Leitsatz

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

 

Normenkette

§§ 4 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 1 und Abs. 5 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger nutzte einen Raum seiner Wohnung nach den (vom BFH bislang als bindend angesehenen) tatsächlichen Feststellungen des FG zu 60 % für seine Tätigkeit als Vermieter. Das FG hat der Klage in diesem Umfang stattgegeben. Der IX. Senat des BFH beabsichtigte, die Revision des FA zurückzuweisen.

 

Entscheidung

Der Große Senat des BFH hat die Vorlagefrage auf Vorlagebeschluss vom 21.11.2013 (IX R 23/12, BFHE 243, 563, BStBl II 2014, 312, BFH/NV 2014, 434) nun so beantwortet, dass die Revision des FA Erfolg haben wird. Dabei stellt sich allerdings auch die Frage, wie das FG eine Tatsache feststellen konnte, die man nach der Ansicht des Großen Senats gar nicht feststellen kann.

 

Hinweis

Das Wehklagen in der Tagespresse war groß. Wer erwartet hatte, der BFH werde nach den (gemischt veranlassten) Reisekosten (BFH, Beschluss vom 21.9.2009, GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, BFH/NV 2010, 285) auch die Aufwendungen für gemischt genutzte Privaträume zum (teilweisen) Abzug zulassen, ist enttäuscht worden. "Einfach statt gerecht" titelte die FAZ am 28.1.2016 (Seite 15). "Nicht plausibel und unsozial" hieß es an anderer Stelle (SZ vom 29.1.2016, Seite 19). So kann man das sehen. Wer sich (etwa in Ballungsgebieten) einen ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzten Raum nicht (mehr) leisten kann, geht wie bisher leer aus. Nur wer über ausreichend Raum verfügt oder wer vor dem Besuch des Finanzamts schnell genug die Gästeliege und den Wäscheständer aus dem "Arbeitszimmer" entfernt, wird u.U. steuerlich belohnt. So werden viele denken.

1. Die Steuerlast muss möglichst gerecht, also gleichmäßig verteilt werden. So verlangt es das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG).

a) Oberster materiell-rechtlicher Maßstab dafür ist der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Er wird maßgeblich ausgeprägt durch das subjektive und das objektive Nettoprinzip. Letzteres ist bestimmt von einem sehr weit verstandenen Veranlassungszusammenhang. Jeder Aufwand, der (wirtschaftlich) durch das Erzielen von Einkünften veranlasst ist, muss grundsätzlich berücksichtigt werden.

b) Ein Gegengewicht dazu bildet der Grundsatz der Praktikabilität. Er wird allerdings selten laut vorgetragen und ist auch nicht in aller Munde. Dabei darf nicht verkannt werden, dass auch die Praktikabilität zur Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Steuerrechts beiträgt. Nur eine vollziehbare Regel gewährleistet tatsächliche Gleichbehandlung und vermeidet unnötige Kosten bei der Steuererhebung. Praktikabilität hat deshalb nichts mit Fiskalismus zu tun, sondern liegt prinzipiell ebenfalls im Interesse der Steuerpflichtigen.

2. In diesem Spannungsfeld bewegen sich alle Entscheidungen über sog. gemischte – also beruflich wie privat veranlasste – Aufwendungen. Eine endgültige Lösung wird es wohl nicht geben und – wie die Besprechungsentscheidung zeigt – auch keine eindeutigen Tendenzen. Es ist sicher nicht falsch, wenn man meint, nach der noch ganz und gar dem materiell-rechtlichen Prinzip verhafteten Reisekostenentscheidung des Großen Senats habe das Pendel diesmal in die andere Richtung ausgeschlagen. Nicht mehr und nicht weniger.

3. Der Vorlagebeschluss (BFH, Beschluss vom 21.11.2013, IX R 23/12, BFHE 243, 563, BStBl II 2014, 312, dazu Ratschow, BFH/NV 2014, 434) hatte zwei Fragen aufgeworfen, nämlich (sinngemäß) 1.) ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ein spezial-gesetzliches Aufteilungs- und Abzugsverbot enthält und – wenn man dies verneint – 2.) ob die Aufwendungen für ein gemischt genutztes Arbeitszimmer nach allgemeinen Maßstäben aufzuteilen sind.

4. Der Große Senat hat die erste Frage bejaht und die zweite offengelassen.

a) Aus § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ergibt sich als Grundsatz ein Abzugsverbot der Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer. Etwas anderes gilt nur für die im Gesetz geregelten Ausnahmen (betragsmäßig begrenzter Abzug, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, oder unbegrenzter Abzug, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten Erwerbstätigkeit bildet).

b) Zum Begriff des häuslichen Arbeitszimmers enthält der Beschluss nichts Neues. Kein häusliches Arbeitszimmer ist wie bisher die häusliche Betriebsstätte (Tonstudio, Notarztpraxis, Warenlager etc.). Die Aufwendungen dafür sind deshalb unbeschränkt abziehbar. An einem häuslichen Arbeitszimmer fehlt es auch bei einem Raum, der nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich oder betrieblich genutzt wird (Leitsatz); das gilt auch für die sog. Arbeitsecke. Und die Aufwendungen dafür?

c) Sie sind gleichwohl nicht abziehbar. Im Vorlagebeschluss hatte der IX. Senat argumentiert, die Aufwendungen müssten eigentlich, wenn sie nicht dem spezialgesetzlichen Abzugsverbot unterlägen, nach allgemeinen Grundsätzen...

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