Leitsatz

Die Bildung einer Rücklage i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ist bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Regiebetrieben einer kommunalen Gebietskörperschaft zulässig. Mangels gesetzlicher Beschränkungen reicht für deren steuerliche Anerkennung jedes "Stehenlassen" der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen sollen.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c, § 43a Abs. 1 Nr. 6, § 44 Abs. 1 und Abs. 6 EStG, § 167 Abs. 1 Satz 1 AO, § 4 KStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er ist als Berufsverband tätig und unterhielt in den Streitjahren u.a. den BgA X als Regiebetrieb. Bei einer Außenprüfung stellte das FA fest, dass der Kläger sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Rechnungswesen des X buchte. Für die verschie­denen Tätigkeitsbereiche gab es weder getrennte Buchführungen noch getrennte Bankkonten. Die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse des BgA X waren in den Bilanzen des Klägers ausgewiesen worden. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass auf diese gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c und § 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG eine 10 %ige Kapitalertragsteuer anfalle. Die Bildung von Rücklagen sei unzulässig, da der BgA X als Regiebetrieb seinen Zweck auch ohne eine solche erfüllen könnte. Das FA folgte dieser Auffassung und erließ gegenüber dem Kläger Bescheide über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer. Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.3.2016, 6 K 2099/13 KE, Haufe-Index 9493128, EFG 2016, 1179) gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Der BFH hat in dem vorliegenden Fall entschieden, dass die für Regiebetriebe kommunaler Gebietskörperschaften entwickelten Grundsätze zur Bildung von Rücklagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG (s. hierzu BFH, Urteil vom 30.1.2018, VIII R 42/15, BFH/PR 2018, 175) auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft Anwendung finden. Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ist nicht auf die Betriebe gewerblicher Art kommunaler Gebietskörperschaften beschränkt. Sie gilt wegen des allgemeinen Verweises auf § 4 KStG auch für Betriebe gewerblicher Art anderer Körperschaften.

2. Dass im vorliegenden Fall lediglich eine Gesamtbilanz für die Tätigkeiten Verband, BgA Projekte und BgA X erstellt wurde, steht der Bildung einer Rücklage nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG nicht entgegen. Der handelsrechtliche Gewinn des BgA X war in der Gesamtbilanz in zutreffender Höhe ausgewiesen worden.

3. Auch in dem vorliegenden Urteil hat der BFH betont, dass die Rücklagenbildung bei Regiebetrieben – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – keinen Einschränkungen unterliegt. Die Zuführung zu den Rücklagen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG setzt weder den formalen Ausweis als handelsbilanzielle Rücklage i.S.d. § 272 HGB noch eine haushaltsrechtlich bindende Mittelreservierung auf Ebene des Verbands voraus. Grundsätzlich reicht jedes "Stehenlassen" der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital für Zwecke des BgA aus. Unerheblich ist, ob dies in der Form der Zuführung zu den Gewinnrücklagen, als Gewinnvortrag oder unter einer anderen Position des Eigenkapitals erfolgt. Allerdings muss anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden können, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. An diesen Nachweis sind jedoch keine strengen Anforderungen zu stellen.

4. Im vorliegenden Fall reichten die in der Satzung vorgesehene Gewinnrücklage und der tatsächliche Ausweis einer solchen in der Bilanz des Verbandes für den Nachweis aus, dass die erzielten Gewinne weiterhin für Zwecke des BgA X als Eigenkapital zur Verfügung standen.

Vermeidung einer vGA durch Darlehensgestaltung

Anzumerken ist, dass ein Liquiditätsabfluss beim Regiebetrieb an den Verband zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen kann. Dies steht der Bildung einer Rücklage entgegen, sodass Kapitalertragsteuer abzuführen ist. Das gilt aber dann nicht, wenn die Auszahlung als Darlehen erfolgt. Erforderlich ist, dass insoweit belegbar ist, dass die Gelder verzinst wieder zurückzuzahlen sind. Unerheblich ist, dass die Forderung des Regiebetriebs nicht in der Bilanz des Verbandes ausgewiesen wird, da sich im Rahmen der konsolidierten Gesamtbilanz die Darlehensforderung und die entsprechende Verbindlichkeit aufheben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.1.2018 – VIII R 15/16

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