Leitsatz

1. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG ist die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Darauf, dass tatsächlich Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist, kommt es nicht an.

2. Als Vertreter "für Rechnung" eines anderen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 ZK handelt nicht, wer in eigener Person alle etwaig anfallenden Steuern und sonstige Kosten trägt und sein Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt wirtschaftlich auswirkt.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 und Abs. 2a, § 3 Abs. 6 und 8, § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG, Art. 32, Art. 201 MwStSystRL, Art. 27 Verordnung (EWG) Nr. 918/83, § 42 AO, § 305c BGB, Art. 4 Nr. 18, Art. 5 Abs. 2 und Abs. 4, Art. 38 Abs. 4, Art. 61, Art. 62, Art. 201 ZK, Art. 233, Art. 237, Art. 238 ZKDVO, § 5 Abs. 2 ZollVG, § 5 Abs. 1 ZollV, § 51 Abs. 1 FGO, § 41 Nr. 4 ZPO

 

Sachverhalt

Die Klägerin lieferte über die organschaftlich verbundene Tochtergesellschaft Y im Versandhandel Schallplatten, CDs, Videokassetten und Bücher aus einem Schweizer Auslieferungslager an Kunden im Inland. Die Tochtergesellschaft P der Deutschen Post AG holte die Sendungen in der Schweiz ab. Beim Grenzzollamt legte P einen von der T selbst gefertigten "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" mit folgendem Inhalt vor: "Hiermit beantragen wir … die Freischreibung der Sendungen nach Art. 27 der EG-Verordnung Nr. 918 aus dem Jahr 1983." Dieses Verfahren entsprach einem zwischen der Deutschen Post AG und dem deutschen Zollamt abgestimmten Verfahren. Das Dokument differenzierte tabellarisch zwischen Büchern und CDs sowie der Anzahl und der Art der Titel und der Gesamtzahl der Sendungen. Die Erklärung endete mit dem Vermerk: "Die Sendungen gehen an diverse Empfänger in Deutschland. Die Einfuhr erfolgt im Namen der Empfänger. Der Wert pro Sendung liegt unter 43 DM/22 EUR." P verbrachte die Waren in ein Zentrallager, von wo aus die Kunden im Inland beliefert wurden. Die Klägerin sah die Lieferungen aus der Schweiz als im Inland nicht steuerbar an. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG Münster, Urteil vom 14.1.2014, 15 K 2663/10 U, Haufe-Index 6542404, EFG 2014, 688) hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte im Ergebnis die Klageabweisung durch das FG, da die Klägerin Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer gewesen sei, sodass § 3 Abs. 8 UStG anwendbar sei.

 

Hinweis

1. Lieferungen, bei denen der Gegenstand befördert oder versendet wird, werden nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Beginnt sie außerhalb des Inlands, ist die Lieferung nicht steuerbar. Beginnt sie im Drittlandsgebiet und fällt z.B. aufgrund der Steuerbefreiung für Kleinsendungen im Wert bis 22 EUR keine Einfuhrumsatzsteuer an (vgl. § 1 Abs. 1 EUStBV i.V.m. Art. 27 der ZollbefreiungsVO und den mit Wirkung ab 1.12.2008 durch Art. 2 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung der Zollverordnung und der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung 1993 vom 24.11.2008, BGBl I S. 2232 geschaffenen § 1a EUStBV), können derartige Gegenstände aus Drittländern – wie etwa der Schweiz – ohne inländische Steuerbelastung an Verbraucher im Inland geliefert werden.

2. Vor der Inanspruchnahme der vorstehend skizzierten Nichtbesteuerung muss allerdings die Hürde des § 3 Abs. 8 UStG genommen werden.

a) Nach § 3 Abs. 8 UStG verlagert sich der Ort der Lieferung in das Inland, wenn die Beförderung oder Versendung im Drittlandsgebiet beginnt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

b) Man könnte die Anwendung von § 3 Abs. 8 UStG auf die Lieferung von Gegenständen, deren Wert 22 EUR nicht übersteigt und die daher einfuhrumsatzsteuerfrei sind, für ausgeschlossen halten, da aufgrund der Einfuhrumsatzsteuerfreiheit keine Person Einfuhrumsatzsteuer schuldet.

c) Der BFH bejaht gleichwohl im Besprechungsurteil wie bereits zuvor (BFH v. 21.3.2007, V R 32/05, BStBl II 2008, 153) die Anwendung von § 3 Abs. 8 UStG auf derartige Einfuhrlieferungen. Der BFH begründet dies damit, dass das nationale Recht in § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG eine Steuerfreiheit der Einfuhr auch für den Fall anordnet, dass der eingeführte Gegenstand von einem "Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer" für eine nachfolgende innergemeinschaftliche Lieferung verwendet wird.

d) Unionsrechtlich lässt sich für diese Sichtweise anführen, dass Art. 32 UA 2 MwStSystRL (als Grundlage für § 3 Abs. 8 UStG) und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL (als Grundlage für § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG) jeweils auf den als Steuerschuldner für die Einfuhr bestimmten Importeur abstellen.

3. Bejaht man die Anwendung von § 3 Abs. 8 UStG auf einfuhrumsatzsteuerfreie Kleinsendungen bis 22 EUR, stellt sich die Frage, wie sich die Person des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer bestimmt. Der BFH stellt hierfür bei einer Überführung in den zollrechtlichen freien Verkehr auf die Person des Zollanmelders ab.

Damit es nicht zur Ortsverlagerung für die Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG kommt, muss dann der Ware...

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