Leitsatz

Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür einen fälligen Zahlungsanspruch, so führt die Verzinsung dieses Zahlungsanspruchs zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin schloss mit ihren Eltern, die sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten, einen notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag. Sie verzichtete auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht beim Tod des erstversterbenden Elternteils gegen Zahlung eines Betrags i.H.v. 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR). Dieser war am 31.12.1994 fällig. Nach der vertraglichen Vereinbarung verzichtete die Klägerin auf die Auszahlung der 150.000 DM (= 76.693,78 EUR) bis zum Tod des letztversterbenden Elternteils. Ab dem 31.12.1994 wurde der Auszahlungsanspruch mit 5 % jährlich verzinst. Zur Sicherung des Anspruchs wurde auf einem Grundstück der Eltern eine Grundschuld i.H.v. 150.000 DM nebst 5 % Zinsen eingetragen.

Im Jahr 2015 ordneten die Eltern in einem gemeinschaftlichen Testament unter Verweis auf den Pflichtteilsverzichtsvertrag die Auszahlung der 150.000 DM (= 76.693,78 EUR) nebst 5 % Zinsen Zug um Zug ­gegen Löschung der Grundschuld an. Die Klägerin erhielt daraufhin 157.705,52 EUR (150.000 DM = 76.693,78 EUR zzgl. 81.011,74 EUR Zinsen für die Jahre 1994 bis 2015) ausbezahlt.

Das FA unterwarf die Zinsen i.H.v. 81.011,74 EUR der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der hiergegen erhobenen Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2017, 3 K 3189/17, Haufe-Index 11523219, EFG 2018, 379).

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben, das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Für den BFH war der vorliegende Fall klar: Zwar unterliegt das Entgelt für den Verzicht auf den Pflichtteil nicht der Besteuerung, da es sich bei der Regulierung der Vermögensnachfolge um einen erbrechtlich, bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen Vertrag handelt. Anders verhält es sich jedoch bei den Zinsen, die für die Stundung der Ausgleichsforderung aus dem Pflichtteilsverzicht gezahlt werden. Diese sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin den Eltern durch die Stundung einen Kredit i.H.v. 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR) gewährt. Die hierfür gezahlten Zinsen unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

2. Entgegen der Auffassung des FG folgt aus den Urteilen des BFH (BFH, Urteil vom 9.2.2019, VIII R 43/06, BFH/NV 2010, 1524, BStBl II 2010, 818; BFH, Urteil vom 9.2.2010, VIII R 35/07, BFH/NV 2010, 1793) keine andere Beurteilung. Zwar hatte der BFH in diesen Urteilen entschieden, dass bei wiederkehrenden Zahlungen im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverzicht kein einkommensteuerpflichtiger Zinsanteil vorliegt. Entscheidend war im vorliegenden Fall jedoch, dass die Klägerin durch den Verzicht auf ihren Pflichtteil einen fälligen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung erhalten hat, den sie erst in einem zweiten Schritt gestundet hat. Hierdurch wurden die Eltern von ihrer Verpflichtung zur Auszahlung befreit, sodass eine Kreditgewährung vorlag.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.8.2019 – VIII R 22/17

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