Leitsatz

Schuldzinsen, die infolge der Finanzierung der Zinsen eines Darlehens zur Anschaffung oder Herstellung von Anlagevermögen (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG) entstanden sind, unterliegen nicht der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG. Dies gilt auch dann, wenn sie auf einem separaten Darlehenskonto erfasst werden.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4a Satz 5, Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin zu 1. ist eine ärztliche Gemeinschaftspraxis, der der Kläger zu 2. im Jahr 1988 beigetreten ist. Den Kaufpreis für den Gesellschaftsanteil finanzierte der Kläger zu 2. in voller Höhe durch Aufnahme eines endfälligen Darlehens (Hauptdarlehen), das sich im Februar 2004 durch eine als Tilgungsersatz angesparte Lebensversicherung auf eine Restschuld von ca. 22.000 EUR verminderte.

Der Kläger zu 2. hatte seit mindestens 1993 die Zinsen des unter der Nr. ...2 geführten Hauptdarlehens nicht vollständig beglichen. Die Bank richtete 2001 unter der Nr. ...1 ein weiteres Darlehenskonto ein (Zinsdarlehen), auf das für das Hauptdarlehen aufgelaufene Zinsen gebucht und dessen Auszahlungsbeträge in der Folgezeit ausschließlich dazu verwendet wurden, die Zinsen für das Hauptdarlehen zu bezahlen. Der Saldo des Zinsdarlehens wuchs kontinuierlich an. Am 11.2.2004 wurde sein Sollsaldo mit dem Hauptdarlehen unter dessen Kontonummer zusammengeführt, wobei sich eine Gesamtrestschuld von 137.000 EUR ergab. Darüber hinaus hatte der Kläger zu 2. im Jahr 2001 Darlehen in Höhe von 425.000 DM bei einer anderen Bank aufgenommen, die teilweise ebenfalls der Finanzierung von Zinsen eines Investitionsdarlehens dienten.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass auf den Kläger zu 2. entfallende Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn hinzuzurechnen seien.

Die Beteiligten haben sich vor dem FG über die Höhe der Zinsen tatsächlich verständigt, deren Abzug davon abhängt, ob auch Zinsen, die infolge der Finanzierung von Zinsen eines Investitionsdarlehens entstanden sind, durch § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG begünstigt werden.

Das FG Düsseldorf (Urteil vom 29.9.2015, 10 K 4479/11 F, Haufe-Index 8801582, EFG 2016, 109) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Schuldzinsen sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt wurden. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres ermittelt, zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 EUR verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.

2. Der Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG ist zweistufig zu prüfen. Zunächst ist zu klären, ob es sich bei dem betreffenden Kredit um eine betriebliche oder um eine private Schuld handelt. Dann ist in einem zweiten Schritt zu ermitteln, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen abziehbar sind. Diese Prüfung hat bei Mitunternehmerschaften gesellschafterbezogen zu erfolgen.

3. Von der Abzugsbeschränkung sind Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des An­lagevermögens ausgenommen. Ob ein Investitionsdarlehen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG vorliegt, bestimmt sich nicht nach dem vereinbarten Darlehenszweck oder der Mittelverwendungsabsicht des Darlehensnehmers, sondern – entsprechend der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Erwerbs- oder zur Privatsphäre – allein nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel für eine begünstigte Investition.

Nicht begünstigt sind z.B. Darlehen für die Anschaffung oder Herstellung von Umlaufvermögen und für die Erhaltung von Anlagevermögen sowie Kredite, die nach einer bereits abgeschlossenen Finanzierung von Anlagevermögen aufgenommen werden.

4. Die Begünstigung des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG erstreckt sich auch auf die durch ein Investitionsdarlehen ausgelösten Verzugs- und Zinseszinsen. Verzugs- und Zinseszinsen bleiben auch dann durch den ursprünglichen Darlehenszweck veranlasst, dienen also der "Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten ...", wenn als zusätzliche Ursache die vereinbarungsgemäße oder vertragswidrige Nichtzahlung laufender Zinsen hinzutritt.

Die Begünstigung des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG bleibt erhalten, wenn ein Investitionsdarlehen umgeschuldet wird, denn dies beendet den Veranlassungszusammenhang zur begünstigten Investition nicht. Eine Änderung der Vertragsbedingungen – insbesondere der Höhe der Zinsen oder der Laufzeit – ist insoweit unerheblich.

Werden Zinsen für ein Investitionsdarlehen also nicht laufend gezahlt, sondern dem Darlehen zugeschlagen, so entstehen Zinseszinsen, die a...

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