der Steuererklärung oder des Bescheids erkennbar ist, ist unwirksam, selbst wenn Gegenstand des Bescheids nur eine Einkunftsart ist.

 

Normenkette

§ 119 Abs. 1, § 125, § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt seit Oktober 1991 eine Kunstgalerie, aus der sie in den Jahren 1991 bis 2000 einen Verlust von insgesamt rd. 238 000 DM erlitt. Das FA erkannte die in den Streitjahren 1991 bis 1994 entstandenen Verluste zunächst an. Die entsprechenden Bescheide über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb waren mit Vorläufigkeitsvermerken nach § 165 AO versehen, wobei diese Vermerke jedoch nicht erläutert und begründet wurden.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erließ das FA einen auf § 165 Abs. 2 AO gestützten Sammelbescheid, mit dem die bisherigen Feststellungsbescheide aufgehoben wurden, weil das FA nunmehr von Liebhaberei ausging.

Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (EFG 2006, 4). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidung

Die den ursprünglichen Feststellungsbescheiden beigefügten Vorläufigkeitsvermerke seien mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam gewesen, sodass der angefochtene Aufhebungsbescheid nicht auf § 165 Abs. 2 AO habe gestützt werden können. An diesem Ergebnis ändere auch der Umstand nichts, dass es sich im Streitfall bei den vorläufigen Bescheiden um Feststellungsbescheide mit nur einer Einkunftsart (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) gehandelt habe. Denn auch hier bleibe offen, auf welche der drei Komponenten der Gewinnermittlung (Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben, Einkünfteerzielungsabsicht) sich die Vorläufigkeit nach der Vorstellung des FA habe beziehen sollen.

 

Hinweis

§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO gebietet der Finanzbehörde, Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben. Dieses Gebot dient dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen. Dieser soll überprüfen können, ob die in § 165 AO statuierten Voraussetzungen für eine nur mehr vorläufige Steuerfestsetzung oder Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vorliegen, und soll darüber informiert werden, worin das FA die Ungewissheit erblickt, d.h. welche Umstände (Tatsachen, Rechtsverhältnisse usw.) einem abschließenden (endgültigen) Bescheid nach Auffassung der Behörde entgegenstehen sowie in welchem Umfang sich das FA eine weitere Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen vorbehält (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 25.04.1985, IV R 64/83, BStBl II 1985, 648; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 165 AO Rz. 21 f., m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hatte das FA diesen Erfordernissen in den für vorläufig erklärten Gewinnfeststellungsbescheiden nicht einmal ansatzweise Rechnung getragen. Es lag auch nicht eine Fallkonstellation vor, in welcher der Steuerpflichtige aufgrund seines eigenen Verhaltens ausnahmsweise auch ohne nähere Begründung und Erläuterung des Vorläufigkeitsvermerks einen hinreichend gesicherten Schluss auf Grund und Umfang der Vorläufigkeit ziehen konnte und musste (vgl. hierzu z.B. BFH, Urteil vom 12.03.1991, IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506; ferner BFH, Urteil vom 13.10.2005, IV R 55/04, BFH-PR 2006, 156).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.07.2007, X R 22/05

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