Hinterzogene Steuern inklusive Solidaritätszuschlag[1] und auch hinterzogenes Kindergeld[2] sind gem. § 235 AO zu verzinsen (sog. Hinterziehungszinsen).[3] Die Steuerhinterziehung muss vollendet sein. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung fallen keine Zinsen an.

Der Zinssatz beträgt nach wie vor 0,5 % pro vollem Monat.[4]

Auch die Verkürzung von Einkommensteuervorauszahlungen, z. B. mittels vorsätzlich falscher Angaben in der Jahressteuererklärung eines Vorjahres, berechtigt zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Dies bewirkt keine Doppelverzinsung desselben Steueranspruchs, wenn sich die den Festsetzungen zugrunde liegenden Zinsläufe nicht überschneiden.[5]

 
Wichtig

Festsetzung von Hinterziehungszinsen auch ohne Bestrafung des Täters

Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine Bestrafung des Hinterziehers voraus. Der Festsetzung steht weder eine Selbstanzeige noch die Einstellung eines Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit noch ein Strafverfolgungshindernis, z. B. Tod des Täters, Verjährung, entgegen. Die für die Zinsfestsetzung zuständige Stelle muss in diesen Fällen in eigener Zuständigkeit prüfen, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt. Dabei trägt das Finanzamt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerhinterziehung.

[3] BFH, Beschluss v. 3.5.2017, II B110/16, BFH/NV 2017 S. 1012.
[4] S. Abschnitt 1.

4.1 Bemessungsgrundlage

Zu verzinsen ist der hinterzogene Betrag. Ist nur ein Teil einer Steuer hinterzogen, ist nur dieser Teilbetrag zu verzinsen. Zinsen sind für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu berechnen.

4.2 Beginn und Ende des Zinslaufs

Der Zinslauf beginnt nach § 235 Abs. 2 AO grundsätzlich mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils. Bei der Einkommensteuer tritt die Verkürzung im Fall der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung mit dem Tag der Bekanntgabe des auf dieser Steuererklärung beruhenden Steuerbescheids ein. Etwas anderes gilt allerdings – was die Regel ist –, soweit die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. Hier beginnt die Verzinsung erst mit Ablauf des späteren Fälligkeitstags.

 
Praxis-Beispiel

Beginn des Zinslaufs bei Hinterziehung

Ein Steuerpflichtiger reicht dem Finanzamt am 25.9. die Einkommensteuererklärung für das Vorjahr ein. Die Steuererklärung enthält unrichtige Angaben. Das Finanzamt setzt die Einkommensteuer entsprechend fest. Der Einkommensteuerbescheid wird dem Steuerpflichtigen am 29.10. bekannt gegeben. Die Abschlusszahlung wird am 29.11. fällig. Die verkürzte Einkommensteuer beträgt 10.000 EUR. Die Verkürzung der Einkommensteuer ist am 29.10., dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheids, eingetreten (Zeitpunkt der Vollendung der Steuerhinterziehung). Für den Beginn des Zinslaufs ist jedoch nicht dieser Tag, sondern der fiktive Fälligkeitstag für die verkürzte Einkommensteuer maßgebend. Dies ist der 29.11. Hinterziehungszinsen zu der verkürzten Einkommensteuer von 10.000 EUR sind deshalb vom 29.11. an festzusetzen.

Bei der Verkürzung von Fälligkeitssteuern, z. B. Lohnsteuer, tritt die Verkürzung im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit ein.

Der Zinslauf endet gem. § 235 Abs. 3 Satz 1 AO mit Zahlung der hinterzogenen Steuer. Hinterziehungszinsen werden nach § 235 Abs. 3 Satz 2 AO nicht erhoben für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist.

Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder berichtigt, bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen gem. § 235 Abs. 3 Satz 3 AO unberührt.

Hinterziehungszinsen können sich mit Nachzahlungszinsen nach § 233a AO überschneiden, wenn z. B. die Einkommensteuer nach Entdeckung der Tat nach der Karenzzeit durch Änderungsbescheid höher festgesetzt wird. In diesen Fällen sind die für denselben Zeitraum festgesetzten Nachzahlungszinsen gem. § 235 Abs. 4 AO anzurechnen. Hierzu sind zunächst Hinterziehungszinsen für den gesamten Zinslauf zu berechnen. Erst anschließend ist zu prüfen, inwieweit für den gleichen Steuerbetrag Nachzahlungszinsen festgesetzt wurden. Soweit die Zinszeiträume für Nachzahlungszinsen und Hinterziehungszinsen übereinstimmen, sind die festgesetzten Nachzahlungszinsen auf den Gesamtbetrag der Hinterziehungszinsen anzurechnen.

Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO wurde im neuen Abs. 5 des § 239 AO klarstellend bestimmt, dass eine Zinsfestsetzung nach § 233a AO Grundlagenbescheid[1] für andere Zinsfestsetzungen ist, soweit die Zinsen nach § 233a AO auf die anderen Zinsen anzurechnen sind.

4.3 Berechnung der Zinsen

Nur der Teilbetrag der Steuer, auf den sich die Steuerhinterziehung bezieht, ist zu verzinsen. Zur Berechnung dieses zu verzinsenden Teilbetrags ist – mit Hinblick auf die Steuerprogression – die Steuer laut ursprünglicher Festsetzung mit der Steuer zu vergleichen, ...

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