Ist die Vollziehung eines Steuerbescheids oder eines Bescheids über Kindergeld (Rückforderung) für ein Einspruchs- oder Klageverfahren nach § 361 AO, § 69 FGO ausgesetzt worden und hat der Einspruch oder die Klage ganz oder teilweise keinen Erfolg, ist der nunmehr nachzuzahlende ("geschuldete"[1]) Steuerbetrag gem. § 237 Abs. 1 AO zu verzinsen.

Der Zinssatz beträgt nach wie vor 0,5 % pro vollem Monat.[2] Bisher geführte Klagen, mit denen die Verfassungswidrigkeit dieses Zinssatzes geltend gemacht wurde, sind gescheitert.[3] Aussetzungszinsen sind nicht zu erheben, wenn die Fälligkeit des streitigen Steueranspruchs, z. B. aufgrund einer Stundung, hinausgeschoben war oder Vollstreckungsaufschub gewährt wurde.[4]

Aus welchen Gründen der Rechtsbehelf erfolglos geblieben ist, ist unerheblich. Aussetzungszinsen werden daher festgesetzt, wenn[5]

  • der Rechtsbehelf durch Einspruchsentscheidung oder Urteil ganz oder teilweise zurückgewiesen worden ist,
  • der Rechtsbehelf zurückgenommen worden ist,
  • der Steuerbescheid oder Kindergeldbescheid geändert worden ist und sich der Rechtsbehelf dadurch erledigt hat.
[1] Zur Rechtslage bei Zahlung trotz gewährter Aussetzung der Vollziehung s. Aussetzung der Vollziehung.
[2] S. Abschnitt 1.
[3] Stellvertretend für alle: FG Münster, Urteil v. 8.3.2023, 6 K 2094/22 E, EFG 2023 S. 737, Rev. eingelegt, Az beim BFH VIII R 9/23.

5.1 Berechnung der Zinsen

Der Zinslauf beginnt mit dem Tag des Eingangs des Rechtsbehelfs bei der Finanzbehörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder mit dem Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht.[1] Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn die Aussetzung der Vollziehung, die i. d. R. erst nach Einlegung des Einspruchs oder der Klage verfügt wird, rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Einspruchs oder der Klage ausgesprochen wird. Hiervon ist auszugehen, wenn der Bescheid über die Aussetzung der Vollziehung nicht ausdrücklich etwas anderes regelt. Bestimmt der Bescheid über die Aussetzung der Vollziehung ausdrücklich, dass erst mit Wirkung ab der Antragstellung oder der Bekanntgabe des Bescheids ausgesetzt wird, beginnt ab diesem Zeitpunkt der Zinslauf.[2]

Der Zinslauf endet mit dem Tag des Ablaufs der Aussetzung der Vollziehung, der sich aus der Aussetzungsentscheidung ergibt.

Unerheblich ist, ob das Finanzamt den Aussetzungsbetrag zutreffend ermittelt hat; maßgeblich ist allein der Umfang der tatsächlich erfolgten Aussetzung. Die Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Aussetzungsentscheidung berührt den Zinsanspruch grundsätzlich nicht. Hat das Finanzamt die Vollziehung des angefochtenen Bescheids in vollem Umfang ausgesetzt, obwohl nur ein Teil der sich aus dem Bescheid ergebenden Forderungen streitig war, so berechnen sich die Aussetzungszinsen nach dem geschuldeten und tatsächlich von der Vollziehung ausgesetzten Betrag, soweit der Rechtsbehelf keinen Erfolg hatte.[3] Dagegen bleibt der Steuerpflichtige, der im Rechtsbehelfsverfahren in vollem Umfang Erfolg hatte, hinsichtlich eines rechtsirrig zu viel ausgesetzten Betrags von der Zinspflicht verschont.[4]

Der Steuerpflichtige kann die ihm ggf. überhöht erscheinende AdV durch Tilgung der Steuerschuld jederzeit beenden.[5]

5.2 Erlass aus Billigkeitsgründen

Wie bei den Stundungszinsen kann die Finanzbehörde gem. § 237 Abs. 4 AO auch auf Aussetzungszinsen verzichten. Eine lange Dauer des Klageverfahrens beim Finanzgericht für sich allein ist kein Grund für den Verzicht auf Aussetzungszinsen.[1] Eine überlange Verfahrensdauer kann ebenfalls nicht zu deren Verwirkung führen. Dies ergibt sich auch nicht aus den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Rechtsgrundsätzen.[2]

Die Erhebung von Aussetzungszinsen kann unbillig sein, wenn die Voraussetzungen für eine technische Stundung (Verrechnungsstundung) nur deshalb nicht vorliegen, weil durch die gewährte Aussetzung der Vollziehung die Fälligkeit der Steuerschuld hinausgeschoben worden ist.[3]

 
Praxis-Beispiel

Keine Aussetzungszinsen aufgrund sachlicher Unbilligkeit

Während der Zeit der Aussetzung der Vollziehung war dem Steuerpflichtigen ein Erstattungsanspruch entstanden, der allerdings noch nicht fällig war, jedoch zu einer Stundung geführt hätte.[4] Für die Zeit, für die eine Stundung gewährt worden wäre, wenn die Vollziehungsaussetzung nicht erfolgt wäre, ist es sachlich unbillig, Aussetzungszinsen zu erheben.

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