Leitsatz

Beim Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche eines Gebäudes muss die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 4 UStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb eine Fotovoltaikanlage zur entgeltlichen Stromeinspeisung. Die Anlage befand sich auf dem Dach des von ihr mit ihrem Ehemann bewohnten Anwesens, das im Alleineigentum ihres Ehemanns stand. Es handelte sich um einen Einfirsthof, bestehend aus dem ausschließlich privat genutzten Wohnhaus und einer Scheune. Die Scheune wurde im Streitjahr privat als Werkstatt und Stellplatz für drei Pferde genutzt. Wohnhaus und Scheune befanden sich unter einem gemeinsamen Dach.

Die Klägerin mietete von ihrem Ehemann eine über dem Scheunenteil des Anwesens gelegene Teilfläche des Daches von 158,5 qm zum Betrieb einer Fotovoltaikanlage gegen ein Nutzungsentgelt von 237,75 EUR an.

Sie beauftragte im Streitjahr (2011) einen Dachdecker mit Arbeiten am gesamten Dach des Einfirsthofs, die zu einer Werklieferung führten. Im August 2011 wurden die Module für die Fotovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von 22,08 kWp auf der Dachfläche der Scheune (Ost- und Westseite) installiert.

Die Klägerin machte für das Streitjahr zunächst in einer Voranmeldung 90 % des in der Rechnung der Zimmerei ausgewiesenen Steuerbetrags für die Werklieferung als Vorsteuer geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Klage teilweise statt (FG München, Urteil vom 26.7.2016, 2 K 671/13, Haufe-Index 10199970, EFG 2017, 434).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück, da das FG § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG unzutreffend angewendet habe. Das FG habe verkannt, dass sich die Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG im Fall der Lieferung auf den gelieferten Gegenstand und dessen Verwendung insgesamt beziehe. Beziehe sich die Werklieferung auf das gesamte Dach, sei in die Verhältnisrechnung nicht nur der Teil des Gebäudes einzubeziehen, auf dem sich die Fotovoltaikanlage befunden habe. Vielmehr sei auf das gesamte Gebäude abzustellen.

 

Hinweis

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf der Entscheidung des Rates vom 20.10.2009 zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), weiterhin eine von Art. 168 EGRL 112/2006 abweichende Regelung anzuwenden (2009/791/EG). Wird ein Gebäude für unternehmerische Zwecke im Sinne einer wirtschaftlichen Tätigkeit und für private Zwecke verwendet, bestehen gegen die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStGkeine unionsrechtlichen Bedenken (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2016, XI R 15/13, BFH/NV 2017, 421, BFH/PR 2017, 127, BFHE 255, 555, Leitsatz 1).

2. Beim Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche muss das gesamte Gebäude und damit die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG erforderliche Verhältnisrechnung einbezogen werden. Daher kommt es für die Frage, ob die von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG geforderte unternehmerische Mindestnutzung vorliegt, auf die Verwendung des gesamten Gebäudes unter Einschluss aller Flächen unter dem Dach und der gesamten Dachfläche an.

3. Hat ein Mieter nur die Teilfläche eines Daches angemietet, kommt eine Zuordnung in Bezug auf weitere Flächen nicht in Betracht, da dem Mieter an diesen keine Rechte zustehen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 3.8.2017 – V R 59/16

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